Automatische Zellanalyse mithilfe von künstlicher Intelligenz
Georg-August-Universität Göttingen
Um die komplexen Prozesse des Lebens zu verstehen, ist es entscheidend, einzelne Strukturen in Zellen zu erkennen und voneinander zu unterscheiden. Dieser Schritt wird als „Segmentierung“ bezeichnet und ermöglicht es zum Beispiel, die Reaktion von Zellen auf Medikamente zu analysieren. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Universität Göttingen hat nun eine weitere Methode entwickelt: Es hat die bestehende KI-basierte Software „Segment Anything“ neu trainiert, sodass das neue Modell – genannt „Segment Anything for Microscopy“ – in der Lage ist, Bilder von Geweben, Zellen und ähnlichen Strukturen in einer Vielzahl von Situationen präzise zu segmentieren.
Link: https://idw-online.de/de/news847776
Originalpublikation: Originalveröffentlichung: Anwai Archit et al. Segment Anything for Microscopy. Nature Methods (2025). DOI: https://doi.org/10.1038/s41592-024-02580-4
Forschungsteam entwickelt Wirkstoff gegen Keim, der die Hornhaut des Auges zerstört
Universität des Saarlandes
Infektiöse Keratitis lässt jährlich 1,5 Millionen Menschen weltweit erblinden. Oft geht die Krankheit auf den „Krankenhauskeim“ Pseudomonas aeruginosa zurück, den die Weltgesundheitsorganisation zu den gefährlichsten dieser Art zählt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Saar-Universität und des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) haben nun einen Weg gefunden, den Keim effektiv zu bekämpfen. Ihre Studie wurde im Fachmagazin Advanced Science veröffentlicht.
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Verantwortlich für diese Hornhautzerstörung im Auge ist ein Enzym namens Elastase oder, kurz, „LasB“, welches dem Bakterium quasi „den Weg frei räumt“, wie Dr. Jörg Haupenthal sagt.
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LasB also räumt den Weg für den tückischen Krankenhauskeim frei, so dass er woanders weitere Gewebeteile schädigen kann. „Das tut LasB, indem es große Proteine wie zum Beispiel Kollagen abbaut, aber auch wichtige Bestandteile des Immunsystems zerstört“, führt Jörg Haupenthal aus. Gelangt das Bakterium und mit ihm sein Enzym LasB ins Auge, ist die hauptsächlich aus Kollagen bestehende Hornhaut des Auges in höchster Gefahr, eine infektiöse Keratitis droht. Nicht wenige der jährlich 1,5 Millionen Fälle von Erblindung nach Keratitis gehen auf das Konto von Pseudomonas aeruginosa und LasB.
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LasB ist ein extrazelluläres Enzym. Dadurch kann ein Wirkstoff viel leichter andocken, als wenn sich das Enzym innerhalb der Zelle befände.
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Was die Forscher genau gemacht haben, erläutert der Chemiker Dr. Alexander Kiefer, der gemeinsam mit Dr. Christian Schütz aus der Abteilung von Anna Hirsch Erstautor der Studie ist, die nun im renommierten Fachmagazin Advanced Science erschienen ist. Darin beschreiben die Autorinnen und Autoren, wie sie LasB in die Zange genommen haben – und das wortwörtlich. „LasB enthält einen Zink-Komplex. Diesen haben wir chelatisiert“, führt Alexander Kiefer aus, der seine Nachwuchsgruppe im April am HIPS startet. Das bedeutet, dass sie den Zink-Komplex des Enzyms LasB an zwei Stellen mit einem speziell dafür entwickelten peptidischen Hemmstoff „gepackt“ haben. Durch diese Bindung an den Zink-Komplex wurde LasB insgesamt unschädlich gemacht, so dass einerseits die großen Proteine wie Kollagen nun nicht mehr angegriffen werden und andererseits auch die Bestandteile des Immunsystems wie zum Beispiel die Antikörper von LasB nichts mehr zu befürchten haben. Von großer Bedeutung ist dabei die Tatsache, dass der Hemmstoff umliegende Metallkomplexe humaner Enzyme, die in gesundem Gewebe enthalten sind, nicht angreift, sondern ausschließlich an LasB seine gewünschte Wirkung entfaltet.
