Zwischen Entzündungsbekämpfung und Infektionskontrolle: Wie die Immunantwort im Lungengewebe gesteuert wird
Justus-Liebig-Universität Gießen
Abbau abgestorbener Neutrophiler programmiert Immunzellen in der Lunge um – Studie der Gießener Infektions- und Lungenforschung in „Science Immunology“ erschienen
Entzündungen der Lunge aufzulösen ist entscheidend, um den Gasaustausch aufrechtzuerhalten. Wenn der Körper eine Lungenentzündung bekämpft, bewegt er sich jedoch auf einem schmalen Grat: Denn während die Entzündung aufgelöst wird, steigt gleichzeitig das Risiko sekundärer bakterieller Infektionen. So kann es nach einer viralen Infektion (z.B. einer Grippe) zu schweren Verläufen durch bakterielle Infektionen kommen. Eine Studie von Gießener Infektions- und Lungenforscherinnen und -forschern rund um Dr. Ulrich Matt und Prof. Dr. Susanne Herold am Exzellenzcluster Cardio-Pulmonary Institute (CPI) beschreibt nun einen bislang unbekannten Mechanismus, durch den wichtige Immunzellen der Lunge, sogenannte alveoläre Makrophagen, ihre Funktion bei der Immunantwort anpassen: Durch die Aufnahme abgestorbener weißer Blutkörperchen (neutrophile Granulozyten), die zum angeborenen Immunsystem gehören und der Erstabwehr von Bakterien dienen, verändern sie ihren Stoffwechsel und nehmen eine entzündungsauflösende Rolle ein. Diese Umprogrammierung hilft, Entzündungen in der Lunge effizient zu beenden, geht jedoch auf Kosten der Fähigkeit, bakterielle Infektionen wirksam zu bekämpfen.
Alveoläre Makrophagen spielen eine zentrale Rolle für das Gleichgewicht des Immunsystems in der Lunge – sie unterstützen sowohl die Abwehr von Krankheitserregern als auch die Wiederherstellung von Gewebe nach Entzündungen. Wie sie zwischen diesen Funktionen wechseln, war bisher unklar. „Unsere Studie zeigt, dass die Aufnahme neutrophiler Zellen die Aktivität der Makrophagen verändert und sie in einen entzündungsauflösenden Zustand versetzt“, sagt Dr. Ulrich Matt, Letztautor der Studie. „Diese Entdeckung liefert entscheidende Erkenntnisse über das Gleichgewicht zwischen Entzündungslösung und Infektionskontrolle – ein zentrales Thema bei Lungenentzündung jeder Art.“ Die Forscherinnen und Forscher setzen sich nun zum Ziel, diese Erkenntnisse zur Weiterentwicklung von Therapien gegen schwere Lungenentzündungen zu nutzen.
Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Science Immunology“ veröffentlicht worden.
Link: https://idw-online.de/de/news851771
Originalpublikation: Julian Better et al.: Cell type-specific efferocytosis determines functional plasticity of alveolar macrophages. Sci. Immunol.10, eadl3852 (2025). DOI: 10.1126/sciimmunol.adl3852 https://doi.org/10.1126/sciimmunol.adl3852
Zwillingsstudie spürt im Dünndarm Bakterien auf, die eine Rolle bei der Entstehung von Multipler Sklerose spielen
Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz
- MS ist eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Mikroorganismen des Darms stehen im Verdacht, die Krankheit mitauszulösen.
- Für aussagekräftige Ergebnisse untersuchten Forschende* Stuhlproben und zudem Mikroorganismen direkt aus dem Dünndarm von eineiigen Zwillingen, bei denen nur ein Zwilling an MS erkrankt ist.
- Mit einem Mausmodells identifizierten die Forschenden erstmals Lachnoclostridium und Eisenbergiella tayi als potenzielle krankheitsauslösende Bakterien in den Darmproben der an MS erkrankten Zwillinge.
- Die Studie zeigt, wie sich krankmachende Bakterien identifizieren lassen und könnte langfristig den Weg zu neuen Therapieansätzen im Menschen aufzeigen
Mehr als 280.000 Menschen in Deutschland sind von Multipler Sklerose (MS) betroffen und jedes Jahr kommen circa 15.000 hinzu. Damit ist MS die häufigste entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Dort greifen körpereigene Immunzellen die isolierende Schicht von Nervenfasern an und schädigen sie in ihrer Funktion. Je nach Angriffsort kann es zu einer Vielzahl von Symptomen kommen, weshalb MS auch Krankheit der 1000 Gesichter genannt wird. Sehstörungen, Missempfindungen oder Lähmungen sind nur einige der Symptome, mit denen Patient*innen zu kämpfen haben.
Wie es zu der Fehlsteuerung der Immunzellen kommt, ist noch weitgehend ungeklärt. MS ist eine multifaktorielle Erkrankung – den Auslöser gibt es nicht, sondern mehrere Faktoren müssen zusammentreffen, damit es zum Ausbruch der Krankheit kommt. Genetische Komponenten spielen dabei genauso eine Rolle, wie verschiedene Umweltfaktoren: Neben Rauchen, Vitamin-D-Mangel oder bestimmten Infektionskrankheiten stehen besonders auch Mikroorganismen im Darm seit längerem unter Verdacht, die Krankheit auszulösen.
Bisherige Studien konnten zahlreiche Bakterienstämme identifizieren, durch die sich die Darmflora von MS-Patienten und gesunden Personen unterscheidet. Die Bedeutung dieser Unterschiede für das Krankheitsgeschehen blieb jedoch unklar. Zudem war eine eindeutige Interpretation der Ergebnisse oft schwierig, da die genetischen Unterschiede oder die abweichenden Essensgewohnheiten der Probanden großen Einfluss haben können.
Um unerwünschte Einflüsse zu minimieren, etablierte ein Team mehrerer Forschungseinrichtungen* ein großes Kooperationsprojekt – mithilfe von Zwillingen. Denn obwohl eineiige Zwillinge genetisch nahezu identisch sind, gibt es sogenannte diskordante Paare, bei denen ein Zwilling an MS erkrankt ist, während der andere keine Symptome aufweist.
Etwa 100 solcher Zwillingspaare nehmen momentan an der MS TWIN STUDY am Institut für Klinische Neuroimmunologie des LMU Klinikums teil und ermöglichen, die Krankheit unter vergleichbareren Bedingungen zu untersuchen: Neben den geringen genetischen Unterschieden haben die Zwillinge bis ins frühe Erwachsenenalter zusammengelebt und waren somit ähnlichen Umweltfaktoren ausgesetzt.
Die Forschenden untersuchten nun die Stuhlproben von 81 Zwillingspaaren aus der MS TWIN STUDY und verglichen deren Zusammensetzung unter den Geschwistern. Dabei identifizierten sie 51 Taxa (Mikroorganismen einer bestimmten Gruppe), die in gesunden und erkrankten Zwillingen unterschiedlich oft zu finden waren.
Zudem gingen die Forschenden in dieser Studie erstmals noch einen Schritt weiter: Vier der Zwillingspaare erklärten sich dazu bereit, dass ihnen endoskopisch Proben aus dem Dünndarm entnommen werden – dem Ort, an dem die krankmachenden Interaktionen zwischen den Mikroorganismen und den körpereigenen Immunzellen vermutet werden. Vorherige Studien untersuchten dagegen fast ausschließlich Stuhlproben, welche nur bedingt Auskunft über die vorherrschenden Mikroorganismen im Dünndarm liefern.
Um zu testen, ob die Dünndarm-Proben krankmachende Organismen enthalten, nutzen die Forschenden spezielle transgene Mäuse. Diese bleiben unter keimfreier Haltung lebenslang gesund. Nach einer Besiedlung mit Darmbakterien können sie jedoch eine MS-ähnliche Krankheit entwickeln.
Im Rahmen der Studie erhielten die Mäuse Darmproben entweder von einem gesunden oder einem erkrankten Zwilling. Symptome zeigten daraufhin hauptsächlich die Mäuse, die mit Proben der MS-Patienten besiedelt worden waren. Ein starker Hinweis darauf, dass sich im Dünndarm von Personen mit MS krankheitsauslösende Mikroorganismen befinden.
Die Forschenden untersuchten anschließend den Stuhl der erkrankten Mäuse und konnten bisher zwei Mitglieder der Familie der Lachnospiraceen (Lachnoclostridium sp. und Eisenbergiella tayi) als potenzielle krankheitsauslösende Faktoren identifizieren. Als zahlenmäßig unbedeutende Komponenten der Darmflora waren diese Organismen bisher nur in sehr großen und gut kontrollierten Studien mit MS in Verbindung gebracht worden. Mit ihrer innovativen experimentellen Strategie konnten die Forschenden diese Bakterien jetzt jedoch erstmals nicht nur auf ihr Vorkommen bei MS-Patienten, sondern auch hinsichtlich ihrer Rolle für das Entstehen der Krankheit untersuchen.
