Kalorien­reduktion in der Ernähr­ung, zwei neue Studien

Zu niedrige wie zu hohe Aufnahme von Kohlen­hydraten zeigen sich mit geringerer Lebenser­wartung verbunden

Kohlenhydrat-Aufnahme und Mortalität

AAn Tiermodellen zeitigte eine Kalorienreduktion oder eine an Kohlenhydraten stark reduzierte Diät, positive Ergebnisse in den Aspekten Gesundheit und Lebenserwartung. Viele Menschen sahen sich veranlasst ihre eigene Nahrungsaufnahme dahingehend zu modifizieren.

Kohlenhydrate sind ein zentraler Bestandteil des Energiestoffwechsels aller Lebewesen. Als Produkt der Fotosynthese machen sie etwa zwei Drittel der weltweiten Biomasse aus.

Eine im August 2018 in TheLancet veröffentlichte Studie mit dem Titel Diätetische-Kohlenhydrat-Aufnahme und Mortalität … (en) konnte einige Aspekte dieses Themas differenzieren.

Sterblichkeit, Sterberate, Mortalität und Mortalitätsrate sind Begriffe aus der Demografie. Diese beschäftigt sich statistisch und theoretisch unter Einbeziehung verschiedenster Gliederungen und Faktoren mit der Entwicklung von Populationen und ihren Strukturen.

So bezeichnet die Mortalität hier die Anzahl der Todesfälle bezogen auf die Zahl der Individuen insgesamt innerhalb eines bestimmten Zeitraums.

Sowohl Diäten mit hohen als auch niedrigen Anteilen an Kohlenhydraten zeigten sich in der Untersuchung mit einer erhöhten Mortalität verbunden.

Das kleinste Risiko ließ sich bei einer Aufnahme von 50-55 % Kohlenhydraten beobachten.

Diese Sterberate zeigte sich nun in der Untersuchung zusätzlich davon abhängig, ob die Diät die Kohlenhydrate durch pflanzliche oder tierische Fette und Proteine ersetzte.

Ernährungsweisen mit niedrigem Gehalt an Kohlenhydraten ergaben eine höhere Sterblichkeit, wenn die Eiweiße und Fette aus Quellen wie Lamm, Rind, Schwein und Huhn stammten.

Die Aufnahme von pflanzlichem Eiweiß und Fett aus Quellen wie Gemüse, Nüssen, Erdnussbutter und Vollkornbrot, führte zu einer niedrigeren Sterblichkeit.

Dies bedeutet, dass die Quelle der Nahrung ein bedeutender Faktor in dem Zusammenhang – Aufnahme von Kohlenhydraten und Sterblichkeit – ist.

Ballaststoffreiche Ernährung schützt vor einer Vielzahl von Erkrankungen ...
Bild von Theo Crazzolara auf Pixabay

Die Stoffwechselprodukte der Ballaststoffe, insbesondere Butyrat, können Krebs in jedem Teil des Körpers verhindern. Butyrat, eine kurzkettige Fettsäure, die als Kraftstoffquelle für die Zellen dient, die den Dickdarm auskleiden, erleichtert die Apoptose von Darmkrebszellen und reduziert Darmentzündungen. Leguminosen oder Hülsenfrüchte, zu denen Bohnen, Kichererbsen und Linsen gehören, sind eine gute Quelle für Proteine und Ballaststoffe und eine besonders unzureichend genutzte Nahrungsquelle. High-Fiber Diet Might Protect Against Range of Conditions JAMA Network 17 April 2019
Ende des Einschubs!

Wenig essen ist gesund dank Darmbakterien

Der Open Access Artikel aus der Publikation Cell Metabolism vom August 2018 mit dem Titel: Funktionelle Darm-Mikrobiota-Remodellierung trägt zu den kalorienreduzierten metabolischen Verbesserungen bei (en), von S. Fabbiano et al. ergänzt, wie ich finde, unser Thema recht gut.