Und es gibt weitere große Vorteile dieser Methode: Anders als bei klassischen Antibiotika haben sich in der Studie bislang keine Resistenzen gegen den LasB-Inhibitor angedeutet. „Dadurch, dass wir den Keim mittels LasB-Hemmung nicht abtöten, sondern ihm seine krankmachenden Eigenschaften rauben, sieht das Bakterium keinen Grund, Resistenzen zu entwickeln“, erläutert Alexander Kiefer. Außerdem greift der Wirkstoff gegen LasB die Darmflora nicht an, wie viele Antibiotika dies tun.
Die Kombination aus klassischem Antibiotikum und LasB-Inhibitor hat sich in der Studie als wirksame Methode erwiesen, um dem Krankenhauskeim und der daraus entstehenden Hornhautinfektion Herr zu werden.
Ob daraus irgendwann tatsächlich ein Medikament entstehen wird, ist noch nicht sicher. Dazu müssen weitere Studien folgen.
Link: https://idw-online.de/de/news847788
Originalpublikation:
A. F. Kiefer, C. Schütz, C. N. Englisch, D. Kolling, S. Speicher, A. M. Kany, R. Shafiei, N. A. Wadood, A. Aljohmani, N. Wirschem, R. P. Jumde, A. Klein, A. Sikandar, Y.-M. Park, G. Krasteva-Christ, D. Yildiz, A. S. Abdelsamie, K. Rox, J. Köhnke, R. Müller, M. Bischoff, J. Haupenthal, A. K. H. Hirsch, Dipeptidic Phosphonates: Potent Inhibitors of Pseudomonas aeruginosa Elastase B Showing Efficacy in a Murine Keratitis Model. Adv. Sci. 2025, 2411807. https://doi.org/10.1002/advs.202411807
Säureblocker auf Abwegen
Deutsches Krebsforschungszentrum
Säureblocker aus der Gruppe der Protonenpumpen-Inhibitoren (PPIs) sind viel verkaufte Medikamente, die Magenbeschwerden vorbeugen und lindern. PPIs werden an den säureproduzierenden Zellen des Magens aktiviert und blockieren dort die Säureproduktion. Forschende vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) machten die überraschende Entdeckung, dass auch Zink-tragende Proteine, wie sie in allen Zellen vorkommen, PPIs aktivieren können – ganz ohne die Anwesenheit von Magensäure. Das Ergebnis könnte ein Schlüssel zum Verständnis der Nebenwirkungen der PPIs sein.
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Auch wenn die vorübergehende Einnahme von PPIs in aller Regel sehr gut verträglich ist und als unbedenklich gilt, birgt die langjährige Einnahme gesundheitliche Risiken. Unter anderem wird in der Fachliteratur ein möglicherweise erhöhtes Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle, Demenz und Infektanfälligkeit diskutiert. Deshalb stellt sich die Frage, ob PPIs auch außerhalb des Magens aktiviert werden und andere Proteine beeinflussen, also unabhängig von einer Umgebung mit hoher Protonen-Konzentration.
Forschende um den Biochemiker Tobias Dick und den Chemiker Aubry Miller, beide am DKFZ, haben sich dieser Frage gemeinsam angenommen. Sie nutzten die sogenannte Click-Chemie, eine Strategie zur Markierung von Molekülen, die vor drei Jahren mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Sie verfolgten damit den Wirkstoff Rabeprazol, ein typischer Vertreter der PPIs, in menschlichen Zellen in der Kulturschale, abseits eines sauren Milieus.
Dabei machte das Team eine überraschende Beobachtung: Der PPI wurde im pH-neutralen Inneren der Zellen aktiviert und verband sich dort mit Duzenden von Proteinen. Die weitere Analyse zeigte, dass es sich dabei um Zink-bindende Proteine handelt. „Das hat uns zu der Hypothese geführt, dass Protein-gebundenes Zink zu einer Aktivierung von PPIs führen kann, ganz unabhängig von der Anwesenheit von Protonen“, erklärt die Biologin Teresa Marker, Erstautorin der Publikation.
Forschende um den Biochemiker Tobias Dick und den Chemiker Aubry Miller, beide am DKFZ, haben sich dieser Frage gemeinsam angenommen. Sie nutzten die sogenannte Click-Chemie, eine Strategie zur Markierung von Molekülen, die vor drei Jahren mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Sie verfolgten damit den Wirkstoff Rabeprazol, ein typischer Vertreter der PPIs, in menschlichen Zellen in der Kulturschale, abseits eines sauren Milieus.