Die Wissenschaftler*innen betonen, dass es natürlich noch mehr Organismen mit diesem Potenzial geben kann. Weitere Studien sind nötig, um ein umfassenderes Bild zu erhalten und die Pathogenität der beiden Kandidaten im Detail zu überprüfen – zunächst im Mausmodell der Krankheit und später auch bezüglich der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen. Sollte es sich jedoch herausstellen, dass nur eine kleine Anzahl von Mikroorganismen die Krankheit auslöst, könnte dies neue Therapiemöglichkeiten eröffnen. Damit zeigt die Studie nicht nur eindrücklich, welche Rolle die Lebensgewohnheiten bei der Entstehung von MS haben, sondern liefert auch neue Versuchsstrategien, um deren Auswirkungen weiter auf den Grund zu gehen.
*Die Studie entstand in Kooperation mit Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts für biologische Intelligenz, dem Biomedizinischen Centrum der LMU München, dem LMU Klinikum, des Weill Institute for Neuroscience (University of California San Francisco), dem Institut für Neuropathologie (Universitätsklinikum Münster) und dem Zentralinstitut für Ernährungs- und Lebensmittelforschung (Technische Universität München).
Link: https://idw-online.de/de/news851695
Originalpublikation: Multiple sclerosis and gut microbiota: Lachnospiraceae from the ileum of MS twins trigger MS-like disease in germfree transgenic mice—An unbiased functional study, Hongsup Yoon$, Lisa Ann Gerdes$, Florian Beigel$, Yihui Sun, Janine Kövilein, Jiancheng Wang, Tanja Kuhlmann, Andrea Flierl-Hecht, Dirk Haller, Reinhard Hohlfeld, Sergio E. Baranzini*, Hartmut Wekerle*, and Anneli Peters*, * these authors contributed equally, PNAS, online 21. April 2025, DOI-Link: https://doi.org/10.1073/pnas.2419689122
Krankheitserreger binnen Minuten statt Tagen identifizieren
Technische Universität München
Massenspektrometer identifiziert Pathogene direkt in Gewebe- und Stuhlproben.
Bislang 232 medizinisch wichtige Bakterienspezies nachweisbar.
Datenbank muss nun weiter ausgebaut werden.
Bei der Diagnose von Krankheiten sind Schnelligkeit und Zuverlässigkeit von entscheidender Bedeutung. Forschende der Technischen Universität München (TUM) und des Imperial College London haben eine neue Methode entwickelt, um Bakterien mit bislang ungekannter Geschwindigkeit zu identifizieren. Damit kann die Wartezeit von bislang mehreren Tagen auf wenige Minuten beschleunigt werden.
Traditionell erfolgt die Diagnose von bakteriellen Erkrankungen über das langwierige Isolieren der Erreger und Anlegen von Bakterienkulturen. Wartezeiten von mehreren Tagen sind hier die Regel. Erst danach kann mit der gezielten Behandlung der Erkrankung begonnen werden. Das Team um Nicole Strittmatter, Professorin für Analytische Chemie an der TUM, und Dr. James S. McKenzie (Imperial) nutzt für seinen innovativen Ansatz die Massenspektrometrie. Damit konnten die Forschenden direkt in Gewebe- und Stuhlproben spezifische Stoffwechselprodukte von Bakterien identifizieren.
Kernstück des Verfahrens ist eine Datenbank, in der bislang 232 medizinisch besonders wichtige Bakterienspezies und ihre Stoffwechselprodukte verzeichnet sind. Aus dieser werden Biomarker hergeleitet, die dann zur direkten Detektion bestimmter Bakterien verwendet werden können. Unter den mit der neuen Methode identifizierbaren Bakterien sind klinisch extrem bedeutende Erreger, die zum Beispiel Magenkrebs auslösen können, für bestimmte Lungen- und Hirnhautentzündungen verantwortlich sind, mit Frühgeburten in Zusammenhang stehen sowie Gonorrhö oder Blutvergiftungen verursachen können.
Erstautorin Wei Chen, Doktorandin am Department of Bioscience der TUM School of Natural Sciences in Garching, betont: „Unser innovativer Ansatz besteht darin, nicht direkt nach den krankmachenden Bakterien zu suchen, sondern lediglich nach ihren Stoffwechselprodukten. Das ermöglicht uns einen indirekten, aber sehr viel schnelleren Nachweis.“
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Link: https://idw-online.de/de/news851557
Originalpublikation: Chen, W., Qiu, M., Paizs, P. et al. Universal, untargeted detection of bacteria in tissues using metabolomics workflows, veröffentlich in: Nat Commun 16, 165 (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-024-55457-7
Spätes Essen ist mit gestörtem Glukosestoffwechsel verbunden
Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke
Unser Körper verarbeitet Nahrung je nach Tageszeit unterschiedlich und viele Stoffwechselprozesse sind morgens aktiver als abends. Studien zeigen zwar, dass spätes Essen mit einem erhöhten Risiko für Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zusammenhängt, jedoch ist bisher wenig darüber bekannt, wie der Zeitpunkt des Essens den Glukosestoffwechsel beeinflusst und wie viel davon genetisch bedingt ist. Dies haben Prof. Olga Ramich vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) und ihr Team kürzlich in einer Zwillingskohorte untersucht. Der Artikel ist im Journal eBioMedicine erschienen.
Das zirkadiane System ist ein hierarchisch aufgebautes 24-Stunden-Zeitsteuerungssystem im Körper, das Verhalten und Stoffwechsel über eine zentrale Uhr im Gehirn und periphere Uhren in Organen, wie z. B. Leber oder Bauchspeicheldrüse, reguliert. Dadurch verarbeitet unser Körper dieselbe Nahrung abhängig von der Tageszeit unterschiedlich, was zu tageszeitlichen Schwankungen im Glukosestoffwechsel und der Hormonausschüttung nach einer Mahlzeit führt. Die Nahrungsaufnahme selbst wirkt dabei als ein wichtiger Zeitgeber, der die inneren Uhren synchronisiert. Eine Entkopplung der Essenszeit vom natürlichen Hell-Dunkel-Rhythmus, wie z. B. bei Nachtarbeit, kann zu einer inneren Uhrstörung und negativen Stoffwechselveränderungen führen.
Bisherige Studien zeigen, dass spätes oder nächtliches Essen mit einem erhöhten Risiko für Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden ist. Dennoch ist bislang wenig darüber bekannt, wie genau der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme im Zusammenspiel mit dem individuellen zirkadianen Rhythmus den Glukosestoffwechsel und das Diabetesrisiko beeinflusst. Zudem ist unklar, welche Mechanismen das individuelle Essverhalten bestimmen, da hierbei kulturelle, persönliche, physiologische und genetische Einflüsse zusammenwirken.
Vor diesem Hintergrund hat Olga Ramich, Heisenberg-Professorin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und am DIfE untersucht, wie der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme im Tagesverlauf mit dem Glukosestoffwechsel und der Insulinempfindlichkeit zusammenhängt. Außerdem wollte Ramich, die auch am Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) forscht, gemeinsam mit ihrem Team herausfinden, welchen Einfluss genetische und umweltbedingte Parameter auf die individuellen Essgewohnheiten haben.
Dafür nutzten sie Daten aus der NUtriGenomics Analysis in Twins (NUGAT)-Studie, an der 46 eineiige und zweieiige Zwillingspaare ohne Diabetes teilnahmen. Die Proband*innen führten fünf Tage lang Ernährungstagebuch über ihre Essenszeiten und -mengen. Die Wissenschaftler*innen ermittelten den individuellen Schlaf-Wach-Rhythmus (Chronotyp) der Teilnehmenden und führten verschiedene Stoffwechseltests, wie z. B. einen Blutzuckerbelastungstest, durch. Darüber hinaus bestimmten sie das zirkadiane Timing des Essens, also wann jemand im Verlauf des Tages isst – und zwar in Bezug auf den individuellen biologischen Tagesrhythmus und nicht auf die Uhrzeit.
Früheres Essen fördert gesunden Stoffwechsel
Ein wichtiger Parameter, den die Wissenschaftler*innen ermittelten, war der zirkadiane kalorische Mittelpunkt (CCM) der Proband*innen. Dieser beschreibt jenen Zeitpunkt am Tag, zu dem rechnerisch die Hälfte der Tageskalorienmenge aufgenommen wurde. Ein späterer CCM bedeutet demnach, dass jemand hauptsächlich später am Tag isst – in Bezug auf den individuellen Chronotyp.