Hier übergebe ich Sie der sehr lesbar gestalteten Darstellung aus der Pressemitteilung des idW zur letztgenannten Studie. Ich habe mit erlaubt, sie durch einige Erläuterungen und eine Grafik anzureichern.:

Eine kalorienarme Ernährung verlängert das Leben von Mäusen und sie werden auch gesünder und schlanker. Ein vom SNF unterstütztes Forschungsteam hat nun eine Erklärung für diese Tatsache gefunden: Ausschlaggebend ist die Darmflora und ihre Auswirkung auf das Immunsystem. Die Forschenden fanden auch Wirkstoffe, die den Effekt einer kalorienarmen Ernährung simulieren und neue Möglichkeiten zur Behandlung von Übergewicht eröffnen.

Dass eine Reduktion der Kalorienaufnahme um bis zu 40 Prozent positive Auswirkungen auf die Tiergesundheit hat, ist seit Langem bekannt: Die Tiere leben länger, ihr Blutzuckerspiegel fällt schneller und sie verbrennen mehr Körperfett. Laut einem kürzlich im Forschungsmagazin „Cell Metabolism“ veröffentlichen Artikel sind es die Darmbakterien, die für viele dieser körperlichen Veränderungen verantwortlich sind.

Mikroorganismen aus dem Blinddarm

Das internationale Team unter der Leitung von Mirko Trajkovski, SNF-Professor an der Universität Genf, setzte Mäuse während 30 Tagen auf eine kalorienarme Diät und stellte fest, dass diese an beigem Fett zulegten, einer Art von Fettgewebe, das Körperfett verbrennt und zur Gewichtsabnahme beiträgt.

Mäuse, die ohne Darmflora lebten, weil sie unter sterilen Bedingungen aufwuchsen und normal fraßen, entwickelten ebenfalls mehr beiges Fett und wurden schlanker, nachdem sie Mikroorganismen aus dem Blinddarm von Mäusen mit kalorienarmer Diät erhalten hatten. Das modifizierte Mikrobiom brachte diesen Mäusen somit einen gesundheitlichen Nutzen.

Bei einer Analyse der mikrobiellen Lebensgemeinschaften stellten Trajkovski und sein Team fest, dass die Darmbakterien von Mäusen mit kalorienreduzierter Diät weniger toxische Lipopolysaccharide (LPS) produzierten. Wenn die LPS-Konzentration im Blut wieder auf normale Werte anstieg, ging ein Großteil der gesundheitlich positiven Effekte verloren.

Das Problem mit der Entzündung ... „Ihr Körper hat zwei metabolisch unterschiedliche Zustände: gefastet oder nüchtern (ohne Nahrung) und nach der Mahlzeit. Der absorbierende gesättigte Zustand ist eine metabolisch aktive Zeit für den Körper. Aber es ist auch eine Zeit der Immunsystemaktivität. Beim Essen nehmen wir nicht nur Nährstoffe auf, sondern auch unser Immunsystem wird aktiviert, um eine vorübergehende Entzündungsreaktion zu erzeugen.” … Warum Snacks Ihrer Gesundheit schaden können von Jenna Macciochi / 8. Dezember 2018 / Ernährung, Gehirn, Immunsystem, Medizin, Psyche
Ende des Einschubs!

Neue Wirkstoffe könnten bei Übergewicht helfen

Die bakteriellen LPS-Moleküle lösen eine Immunreaktion aus, indem sie den spezifischen Signalrezeptor TLR4 (Toll-like Receptor 4) aktivieren. Bei Experimenten mit Mäusen, die gentechnisch veränderte Immunzellen ohne diesen Rezeptor erhielten, konnten die Forschenden die Auswirkungen der Kalorienbeschränkung simulieren. “Das Immunsystem bekämpft eindeutig nicht nur Infektionen, sondern spielt auch eine Schlüsselrolle bei der Stoffwechselregulierung”, erklärt Trajkovski. Die Mäuse haben nicht nur mehr beiges Fett und weniger Gewicht, sondern sie reagieren auch besser auf Insulin, ihre Leber verarbeitet Zucker und Fett auf eine gesündere Weise und die Mäuse ertragen kältere Temperaturen besser. “Diese Ergebnisse eröffnen ein ganz neues Forschungsgebiet”, meint Trajkovski.