Dabei machte das Team eine überraschende Beobachtung: Der PPI wurde im pH-neutralen Inneren der Zellen aktiviert und verband sich dort mit Duzenden von Proteinen. Die weitere Analyse zeigte, dass es sich dabei um Zink-bindende Proteine handelt. „Das hat uns zu der Hypothese geführt, dass Protein-gebundenes Zink zu einer Aktivierung von PPIs führen kann, ganz unabhängig von der Anwesenheit von Protonen“, erklärt die Biologin Teresa Marker, Erstautorin der Publikation.
„Aus chemischer Sicht macht dieses Ergebnis Sinn, denn Zink kann die Wirkung von Protonen nachahmen und sich wie eine Säure verhalten“, erklärt der Chemiker Aubry Miller vom DKFZ.
Unter den Zink-tragenden Proteinen, die am stärksten durch den PPI angegriffen wurden, haben einige eine Funktion im Immunsystem. Ob der neu entdeckte Aktivierungsmechanismus mit den bekannten oder vermuteten Nebenwirkungen von PPIs in Verbindung steht, muss aber erst noch in weiteren Studien untersucht werden. „Diese Ergebnisse eröffnen neue Perspektiven, um die Nebenwirkungen von PPIs besser zu verstehen“, resümiert Tobias Dick.
Originalpublikation:
Marker T, Steimbach RR, Perez-Borrajero C, Luzarowski M, Hartmann E, Schleich S, Pastor-Flores D, Espinet E, Trumpp A, Teleman AA, Gräter F, Simon B, Miller AK, Dick TP (2025) Site-specific activation of the proton pump inhibitor rabeprazole by tetrathiolate zinc centers. Nature Chemistry, doi: 10.1038/s41557-025-01745-8 | https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39979415/
Link: https://idw-online.de/de/news847793
Mini-Schlaganfall – doch nicht so „mini“?
Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.
Eine aktuelle Studie deutet darauf hin, dass ein „Mini-Schlaganfall“ (transitorische ischämische Attacke, kurz TIA) mehr ist als „nur“ ein möglicher Vorbote eines ischämischen Schlaganfalls. Womöglich stößt auch eine TIA – ähnlich wie ihr „große Bruder“ Hirninfarkt – eine Schädigungskaskade im Gehirn an, die in eine Demenz münden kann. Eine TIA ist also nicht „nichts“, es sollte immer ärztlicher Rat eingeholt werden, um mögliche Folgen zu minimieren – auch wenn die Symptome nach kurzer Zeit von allein wieder verschwinden.
Link: https://idw-online.de/de/news847648
Potenzieller Angriffspunkt für MS-Therapie entdeckt
Universitätsklinikum Bonn
Forschende identifizieren mit dem Protein MLC1 ein Zielantigen bei Multipler Sklerose: Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, deren Ursache im Immunsystem zu suchen ist. B-Zellen, die zu den weißen Blutkörperchen gehören, spielen eine Rolle bei der Entwicklung einer MS und sind somit ein Angriffspunkt für Therapien. Forschende des Universitätsklinikums Bonn (UKB), der Universität Bonn und der FAU Erlangen-Nürnberg identifizierten mit dem Membranprotein MLC1 ein potentielles Zielantigen bei MS. Dazu verwendete das Team eine neuartige Kombination moderner Techniken.
Link: https://idw-online.de/de/news847644
Originalpublikation: Raffael Dahl; Alicia Weier et al.: Modulator of VRAC Current 1 Is a Potential Target Antigen in Multiple Sclerosis; DOI: 10.1212/NXI.0000000000200374
In Münster erforscht: Medikament gegen Prurigo nodularis in Europa zugelassen
Universitätsklinikum Münster
Prurigo nodularis ist eine seltene, besonders quälende, juckende Hauterkrankung. Die Knötchen, die am ganzen Körper auftreten können, jucken so immens, dass die Betroffenen sich blutig kratzen – die Lebensqualität wird massiv beeinträchtigt. Bei der Erkrankung spielt ein „Juckreiz-Botenstoff“, das Interleukin 31 eine große Rolle. Nun wird nach über neun Jahren Forschung ein entsprechender Antikörper zur Behandlung der Prurigo nodularis und auch der Neurodermitis für den europäischen Markt zugelassen.