„Menschen, die ihre Hauptkalorien früher im Tagesverlauf zu sich nahmen, hatten eine bessere Insulinempfindlichkeit“, erklärt Ramich, die am DIfE die Abteilung Molekularer Stoffwechsel und Präzisionsernährung leitet. „Auf der anderen Seite zeigten Proband*innen, die ihre Hauptkalorien erst spät am Tag aufnahmen, eine schlechtere Insulinempfindlichkeit, was mit einem höheren Risiko für Typ-2-Diabetes einhergeht.“ Darüber hinaus hatten sie einen höheren Body-Mass-Index und einen größeren Taillenumfang.
Gene beeinflussen, wann wir essen
Um den Einfluss der Gene auf die Essenszeiten zu untersuchen, verglichen die Forschenden das Essverhalten der eineiigen Zwillinge (100 Prozent identische Gene) mit dem der zweieiigen Zwillinge (ca. 50 Prozent identische Gene). Mit speziellen mathematischen Modellen konnten sie abschätzen, wie stark der Zeitpunkt des Essens auf Gene, gemeinsame Umwelt oder individuelle Erfahrungen zurückzuführen ist.
Die Studie belegt, dass verschiedene Parameter des täglichen Essenszeitmusters bis zu 60 Prozent genetisch beeinflusst werden.
Fazit: Personalisierte Ernährung braucht neue Ansätze
Eine Verlagerung der Hauptkalorienaufnahme auf frühere zirkadiane Zeiten könnte den Glukosestoffwechsel verbessern sowie vor Typ-2-Diabetes und Übergewicht schützen. „Da die Essenszeiten jedoch teils erblich bedingt sind, dürfte es einigen Menschen schwerfallen, ihre Gewohnheiten zu ändern“, gibt Ramich zu bedenken. „Um die Wirksamkeit von Interventionen, die auf der Essenszeit basieren, besser zu verstehen, sind weitere Validierungsstudien und klinische Untersuchungen nötig.“
Hintergrundinformationen
Zirkadianes Timing des Essens
Wann jemand im Tagesverlauf bezogen auf den individuellen biologischen Tagesrhythmus isst, wird als Abstand zwischen der Essenszeit und dem Mittelpunkt des Schlafs gemessen. Der Mittelpunkt des Schlafs beschreibt die Zeit, die genau in der Mitte zwischen Einschlafen und Aufwachen liegt. Er gilt als ein Maß für den Chronotyp – also ob jemand eher Frühaufsteher oder Nachtmensch ist.
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Link: https://idw-online.de/de/news851588
Originalpublikation: Vahlhaus, J., Peters, B., Hornemann, S., Ost, A. C., Kruse, M., Busjahn, A., Pfeiffer, A. F. H., Pivovarova-Ramich, O.: Later eating timing in relation to an individual internal clock is associated with lower insulin sensitivity and affected by genetic factors. eBioMedicine 116:105737 (2025). [Open Access] https://www.thelancet.com/journals/ebiom/issue/vol116nonull/PIIS2352-3964(25)X0005-0
Natürliche Killerzellen erinnern sich an Eierstockkrebs und greifen ihn effektiv an
Forscher haben die einzigartige Fähigkeit eines speziellen Untertyps der natürlichen Killerzellen des Immunsystems, der sogenannten adaptiven NK-Zellen, entdeckt, die sich an Eierstocktumore erinnern und sie effektiv angreifen können. Diese Entdeckung könnte den Weg für neue, wirksamere Immuntherapien gegen schwer zu behandelnde Krebsarten ebnen.
NK-Zellen oder natürliche Killerzellen sind weiße Blutkörperchen, die eine zentrale Rolle bei der körpereigenen Abwehr von viralen Infektionen und Krebs spielen. NK-Zellen können ungesund aussehende Zellen, wie z. B. Tumorzellen, erkennen und zerstören, ohne dass sie ihnen vorher ausgesetzt wurden.
Adaptive NK-Zellen, aNK-Zellen, sind eine Untergruppe der NK-Zellen, die sich an vergangene Infektionen oder Tumore erinnern können und beim nächsten Mal, wenn sie auf die gleiche Bedrohung treffen, stärker reagieren. Diese Fähigkeit macht sie besonders vielversprechend für die Krebsbehandlung.
Die Studie zeigt, dass sich aNK-Zellen an tumorspezifische Signale erinnern, Krebszellen infiltrieren und bekämpfen und mit anderen Immunzellen zusammenarbeiten können, um noch effektiver zu werden, was sie für die Krebsbehandlung besonders attraktiv macht.
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„Die Studie stellt auch die bisherige Sichtweise auf NK-Zellen in Frage, die bislang nur als angeborene Immunzellen ohne Gedächtnisfunktion gegen Krebs angesehen wurden. Das eröffnet neue Möglichkeiten für die Entwicklung innovativer Immuntherapien.“
Die Studie umfasste umfassende Analysen menschlicher Immunzellen und Eierstocktumorgewebe, wobei fortschrittliche RNA- und Genexpressionskartierungstechniken auf Einzelzellebene eingesetzt wurden. So konnten die Forscher untersuchen, wie aNK-Zellen mit Tumorzellen des Eierstockkrebses interagieren.
„Der nächste Schritt in unserer Forschung ist die Entwicklung von Methoden, die die Anzahl und Aktivität von aNK-Zellen bei Patientinnen erhöhen, gefolgt von klinischen Studien, um ihre Auswirkungen auf die Überlebensraten der Patientinnen zu untersuchen“, sagt Dhifaf Sarhan.
https://news.ki.se/natural-killer-cells-remember-and-effectively-target-ovarian-cancer
Journal Reference: Yizhe Sun, Andrea Rodgers Furones, Okan Gultekin, Shruti Khare, Shi Yong Neo, Wenyang Shi, Lidia Moyano-Galceran, Kong-Peng Lam, Ramanuj Dasgupta, Jonas Fuxe, Sahar Salehi, Kaisa Lehti, Dhifaf Sarhan. Adaptive NK Cells Exhibit Tumor-Specific Immune Memory and Cytotoxicity in Ovarian Cancer. Cancer Immunology Research, 2025; DOI: https://doi.org/10.1158/2326-6066.CIR-24-0852
Löst Magnetpartikelbildgebung (MPI) das Röntgen ab?
Universitätsklinikum Würzburg
Um eine zuverlässige, strahlenfreie Bildgebung von Kontrastmitteln ohne Hintergrundrauschen bei peripheren Gefäßeingriffen zu ermöglichen, hat die Universitätsmedizin Würzburg erstmals einen menschengroßen MPI-Scanner entwickelt und dessen Leistungsfähigkeit an einem realistischen Modell, der Oberschenkelarterie, getestet. Die jetzt in Nature Communications in Medicine veröffentlichte Studie zeigt, dass es möglich ist, Gefäßeingriffe an den Extremitäten ohne Röntgenstrahlung und ohne jodhaltige Kontrastmittel durchzuführen. Dies ist insbesondere für Patientinnen und Patienten mit Nierenproblemen relevant und reduziert das Strahlenrisiko für Behandelte und Behandelnde.
Würzburg. Vor 130 Jahren, im Jahr 1895, legte der Physiker Wilhelm Conrad Röntgen in Würzburg den Grundstein für die Entwicklung der medizinischen Bildgebung. Bis heute sind Röntgenstrahlen ein unverzichtbares Hilfsmittel in der medizinischen Diagnostik, vor allem bei der Beurteilung von Knochenbrüchen, Zahn- und Kiefererkrankungen, Lungen- oder Herzerkrankungen sowie bei der Behandlung von Arterienverengungen, Aneurysmen oder Gefäßverschlüssen. Bei diesen so genannten endovaskulären Eingriffen dient die Röntgen-Angiographie zur Darstellung der Blutgefäße und zur Echtzeitüberwachung der Positionierung der Instrumente und der Reaktion der Blutgefäße. Dabei kombinieren die Ärztinnen und Ärzte das Röntgenbild mit einem Kontrastmittel, das sie in die Blutgefäße injizieren. So können sie Erkrankungen der Blutgefäße genau erkennen und direkt behandeln. Neben den Vorteilen sind aber auch Risiken wie Strahlenbelastung und Kontrastmittelreaktionen zu beachten.
Eine Alternative für risikoärmere endovaskuläre Eingriffe könnte bald die Magnetpartikelbildgebung (Magnetic Particle Imaging, MPI) bieten. Das Verfahren ist speziell auf die Detektion magnetischer Nanopartikel ausgerichtet und ermöglicht eine schnelle und strahlungsfreie Bildgebung ohne Hintergrundrauschen.