In einem weiteren Schritt testeten die Forschenden zwei Moleküle: Eines reduziert die Produktion von toxischen LPS durch die Bakterien, das andere blockiert den TLR4-Rezeptor, der das LPS-Signal aufspürt. Beide Wirkstoffe bewirkten gesundheitliche Effekte, wie sie auch bei einer kalorienarmen Ernährung zu beobachten sind. “Eines Tages könnte es möglich sein, fettleibige Personen mit einem Medikament zu behandeln, das eine Kalorienbeschränkung simuliert”, meint Trajkovski. “Wir untersuchen derzeit die spezifischen Veränderungen in bakteriellen Lebensgemeinschaften und testen auch andere Verbindungen, welche die LPS-Produktion und die Signalübertragung hemmen.”

Die idW Pressemitteilung endet hier, nachfolgend die in der Studie herausgestellen Höhepunkte der Arbeit.

Die in der Studie herausgestellten Höhepunkte

  • Mikrobiota-Transplantation von Tieren die kalorienreduziert ernährt wurden verbessert die Glykämische Kontrolle und Insulinempfindlichkeit bei den Empfängertieren.
  • Mikrobiota unter Kalorienreduktion fördert die Entwicklung von beigefarbenem Fett und reduziert die Gewichtszunahme. Kalorienreduktion unterdrückt wichtige mikrobielle Gene für die LPS-Biosynthese und diktiert den Immuntonus. LPS-TLR4-Hemmung in Knochenmarkszellen verbessert Stoffwechsel und Bräunung.

Schaubild zu den Wirkungen des Mikrobioms unter Kalorienreduktion

Schaubild zu Veränderungen des Mikrobioms, des Immunstatus' und des Metabolismus unter Kalorienreduktion.
Schaubild zu Veränderungen des Mikrobioms, des Immunstatus und des Metabolismus unter Kalorienreduktion.

Info-Krümel

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Große Teile des Textes entstammen einer Pressemitteilung des idw Informationsdienstes vom 30. August 2018 mit dem Titel: Wenig essen ist gesund dank Darmbakterien, deren Wiedergabe unter den hier genannten Bedingungen legitimiert ist.

Die idW Pressemitteilung bezieht sich auf einen Open Access Artikel der Publikation Cell Metabolism vom 30. August 2018 mit dem Titel: Functional Gut Microbiota Remodeling Contributes to the Caloric Restriction-Induced Metabolic Improvements
(Funktionelle Darm-Mikrobiota-Remodellierung trägt zu den kalorienreduzierten metabolischen Verbesserungen bei.), von S. Fabbiano et al., der unter der Creative Commons Lizenz CC BY-NC-ND 4.0 steht.

Zitiert wurde auch aus der am 16. August 2018 im TheLancet veröffentlichten Open Access Studie: Dietary carbohydrate intake and mortality: a prospective cohort study and meta-analysis (Diätetische Kohlenhydrataufnahme und Mortalität: eine prospektive Kohortenstudie und Meta-Analyse), mit der Creative Commons Lizenz CC BY-NC-ND 4.0.

Ausserdem erfolte eine Ergänzung des Textes mit dem Hinweis auf: High-Fiber Diet Might Protect Against Range of Conditions JAMA Network April 2019, doi:10.1001/jama.2019.2539 (Ballaststoffreiche #Ernährung schützt vor einer Vielzahl von Erkrankungen )

Die Tooltips über einigen Fachbegriffen sind mit Informationen aus der Wikipedia gefüllt.

Das Titelbild ist von http://pixabay.com/en/users/PublicDomainPictures

Die grafische Zusammenfassung im Text erfolgte aus Bildern von Servier Medical Art die unter CC BY 3.0 Generic lizenziert sind und von der Original-Studie entlehnt wurden. 

Das Inline-Bild ist von Theo Crazzolara auf Pixabay

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Update: 12. Okt 2023 @ 23:38
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