Link: https://idw-online.de/de/news847655
Neuartiges Antibiotikum BTZ-043 erreicht auch Tuberkulosebakterien, die sich in abgestorbenem Lungengewebe verstecken
Deutsches Zentrum für Infektionsforschung
Jedes Jahr erkranken 10 Millionen Menschen an Tuberkulose (TB). Etwa 1,5 Millionen Patient:innen erliegen der durch das Bakterium Mycobacterium tuberculosis (Mtb) verursachten Krankheit. Das neuartige Antibiotikum BTZ-043 hat in klinischen Studien am Menschen eine gute bakterizide Wirkung gezeigt. In einer kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlichten Studie konnten DZIF-Wissenschaftler:innen unter Leitung der Universität Bayreuth und des Forschungszentrums Borstel, Leibniz Lungenzentrum zeigen, dass BTZ-043 effektiv in TB-Läsionen eindringt, sich dort in hohen Konzentrationen anreichert und damit die Mtb-Bakterien auch an schwer zugänglichen Stellen bekämpfen kann.
Originalpublikation: Römpp, A., Treu, A., Kokesch-Himmelreich, J. et al. The clinical-stage drug BTZ-043 accumulates in murine tuberculosis lesions and efficiently acts against Mycobacterium tuberculosis. Nat Commun 16, 826 (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-025-56146-9
Die großen Herausforderungen unserer Zeit meistern: Wir sind alle Teile der Lösung
Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
Klimawandel, soziale Ungleichheit und technologische Umbrüche – die Welt steht vor gewaltigen Herausforderungen. Doch wer bestimmt, wie wir damit umgehen? Sind es nur Politiker, Wissenschaftler und Wirtschaftsführer, die die Zukunft lenken? Nein! Eine aktuelle Studie der RPTU betont: Das Kleine formt das Große – jeder von uns kann und muss eine entscheidende Rolle spielen.
Link: https://idw-online.de/de/news847689
Die Studie: Danner-Schröder, A., Mahringer, C., Sele, K., Jarzabkowski, P., Rouleau, L., Feldman, M., Pentland, B., Huysman, M., Sergeeva, A. V., Gherardi, S., Sutcliffe, K. M., & Gehman, J. (2025). Tackling Grand Challenges: Insights and Contributions From Practice Theories. Journal of Management Inquiry. https://doi.org/10.1177/10564926241292262
Internationales Team veröffentlicht Leitlinie für Umgang mit invasiven Pilzinfektionen durch Candida
Universität zu Köln
Durch Candida hervorgerufene Erkrankungen zählen weltweit zu den häufigsten invasiven Pilzinfektionen / Die neue Leitlinie für Ärzt*innen und Klinikpersonal ist das Ergebnis von vier Jahren intensiver Zusammenarbeit unter Kölner Leitung von mehr als hundert Fachleuten aus 35 Ländern.
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Durch den Pilz Candida hervorgerufene Erkrankungen zählen zu den häufigsten invasiven Pilzinfektionen und stellen insbesondere für immungeschwächte und kritisch kranke Patient*innen eine lebensbedrohliche Gefahr dar. Zusätzlich gibt es eine zunehmende Zahl schwer behandelbarer Fälle aufgrund häufiger werdender Resistenzen. Die neue Leitlinie enthält detaillierte Empfehlungen zu Prävention, Diagnose und Behandlung verschiedener Formen der Candidiasis – von oberflächlichen Infektionen bis hin zu lebensbedrohlichen invasiven Erkrankungen. Sie bietet präzise Handlungsempfehlungen für Kliniker*innen, einschließlich innovativer diagnostischer Verfahren und aktueller Therapieansätze. Besondere Beachtung finden neue Herausforderungen wie Resistenzen gegen gängige Antimykotika sowie die zunehmende Verbreitung von Candida auris, einem multiresistenten Krankheitserreger.
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Die Leitlinie wurde weltweit von über siebzig internationalen Fachgesellschaften als wichtige Orientierungshilfe für praktizierende Ärzt*innen anerkannt und erfüllt die höchsten Standards hinsichtlich der Qualität und Relevanz für die klinische Versorgung. „Unsere Zusammenstellung ist ein völliges Novum und bietet weltweit eine Grundlage für die Verbesserung von Behandlung und Überlebenschancen betroffener Patient*innen“, erklärt Cornely die Besonderheit des Werkes.
Link: https://idw-online.de/de/news847549
Originalpublikation: https://doi.org/10.1016/S1473-3099(24)00749-7