Dr. Patrick Vogel vom Lehrstuhl für Experimentelle Physik V der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und sein Team entwickelten erstmals einen MPI-Scanner in Menschengröße. Zusammen mit einer Forschungsgruppe der Universitätsmedizin Würzburg unter Leitung von Dr. Viktor Hartung vom Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) testeten sie diesen erfolgreich in einem realistischen Modell bei einer Gefäßoperation. Die Ergebnisse wurden in der hochrangigen Fachzeitschrift Nature Communications in Medicine veröffentlicht.
„Bisher war MPI eher auf Kleintiere oder die präklinische Forschung beschränkt. Mit dem menschengroßen MPI-Scanner haben wir gezeigt, dass Gefäßeingriffe an den Extremitäten – konkret in der Oberschenkelarterie – ohne Röntgenstrahlung und ohne jodhaltige Kontrastmittel durchgeführt werden können. Die ist insbesondere für Patientinnen und Patienten mit Nierenproblemen relevant und bei Strahlenrisiken. Zudem wird dadurch auch das berufliche Strahlenrisiko für die Operateure deutlich reduziert“, erklärt Viktor Hartung, Leiter der kardiovaskulären und thorakalen Radiologie am Uniklinikum Würzburg sowie Leiter der AG Magnetic Particle Imaging.
Um die Leistungsfähigkeit des neuen MPI-Scanners in menschlicher Größe zu testen, wurden drei Beine von frisch eingefrorenen menschlichen Körperspendern aus dem Anatomischen Institut der JMU so präpariert, dass eine kontinuierliche Durchblutung einer der Hauptarterien im Oberschenkel möglich war. Unter konstanter Perfusion, also gleichmäßig und ohne Unterbrechung, injizierten die Forscher eine Mischung aus einem speziellen, für Menschen zugelassenen MPI-Tracer und einem Röntgenkontrastmittel in die Oberschenkelarterie. Gleichzeitig nutzten sie den MPI-Scanner und eine herkömmliche Technik, die so genannte digitale Subtraktionsangiographie (DSA), zur Bildgebung.
„Die gleichzeitige Bildgebung mit DSA und MPI hat reibungslos funktioniert“, freut sich Patrick Vogel. Der Wissenschaftler beschäftigte sich bereits in seiner Doktorarbeit mit MPI und erhielt dafür 2016 den Wilhelm-Conrad-Röntgen-Wissenschaftspreis der Fakultät für Physik und Astronomie sowie den Nano Innovation Award 2017. Der neue MPI-Scanner ließ sich problemlos in die bestehenden klinischen Abläufe integrieren und lieferte klare und zuverlässige Bilder der Blutgefäße. Bereits geringe Mengen des Tracers, 2 ml Perimag® oder 1,5 ml Resotran®, reichten für eine präzise Darstellung aus. Die Ergebnisse waren in allen drei Modellen konsistent und reproduzierbar. „Das spricht für die Praxisnähe unserer Technik und die Relevanz unserer Ergebnisse im medizinischen Alltag“, kommentiert Patrick Vogel, der zusammen mit Prof. Dr. Thorsten Bley Letztautor der Studie ist.
„MPI hat das Potenzial, die klassische Röntgen-Angiographie zu ergänzen oder in Zukunft sogar teilweise zu ersetzen“
In der Studie wurden zudem Tracer verwendet, die bereits für die Anwendung am Menschen zugelassen sind – das bringe die klinische Umsetzung einen entscheidenden Schritt näher, da langwierige Zulassungsprozesse entfielen, so Thorsten Bley. Der Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie wagt einen Blick in die Zukunft. „MPI hat das Potenzial, die klassische Röntgen-Angiographie zu ergänzen oder in Zukunft sogar teilweise zu ersetzen“. Der nächste Schritt sind erste Messungen am lebenden Menschen.
Link: https://idw-online.de/de/news851515
Originalpublikation: Hartung, V., Gruschwitz, P., Augustin, A.M. et al. Magnetic particle imaging angiography of the femoral artery in a human cadaveric perfusion model. Commun Med 5, 75 (2025). https://doi.org/10.1038/s43856-025-00794-x
Vielversprechender Parkinson-Wirkstoff entschlüsselt
Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie
Aufklärung der Wirkungsweise eines vielversprechenden Parkinson-Wirkstoffs schafft Grundlage für Entwicklung von gezielten Therapien gegen Parkinson und chronische Niereninsuffizienz
Wie gut unser Gehirn funktioniert, hängt stark von der Leistungsfähigkeit unserer Nervenzellen ab. Darum werden sie regelmäßig auf ihre Funktion gecheckt – fehlerhafte Zellbestandteile werden markiert, entsorgt und recycelt; so auch die Mitochondrien, die Kraftwerke unserer Zellen. Eine gestörte Qualitätskontrolle der Mitochondrien spielt insbesondere bei der Parkinson-Erkrankung eine zentrale Rolle. Die Forschungsgruppe um Malte Gersch am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund (MPI) konnte nun die Wirkungsweise eines vielversprechenden Hemmstoffs des mit Parkinson in Verbindung stehenden mitochondrialen Proteins USP30 durch die Herstellung chimärer Proteine aufklären. Die Erkenntnisse bilden eine wichtige Grundlage für die Entwicklung innovativer Therapeutika gegen Parkinson sowie andere Erkrankungen.
„Unwillkürliche, zitternde Bewegungen, verbunden mit verminderter Muskelkraft“. So beschrieb der britische Arzt James Parkinson die sogenannte „Schüttellähmung“ erstmals. Die nach ihm benannte Krankheit Morbus Parkinson ist gleich nach Alzheimer die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Eine ursächliche Behandlung des Parkinson-Syndroms ist bis heute nicht möglich – lediglich die Symptome können behandelt werden. Zurückzuführen ist die Erkrankung auf einen Verlust von Nervenzellen im Hirnstamm und einen damit einhergehenden Mangel am Botenstoff Dopamin. Zurzeit werden große Hoffnungen in die Entwicklung neuartiger Wirkstoffe gesetzt, die fehlerhafte Nervenzellen regenerieren und so dem Verlust von Nervenzellen bei Parkinson entgegenwirken könnten.
Was genau das Absterben der Nervenzellen verursacht, ist bis heute ungeklärt. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass Defekte in ihren Mitochondrien verantwortlich sein könnten. Speziell Nervenzellen sind besonders von diesen Organellen abhängig, da sie viel Energie benötigen. In gesunden Zellen werden die Mitochondrien einer ständigen Qualitätskontrolle unterzogen. Fallen sie dabei durch, werden sie mit dem Protein Ubiquitin für den zellulären Abbau durch die Mitophagie markiert. Erst kürzlich hat man gezeigt, dass eine fehlerhafte Markierung beschädigter Mitochondrien ihren Abbau jedoch verhindert. Verwanwtortlich dafür sind bestimmte Schlüsselenzyme der Mitophagie, die in der erblichen Variante von Parkinson krankhaft verändert vorliegen.
Ein wichtiges Schlüsselenzym der Mitophagie ist die Deubiquitinase (DUB) USP30. Sie entfernt Ubiquitin-Markierungen von defekten, für den Abbau bestimmten Mitochondrien. Derzeit wird ein Hemmstoff des Enzyms, der die Mitophagie fördern und somit die Nervenfunktion verbessern könnte, in klinischen Studien untersucht: Er gilt als vielversprechender Wirkstoffkandidat zur Behandlung von Parkinson sowie von chronischer Niereninsuffizienz. Doch wie Hemmstoffe tatsächlich auf USP30 wirken, wusste man bisher noch nicht. „Ein Problem mit dem menschlichen Protein USP30 ist, dass es sich nicht gut „fotografieren“ lässt – seine molekulare Struktur ist schwierig aufzuklären. Will man aber sehen, wie der Hemmstoff an das Protein bindet, muss man mit Röntgenstrahlen ein sogenanntes „Beugungsbild“ der beiden Partner in Kristallform erzeugen. Dadurch, dass USP30 aber sehr flexibel ist – man könnte auch sagen, es zappelt vor der Kamera herum – kann man es nur schwerlich in eine kristalline Form bringen, und seine sehr bewegliche Struktur lässt einfach kein scharfes Bild zu“, erklärt Malte Gersch, Forschungsgruppenleiter am MPI. Mit innovativer Protein-Ingenieurskunst haben sich Gersch und sein Team nun doch ein ersteunds Bild davon machen können, wie ein Hemmstoff USP30 bindet und gezielt ausschaltet. Dafür hat Nafizul Kazi, Doktorand in der Arbeitsgruppe Erstautor der Studie, eine Art Protein-Mischwesen ähnlich dem sagenumwobenen Minotaurus geschaffen: Er hat dafür verwandte Elemente aus anderen menschlichen Deubiquitinase-Proteinen in USP30 eingebaut und so eine „fotogene“ USP30-Variante erzeugt. Die damit aufgenommenen Beugungsbilder zeigen, dass der Hemmstoff auf zweierlei Weise mit USP30 interagiert: Er bindet zum einen an einen bisher unbekannten Bereich, der sich überhaupt erst durch die Interaktion des Hemmstoffes mit dem Protein öffnet, und zugleich an einen Hotspot, der auch für andere Hemmstoffe zugänglich ist.
„Die Aufklärung des Wirkmechanismus dieses potenziellen Parkinson-Wirkstoffs wird nicht nur helfen diesen weiterzuentwickeln, sondern auch die Grundlage dafür schaffen, neue Wirkstoffmoleküle gegen USP30 zu designen“, sagt Gersch. Mitophagie und Enzyme aus der Familie der DUBs spielen eine wichtige Rolle auch in weiteren Erkrankungen, stehen etwa in Verbindung mit einer abgeschwächten Immunabwehr und mit Tumorwachstum. „Unsere neue Strategie der chimären Proteine könnte ein echter „Game-Changer“ für die Entwicklung neuer Hemmstoffe gegen DUBs werden. Sie wird es ermöglichen, den Aufbau von weiteren, krankheitsrelevanten DUB-Proteinen im Komplex mit Molekülen zu entschlüsseln und öffnet so die Möglichkeit, neue spezifisch bindende Hemmstoffe für eine Bandbreite an Krankheiten zu entwickeln“, schaut Malte Gersch in die Zukunft.
Link: https://idw-online.de/de/news851533
Originalpublikation: azi NH, Klink N, Gallant K, Kipka GM, Gersch M (2025). Chimeric deubiquitinase engineering reveals structural basis for specific inhibition of USP30 and a framework for DUB ligandability. Nat. Struct. Mol. Biol. doi: https://doi.org/10.1038/s41594-025-01534-4
Hilfe für Familie mit Seltener Erkrankung: Dresdner Forschende nutzen neue Methode für humangenetische Diagnose
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT/UCC) Dresden
Eine interdisziplinäre Forschungsgruppe am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT/UCC) Dresden, einer gemeinsamen Einrichtung von Deutschem Krebsforschungszentrum (DKFZ), Medizinischer Fakultät der TUD, dem Universitätsklinikum Dresden und dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, konnte mit einer neuen Sequenziermethode eine humangenetische Diagnose für eine Familie stellen. Die Studie „Long-read genome and RNA sequencing resolve a pathogenic intronic germline LINE-1 insertion in APC“ der Hochschulmedizin Dresden wurde jetzt im „npj Genomic Medicine“ veröffentlicht.
Genetische Diagnostik gewinnt im klinischen Alltag zunehmend an Bedeutung. Insbesondere wenn es um Seltene und Onkologische Erkrankungen geht, helfen neue Technologien zur Genom-Sequenzierung, Veränderungen im Erbgut einzelner Personen und Personengruppen aufzuspüren, sodass präzisere Diagnosen möglich werden. Eine interdisziplinäre Forschungsgruppe am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT/UCC) Dresden, einer gemeinsamen Einrichtung von Deutschem Krebsforschungszentrum (DKFZ), Medizinischer Fakultät der TUD, dem Universitätsklinikum Dresden und dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, konnte mit einer neuen Sequenziermethode eine humangenetische Diagnose für eine Familie stellen. In der Familie trat eine Häufung von Darmpolypen und Darmkrebs über mehrere Generationen auf. Die Studie „Long-read genome and RNA sequencing resolve a pathogenic intronic germline LINE-1 insertion in APC“ der Hochschulmedizin Dresden wurde jetzt im „npj Genomic Medicine“ veröffentlicht.
Genetische Diagnostik soll die individuelle Versorgung verbessern. Allerdings sind die Möglichkeiten von Routineverfahren begrenzt. Für eine Familie mit mehreren Angehörigen, die viele Darmpolypen ab dem Kindealter aufwiesen und an Darmtumoren erkrankten, brachte sie keine Ergebnisse. Forschende der Klinischen Genetik und der Translationalen Medizinischen Onkologie am NCT/UCC in Dresden nutzten daraufhin gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Dresden eine neue Technologie zur Sequenzierung der Erbsubstanz sowohl von langen DNA-Stücken als auch der davon abgelesenen RNA. Dabei entdeckten sie ein mobiles Element, das als Ursache für die familiären Auffälligkeiten charakterisiert werden konnte: eine seltene familiäre adenomatöse Polyposis. Bei dieser Erbkrankheit kommt es durch eine krankheitsverursachende Variante zu einer massenhaften Vermehrung von Polypen im Dickdarm. Unbehandelt entwickelt sich bei fast allen Menschen mit der Erkrankung bis zum 40. Lebensjahr Darmkrebs. Kinder von Menschen mit familiärer adenomatöser Polyposis haben ein fünfzigprozentiges Risiko, die krankheitsverursachende Variante zu erhalten und damit ebenfalls zu erkranken.
„Die Diagnose war aus vielen Gründen für die Familie sehr wichtig. Auf dieser Grundlage ist es nun möglich, prädiktive Testungen von Angehörigen durchzuführen. Damit können die Krankheitsdisposition noch vor dem Ausbruch klinischer Symptome erkannt und individuelle Betreuungsempfehlungen gestellt werden“, erläutern Dr. Arne Jahn, Forschungsgruppenleiter „Genetische Tumorrisikosyndrome“ am NCT/UCC Dresden und Prof. Hanno Glimm, Leiter der Abteilung Translationale medizinische Onkologie am NCT/UCC. Beide sind gemeinsam mit Prof. Evelin Schröck, Leiterin des Instituts für Klinische Genetik, Letztautoren der Studie.
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Link: https://idw-online.de/de/news851542
Originalpublikation: „Long-read genome and RNA sequencingresolve a pathogenic intronic germlineLINE-1 insertion in APC“ (DOI https://doi.org/10.1038/s41525-025-00485-5)
Größte genetische Osteoarthritis-Studie deckt Wege zu neuen Therapien und neuartigen Medikamenten auf
Forscherinnen und Forscher haben mehrere neue Gene und genetische Pfade entdeckt, die dazu führen könnten, dass Hunderte von bestehenden Medikamenten gegen Osteoarthritis, die häufigste Form von Arthritis, neu eingesetzt werden können.
Die Forschungsergebnisse, für die die Daten von fast 2 Millionen Menschen aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen weltweit analysiert wurden, wurden kürzlich in Nature veröffentlicht. Sie stellt eine umfassende genetische Untersuchung von Osteoarthritis dar, einer Krankheit, von der weltweit über 600 Millionen Menschen betroffen sind.
Die von einem internationalen Team unter der Leitung von Helmholtz München in Zusammenarbeit mit dem Rush University Medical Center und 125 führenden akademischen Einrichtungen weltweit durchgeführte Initiative ist die größte genetische Untersuchung zu Arthrose und die größte Studie zum Bewegungsapparat.
Die Studie hat 962 genetische Varianten aufgedeckt, die mit der Krankheit in Verbindung stehen, und 69 Schlüsselgene ausfindig gemacht, auf deren Proteinprodukte bereits 473 zugelassene Medikamente abzielen – viele davon könnten umgelenkt werden, um Arthrose effektiver zu behandeln. Diese Entdeckung führt zu einem schnellen Weg zu personalisierter Medizin und innovativen klinischen Studien.
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Arthrose entsteht durch den allmählichen Abbau von Knorpel in den Gelenken.
Sie unterscheidet sich von der rheumatoiden Arthritis, einer Autoimmunerkrankung, und ist eine der Hauptursachen für Schmerzen, eingeschränkte Mobilität und Behinderungen – bis zum Jahr 2050 werden voraussichtlich 1 Milliarde Menschen betroffen sein. Sie kostet die Vereinigten Staaten jährlich fast 486 Milliarden Dollar und bis zu 817 Milliarden Euro in Europa.
Traditionell wird Arthrose mit Schmerzmitteln und Mobilitätshilfen behandelt, aber bis heute gibt es keine krankheitsmodifizierenden Therapien.
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Journal Reference: Konstantinos Hatzikotoulas, Lorraine Southam, Lilja Stefansdottir, Cindy G. Boer, Merry-Lynn McDonald, J. Patrick Pett, Young-Chan Park, Margo Tuerlings, Rick Mulders, Andrei Barysenka, Ana Luiza Arruda, Vinicius Tragante, Alison Rocco, Norbert Bittner, Shibo Chen, Susanne Horn, Vinodh Srinivasasainagendra, Ken To, Georgia Katsoula, Peter Kreitmaier, Amabel M. M. Tenghe, Arthur Gilly, Liubov Arbeeva, Lane G. Chen, Agathe M. de Pins, Daniel Dochtermann, Cecilie Henkel, Jonas Höijer, Shuji Ito, Penelope A. Lind, Bitota Lukusa-Sawalena, Aye Ko Ko Minn, Marina Mola-Caminal, Akira Narita, Chelsea Nguyen, Ene Reimann, Micah D. Silberstein, Anne-Heidi Skogholt, Hemant K. Tiwari, Michelle S. Yau, Ming Yue, Wei Zhao, Jin J. Zhou, George Alexiadis, Karina Banasik, Søren Brunak, Archie Campbell, Jackson T. S. Cheung, Joseph Dowsett, Tariq Faquih, Jessica D. Faul, Lijiang Fei, Anne Marie Fenstad, Takamitsu Funayama, Maiken E. Gabrielsen, Chinatsu Gocho, Kirill Gromov, Thomas Hansen, Georgi Hudjashov, Thorvaldur Ingvarsson, Jessica S. Johnson, Helgi Jonsson, Saori Kakehi, Juha Karjalainen, Elisa Kasbohm, Susanna Lemmelä, Kuang Lin, Xiaoxi Liu, Marieke Loef, Massimo Mangino, Daniel McCartney, Iona Y. Millwood, Joshua Richman, Mary B. Roberts, Kathleen A. Ryan, Dino Samartzis, Manu Shivakumar, Søren T. Skou, Sachiyo Sugimoto, Ken Suzuki, Hiroshi Takuwa, Maris Teder-Laving, Laurent Thomas, Kohei Tomizuka, Constance Turman, Stefan Weiss, Tian T. Wu, Eleni Zengini, Yanfei Zhang, George Babis, David A. van Heel, Bendik Winsvold, Maiken Gabrielsen, Manuel Allen Revez Ferreira, George Babis, Aris Baras, Tyler Barker, David J. Carey, Kathryn S. E. Cheah, Zhengming Chen, Jason Pui-Yin Cheung, Mark Daly, Renée de Mutsert, Charles B. Eaton, Christian Erikstrup, Ove Nord Furnes, Yvonne M. Golightly, Daniel F. Gudbjartsson, Nils P. Hailer, Caroline Hayward, Marc C. Hochberg, Georg Homuth, Laura M. Huckins, Kristian Hveem, Shiro Ikegawa, Muneaki Ishijima, Minoru Isomura, Marcus Jones, Jae H. Kang, Sharon L. R. Kardia, Margreet Kloppenburg, Peter Kraft, Nobuyuki Kumahashi, Suguru Kuwata, Ming Ta Michael Lee, Phil H. Lee, Robin Lerner, Liming Li, Steve A. Lietman, Luca Lotta, Michelle K. Lupton, Reedik Mägi, Nicholas G. Martin, Timothy E. McAlindon, Sarah E. Medland, Karl Michaëlsson, Braxton D. Mitchell, Dennis O. Mook-Kanamori, Andrew P. Morris, Toru Nabika, Fuji Nagami, Amanda E. Nelson, Sisse Rye Ostrowski, Aarno Palotie, Ole Birger Pedersen, Frits R. Rosendaal, Mika Sakurai-Yageta, Carsten Oliver Schmidt, Pak Chung Sham, Jasvinder A. Singh, Diane T. Smelser, Jennifer A. Smith, You-qiang Song, Erik Sørensen, Gen Tamiya, Yoshifumi Tamura, Chikashi Terao, Gudmar Thorleifsson, Anders Troelsen, Aspasia Tsezou, Yuji Uchio, A. G. Uitterlinden, Henrik Ullum, Ana M. Valdes, David A. van Heel, Robin G. Walters, David R. Weir, J. Mark Wilkinson, Bendik S. Winsvold, Masayuki Yamamoto, John-Anker Zwart, Kari Stefansson, Ingrid Meulenbelt, Sarah A. Teichmann, Joyce B. J. van Meurs, Unnur Styrkarsdottir, Eleftheria Zeggini. Translational genomics of osteoarthritis in 1,962,069 individuals. Nature, 2025; DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-025-08771-z
Urintest könnte Prostatakrebs im Frühstadium aufdecken
Eine neu veröffentlichte Studie zeigt, dass Prostatakrebs in einem frühen Stadium durch eine einfache Urinprobe diagnostiziert werden kann. Mit Hilfe von KI und umfangreichen Analysen der Genaktivität in Tumoren haben die Wissenschaftler neue Biomarker mit hoher diagnostischer Präzision identifiziert.
Prostatakrebs ist weltweit eine der häufigsten Todesursachen bei Männern. Eine der größten diagnostischen Hürden ist der Mangel an genauen Biomarkern, die das Vorhandensein eines frühen Tumors erkennen können.
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Die Forscher haben eine Reihe von Biomarkern im Urin identifiziert, die das Vorhandensein und den Schweregrad von Prostatakrebs mit hoher Präzision anzeigen können. Nach ihren Berechnungen übertreffen sie den PSA-Wert, den derzeit klinisch verwendeten Biomarker im Blut.
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https://news.ki.se/urine-test-could-reveal-prostate-cancer
Journal Reference: Martin Smelik, Daniel Diaz-Roncero Gonzalez, Xiaojing An, Rakesh Heer, Lars Henningsohn, Xinxiu Li, Hui Wang, Yelin Zhao, Mikael Benson. Combining Spatial Transcriptomics, Pseudotime, and Machine Learning Enables Discovery of Biomarkers for Prostate Cancer. Cancer Research, 2025; DOI: https://doi.org/10.1158/0008-5472.CAN-25-0269
Das Influenza-Virus hackt das interne System der Zelle
Das Influenzavirus manipuliert die Genregulation des Körpers, um seine eigene Ausbreitung zu beschleunigen. Eine neue Studie zeigt auch, dass ein bereits zugelassenes Medikament helfen könnte, die Immunabwehr zu stärken – seine Wirkung beim Menschen muss allerdings noch bestätigt werden.
Die Studie, die in der Fachzeitschrift Nucleic Acids Research veröffentlicht wurde, befasst sich mit einer bisher unbekannten Strategie des Influenza-A-Virus, mit der es die körpereigenen Systeme übernimmt. Die Studie zeigt, dass das Virus ein Protein manipuliert, das normalerweise dabei hilft zu regulieren, welche Gene in der Zelle aktiv sein sollen, und dieses Protein gegen das Immunsystem wendet.
Das Protein, AGO2 genannt, ist an der so genannten RNA-Interferenz beteiligt, einem Mechanismus, der die Genaktivität reguliert. Während AGO2 normalerweise außerhalb des Zellkerns wirkt, gelingt es dem Virus in Verbindung mit einer Infektion, das Protein in den Zellkern zu bringen, wo es Gene ausschaltet, die für das Immunsystem wichtig sind.
Das betrifft vor allem Interferone vom Typ I – Signalstoffe, mit denen infizierte Zellen ihre Nachbarn warnen und die Abwehrkräfte des Körpers stärken.
Aishe Sarshad, außerordentliche Professorin für Zell- und Molekularbiologie an der Sahlgrenska Akademie der Universität Göteborg, ist eine der Hauptautoren der Studie:
„Am überraschendsten war, dass es dem Virus gelungen ist, ein so grundlegendes und gut reguliertes System wie die RNA-Interferenz zu kapern – und das sogar innerhalb des Zellkerns, wo es normalerweise nicht zu finden ist“, sagt Aishe Sarshad.
Ein Großteil der Laborarbeit wurde von Hsiang-Chi Huang durchgeführt, der damals als Postdoc in der Gruppe tätig war. Die Arbeit zeigt, dass das AGO2-Protein dem Tumorsuppressor p53 in den Zellkern folgt, sich an Gene bindet, die die Alarmsignale des Körpers regulieren, und diese ausschaltet.
Die Forscher untersuchten auch, ob die manipulativen Aktionen des Virus gestoppt werden können. Dazu verwendeten sie Arsentrioxid (ATO), ein Medikament, das zur Behandlung einer Art von Blutkrebs zugelassen ist. Sowohl in Zellkulturen als auch bei Mäusen zeigte sich, dass das Medikament die Produktion von Interferonen erhöht und die Virusmenge in der Lunge verringert.
Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass es möglich sein könnte, das körpereigene RNAi-System zu beeinflussen, um virale Infektionen zu verlangsamen – und zwar nicht nur die Grippe, sondern vielleicht auch andere RNA-Viren. „Wir wollen nun weiter untersuchen, ob derselbe Mechanismus auch bei anderen Arten von Infektionen zu finden ist. Das ebnet den Weg für eine völlig neue Art der antiviralen Behandlung, bei der wir nicht nur auf das Virus abzielen, sondern auch darauf, wie es unsere eigenen Zellen nutzt“, sagt Aishe Sarshad.
https://www.gu.se/en/news/influenza-virus-hacks-cells-internal-system
Journal Reference: Hsiang-Chi Huang, Michelle Fong, Iwona Nowak, Evgeniia Shcherbinina, Vivian Lobo, Danica F Besavilla, Hang T Huynh, Karin Schön, Jakub O Westholm, Carola Fernandez, Angana A H Patel, Clotilde Wiel, Volkan I Sayin, Dimitrios G Anastasakis, Davide Angeletti, Aishe A Sarshad. Nuclear AGO2 supports influenza A virus replication through type-I interferon regulation. Nucleic Acids Research, 2025; 53 (7) DOI: https://doi.org/10.1093/nar/gkaf268
Linker oder rechter Arm? Neue Forschung zeigt, warum der Ort der Impfung für die Immunreaktion wichtig ist
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben herausgefunden, warum Impfstoffe eine stärkere Immunreaktion hervorrufen können, wenn sie im gleichen Arm verabreicht werden.
Bei einer Impfung wird eine harmlose Version eines Krankheitserregers, das so genannte Impfantigen, in den Körper eingebracht, das durch die Lymphknoten gefiltert wird – „Trainingslager“ des Immunsystems, die den Körper darauf vorbereiten, den echten Erreger abzuwehren. Die Forscherinnen und Forscher haben zuvor herausgefunden, dass sich die B-Gedächtniszellen, die für die Bildung von Antikörpern bei einer erneuten Infektion entscheidend sind, in dem Lymphknoten aufhalten, der der Injektionsstelle am nächsten liegt.
Mit Hilfe modernster intravitaler Bildgebung entdeckte das Team in Garvan, dass B-Gedächtniszellen in die äußere Schicht des lokalen Lymphknotens wandern, wo sie eng mit den dort ansässigen Makrophagen interagieren. Als an derselben Stelle eine Auffrischungsimpfung verabreicht wurde, fingen diese „vorbereiteten“ Makrophagen – die bereits in Alarmbereitschaft waren – das Antigen effizient ein und aktivierten die B-Gedächtniszellen, um hochwertige Antikörper zu bilden.
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„Wenn du deine COVID-Impfungen in verschiedenen Armen erhalten hast, mach dir keine Sorgen – unsere Forschung zeigt, dass der Unterschied im Schutz mit der Zeit abnimmt. Aber während einer Pandemie könnten diese ersten Wochen des Schutzes einen enormen Unterschied auf Bevölkerungsebene ausmachen. Die Strategie der gleichen Impfung könnte helfen, die Herdenimmunität schneller zu erreichen – besonders wichtig bei schnell mutierenden Viren, bei denen es auf eine schnelle Reaktion ankommt.“
Journal Reference: Rama Dhenni, Alexandra Carey Hoppé, Arnold Reynaldi, Wunna Kyaw, Nathalie Tricia Handoko, Abigail K. Grootveld, Yuki Honda Keith, Nayan Deger Bhattacharyya, Holly I. Ahel, Aiden Josiah Telfser, Andrew N. McCorkindale, Seyhan Yazar, Christina H.T. Bui, James T. Smith, Weng Hua Khoo, Mollie Boyd, Solange Obeid, Brad Milner, Mitchell Starr, Fabienne Brilot, Vanessa Milogiannakis, Anouschka Akerman, Anupriya Aggarwal, Miles P. Davenport, Elissa K. Deenick, Christine L. Chaffer, Peter I. Croucher, Robert Brink, Leonard D. Goldstein, Deborah Cromer, Stuart G. Turville, Anthony D. Kelleher, Vanessa Venturi, C. Mee Ling Munier, Tri Giang Phan. Macrophages direct location-dependent recall of B cell memory to vaccination. Cell, 2025; DOI: https://doi.org/10.1016/j.cell.2025.04.005
Weltweite Todesfälle durch Herzkrankheiten hängen mit Chemikalien zusammen, die häufig in Kunststoffen verwendet werden
Eine neue Analyse von Bevölkerungsumfragen zeigt, dass die tägliche Exposition gegenüber bestimmten Chemikalien, die bei der Herstellung von Haushaltsgegenständen aus Kunststoff verwendet werden, allein im Jahr 2018 mit mehr als 356.000 Todesfällen durch Herzkrankheiten in Verbindung gebracht werden könnte. Während die Chemikalien, die so genannten Phthalate, weltweit weit verbreitet sind, waren der Nahe Osten, Südasien, Ostasien und der Pazifikraum für einen viel größeren Teil der Todesfälle verantwortlich als andere – etwa drei Viertel der Gesamtzahl.
Seit Jahrzehnten bringen Experten Gesundheitsprobleme mit der Belastung durch bestimmte Phthalate in Verbindung, die in Kosmetika, Reinigungsmitteln, Lösungsmitteln, Kunststoffrohren, Insektenschutzmitteln und anderen Produkten enthalten sind. Wenn diese Chemikalien in mikroskopisch kleine Partikel zerfallen und mit der Nahrung aufgenommen werden, haben Studien sie mit einem erhöhten Risiko für Krankheiten in Verbindung gebracht, die von Fettleibigkeit und Diabetes bis zu Fruchtbarkeitsstörungen und Krebs reichen.
Unter der Leitung von Forschern der NYU Langone Health konzentrierte sich die aktuelle Studie auf eine Art von Phthalat namens Di-2-ethylhexylphthalat (DEHP), das verwendet wird, um Lebensmittelbehälter, medizinische Geräte und andere Kunststoffe weicher und flexibler zu machen. Andere Studien haben gezeigt, dass die Exposition eine überaktive Immunreaktion (Entzündung) in den Herzarterien auslöst, die im Laufe der Zeit mit einem erhöhten Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall verbunden ist. In ihrer neuen Analyse schätzten die Autoren, dass die DEHP-Exposition zu 356.238 Todesfällen oder mehr als 13 % aller weltweiten Todesfälle durch Herzkrankheiten im Jahr 2018 bei Männern und Frauen im Alter von 55 bis 64 Jahren beitrug.
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https://nyulangone.org/news/heart-disease-deaths-worldwide-linked-chemical-widely-used-plastics
Journal Reference: Sara Hyman, Jonathan Acevedo, Chiara Giannarelli, Leonardo Trasande. Phthalate exposure from plastics and cardiovascular disease: global estimates of attributable mortality and years life lost. eBioMedicine, 2025; 105730 DOI: https://doi.org/10.1016/j.ebiom.2025.105730
Nachhaltige Ernährung und Krebsrisiko
Universität Regensburg
Die Ergebnisse einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse zeigen einen Zusammenhang zwischen nachhaltigen Ernährungsweisen und Krebsrisiko.
In einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse untersuchten Forschende des Lehrstuhls für Epidemiologie und Präventivmedizin der Universität Regensburg erstmals umfassend den Zusammenhang zwischen nachhaltigen Ernährungsweisen und verschiedenen Krebsrisiken. Die internationale Analyse zeigt: Wer sich nachhaltig ernährt, hat ein geringeres Risiko für Krebserkrankungen und krebsbedingte Todesfälle. „Dies ist nicht nur ein Vorteil für diejenigen, die sich nachhaltig ernähren. Sie leisten gleichzeitig einen Beitrag zum Schutz des Planeten“, sagt Marina Kasper, Erstautorin der Studie. Die im Fachjournal eClinicalMedicine der Lancet Group veröffentlichten Ergebnisse liefern Hinweise für eine gesundheits- und ernährungspolitische Diskussion.
Die Studie umfasst Daten von über 2,2 Millionen Menschen aus 17 internationalen Studien. Das zentrale Ergebnis: Personen, die sich besonders nachhaltig ernährten, hatten ein um 7 % geringeres Risiko für Krebserkrankungen und ein um 12 % geringeres Risiko für krebsbedingte Todesfälle, verglichen mit Personen, deren Ernährung am wenigsten nachhaltig war. Nachhaltige Ernährung wurde dabei über verschiedene wissenschaftliche Indizes bewertet, die sowohl Umweltaspekte – wie CO₂-Ausstoß oder Landnutzung – als auch gesundheitsfördernde Lebensmittelkomponenten berücksichtigten. Auch der Konsum von Bio-Lebensmitteln und der Verzicht auf stark verarbeitete Produkte spielten eine Rolle.
Am deutlichsten zeigte sich der Zusammenhang zwischen nachhaltiger Ernährung und der Verringerung des Risikos bei Lungen- und Magenkrebs. Bei anderen Krebsarten, wie Brust- oder Darmkrebs, fielen die Ergebnisse weniger eindeutig aus.
„Die Analyse liefert ein starkes Argument für nachhaltige Ernährung als doppelte Präventionsstrategie: Sie schützt die Gesundheit und bewahrt gleichzeitig die natürlichen Lebensgrundlagen, also die Umwelt, von der unser Leben abhängt“, so Marina Kasper.
Die Forschenden betonen, dass sich nachhaltige Ernährungsweisen durch einen höheren Anteil pflanzlicher und unverarbeiteter Lebensmittel auszeichne und gleichzeitig weniger Fleisch, Zucker und stark verarbeitete Produkte enthalte – allesamt Faktoren, die mit einem höheren Krebsrisiko in Verbindung stünden. Ein zusätzlicher Gewinn sei, dass viele dieser Lebensmittel – wie Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Nüsse und Obst – nicht nur nährstoffreich, sondern auch ressourcenschonend in der Produktion seien.
Die Forschenden sprechen sich dafür aus, dass öffentliche Gesundheitspolitik künftig stärker auf nachhaltige Ernährung setzen solle – etwa durch Aufklärung, bessere Kennzeichnung und gesundheitsförderliche Rahmenbedingungen in Schulen, Krankenhäusern und Kantinen. So könne, meinen die Forschenden, der individuelle Gesundheitsschutz mit dem globalen Klimaschutz in Einklang gebracht werden.
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Link: https://idw-online.de/de/news851441
Originalpublikation: “Sustainable diets and cancer: a systematic review and meta-analysis” DOI: https://doi.org/10.1016/j.eclinm.2025.103215
Fortgeschrittenes, hormonsensitives Prostatakarzinom: Verkürzte Hormonentzugstherapie zusätzlich zur Strahlentherapie?
Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e. V.
Eine italienische Phase-2-Studie zeigte bei Patienten mit regionalem und nicht-regionalem Lymphknotenbefall oder mit Knochenmetastasen, dass die Hinzunahme einer kurzen, lediglich sechsmonatigen Hormonentzugstherapie zur Strahlentherapie das klinische progressionsfreie Überleben signifikant verbesserte. Im Median verdoppelte sie im Vergleich zur alleinigen Bestrahlung die Zeit bis zur Progression. Ob jedoch auch ein Überlebensvorteil erzielt werden kann, konnte die Studie nicht beantworten.
Prostatakrebs ist die häufigste Krebsart bei Männern, in Deutschland erhalten jährlich etwa 75.000 Männer diese Diagnose. Zwar können auch jüngere Männer an diesem Krebs erkranken, insgesamt gelten Prostatatumoren aber als Alterserkrankung: Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 72 Jahren. Aufgrund des demographischen Wandels ist perspektivisch mit einem Anstieg der absoluten Fallzahlen zu rechnen. Glücklicherweise wird die Erkrankung in den meisten Fällen frühzeitig erkannt, der Anteil der Diagnosen in den Frühstadien steigt – nach Ansicht der Autorinnen und Autoren der aktuellen S3-Leitlinie [1] kann das auf die PSA-Testung zurückgeführt werden. Dennoch werden noch immer 18 Prozent aller Betroffenen, das ist fast jeder Fünfte, erst im metastasierten Stadium [2] diagnostiziert, wenn keine Heilung mehr möglich ist. Auch schreitet bei einigen Patienten, die bei Erstdiagnose noch metastasenfrei waren und eine Primärbehandlung erhielten (Entfernung der Prostata, oft auch eine Hormontherapie), die Erkrankung voran und es kommt im Verlauf zum Befall der Lymphknoten oder es bilden sich Metastasen. Doch auch für diese Stadien stehen zunehmend mehr Behandlungsoptionen zur Verfügung; die durchschnittliche Überlebenszeit hat sich deutlich verbessert.
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Link: https://idw-online.de/de/news851282
Das Bewusstsein neu denken: Wenn die Wissenschaft sich selbst auf die Probe stellt
Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik
Was ist Bewusstsein? Seit Jahrhunderten versuchen Wissenschaftler:innen und Philosophen:innen zu verstehen, wie das Gehirn unsere innere Welt erschafft – wie neuronale Aktivität beispielsweise in Kaffeegeschmack oder Schmerz umgewandelt wird. Nun hat ein internationales, theorieübergreifendes Forschungskonsortium unter Leitung des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik (MPIEA) in Frankfurt am Main zwei der derzeit prominentesten Bewusstseinstheorien auf den Prüfstand gestellt. Die im Fachmagazin Nature veröffentlichten Ergebnisse stellen Kernannahmen beider Modelle in Frage und bieten gleichzeitig einen neuen Ansatz zur Untersuchung komplexer wissenschaftlicher Fragestellungen.
Internationales Konsortium stellt erstmals zwei führende Bewusstseinstheorien direkt einander gegenüber:
Durchgeführt wurde die Studie vom Cogitate-Konsortium (Collaboration On GNWT and IIT: Testing Alternative Theories of Experience), das sich zum Ziel gesetzt hat, die Global Neuronal Workspace Theory (GNWT) und die Integrated Information Theory (IIT) umfassend miteinander zu vergleichen. Beide Modelle versuchen zu erklären, wie aus neuronaler Aktivität bewusste Erfahrungen entstehen, kommen aber zu völlig unterschiedlichen Antworten: Die GNWT geht davon aus, dass Bewusstsein durch großflächige Übertragungen von Informationen im Gehirn entsteht. Der Schwerpunkt liegt dieser Theorie zufolge in den präfrontalen und parietalen Regionen. Die IIT hingegen verortet das Bewusstsein im posterioren Kortex, wo Informationen zu zusammenhängenden Erfahrungen verbunden werden.
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Alle Hypothesen, Analysen und Interpretationen wurden vorab registriert. Unabhängige Forschungsteams führten die Studie mit insgesamt 256 Teilnehmer:innen in sieben Laboren weltweit durch. Dabei nutzten sie drei sich ergänzende bildgebende Verfahren: funktionelle Kernspintomographie (fMRI), Magnetenzephalographie (MEG) und intrakranielles EEG (iEEG). Alle beteiligten Wissenschaftler:innen hatten sich im Vorfeld darauf geeinigt, die Ergebnisse unabhängig von deren Ausgang zu akzeptieren.
Die Ergebnisse stellen beide Theorien in Frage. Die Kernannahme der IIT, wonach die bewusste Wahrnehmung von einer anhaltenden Synchronisation in den hinteren Hirnregionen abhängt, wurde durch die Daten nicht bestätigt. Im Falle der GNWT traten zwar einige bewusste Informationen im präfrontalen Kortex auf, aber wesentliche Merkmale fehlten. Auch das vorhergesagte „Zündmuster“ zu Beginn der bewussten Erfahrung konnte nicht nachgewiesen werden.
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„Es gibt mehr als zwanzig Theorien über das Bewusstsein. Wir haben zwei davon getestet“, schließt Alex Lepauvre, Co-Autor vom MPIEA. „Jetzt laden wir andere dazu ein, diesen umfangreichen Datensatz zu nutzen und dazu beizutragen, das Forschungsgebiet weiter voranzubringen.“
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Link: https://idw-online.de/de/news851432
Originalpublikation: Cogitate Consortium, Ferrante, O., Gorska-Klimowska, U., Henin, S., Hirschhorn, R., Khalaf, A., Lepauvre, A., Liu, L., Richter, D., Vidal, Y., Bonacchi, N., Brown, T., Sripad, P., Armendariz, M., Bendtz, K., Ghafari, T., Hetenyi, D., Jeschke, J., Kozma, C., Mazumder, D. R., Montenegro, S., Seedat, A., Sharafeldin, A., Yang, S., Baillet, S., Chalmers, D. J., Cichy, R. M., Fallon, F., Panagiotaropoulos, T. I., Blumenfeld, H., de Lange, F. P., Devore, S., Jensen, O., Kreiman, G., Luo, H., Boly, M., Dehaene, S., Koch, C., Tononi, G., Pitts, M., Mudrik, L., & Melloni, L. (2025). Adversarial Testing of Global Neuronal Workspace and Integrated Information Theories of Consciousness. Nature. https://www.nature.com/articles/s41586-025-08888-1