Schädliche Eiweiß-Verklebungen verhindern: Synthetische Peptide als Basis für multifunktionale Parkinson-Medikamente
Technische Universität München
Bei Alzheimer, Parkinson und Typ-2-Diabetes entstehen schädliche, verklebte Eiweißaggregate und -ablagerungen, die sogenannten Amyloid-Plaques. Viel deutet zudem darauf hin, dass diese drei Erkrankungen miteinander zusammenhängen und sich gegenseitig verstärken. Ein Forschungsteam unter Leitung der Technischen Universität München (TUM) konnte nun zeigen, dass von ihm entwickelte synthetische Mini-Eiweiße (makrozyklische Peptide) in Experimentalmodellen sowohl die Amyloidbildung bei Parkinson als auch schädliche Eiweiß-Wechselwirkungen zwischen den drei Krankheiten hemmen. Sie könnten als Basis zukünftiger Medikamente zur Behandlung dieser Erkrankungen dienen.
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Dem Team um Aphrodite Kapurniotu, Professorin für Peptidbiochemie an der TUM, ist es in Experimentalmodellen nun gelungen, die Bildung von Eiweißaggregaten bei Parkinson mit Hilfe sogenannter makrozyklischer Peptide zu hemmen. Darüber hinaus schwächen diese Peptide auch schädliche Wechselwirkungen zwischen den Eiweißen der drei Erkrankungen ab. Sie ahmen bestimmte Merkmale in der Struktur eines der Eiweiße nach. Das ermöglicht das Andocken an amyloidbildende Eiweiße der drei Erkrankungen. Ihre Wechselwirkungen werden blockiert und die Amyloidbildung verhindert.
Mit dieser Entdeckung knüpfen die Forschenden an ihre früheren Studien an. In diesen konnten sie mithilfe der Peptide in Experimentalmodellen die Bildung von amyloiden Eiweißaggregaten, wie sie bei Alzheimer und Typ-2-Diabetes vorkommen, verhindern.
Entsprechende Patentanmeldungen liegen bereits vor. „Es ist noch weitere Forschung notwendig, bis geeignete Medikamente auf den Markt kommen können. Aber wir denken, dass unsere Peptide wertvolle Kandidaten für die Entwicklung wirksamer Medikamente für die Behandlung von Parkinson, Alzheimer, Diabetes und ihrem gemeinsamen Auftreten sind“, sagt Aphrodite Kapurniotu.
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Link: https://idw-online.de/de/news851081
Originalpublikation: Hornung, S., Vogl, D. P., Naltsas, D., et al.: A. Multi-Targeting Macrocyclic Peptides as Nanomolar Inhibitors of Self- and Cross-Seeded Amyloid Self-Assembly of a-Synuclein. (2025) Angew Chem Int, https://doi.org/10.1002/anie.202422834
Neuer Wirkstoff gegen schwer zu behandelnde Allergien
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Erkrankungen wie Reizdarm, chronischer Juckreiz, Asthma oder Migräne sind oft nur schlecht behandelbar. Ausgelöst werden sie häufig dadurch, dass das Immunsystem überempfindlich auf bestimmte Auslöser reagiert. In schweren Fällen können die Folgen lebensbedrohlich sein. Ein Team von Forschenden unter Federführung der Universität Bonn hat nun einen vielversprechenden Wirkstoff gefunden, der diese Gefahr bannen könnte. Er blockiert einen Rezeptor auf bestimmten Abwehrzellen und verhindert so, dass die Immunreaktion entgleist. Die Ergebnisse sind in der Zeitschrift „Signal Transduction and Targeted Therapy“ erschienen.
Wer schon einmal von einer Mücke gestochen wurde, weiß, wie unangenehm das jucken kann. Eine zentrale Rolle spielen dabei die sogenannten Mastzellen. Dabei handelt es sich um Immunzellen in Haut und Schleimhäuten, die prall mit Entzündungs-Botenstoffen gefüllt sind. Nach einem Stich binden Antikörper an Inhaltsstoffe im Mückenspeichel. Zusammen aktiviert der Komplex dann die Mastzellen, die daraufhin ihren Inhalt schlagartig freisetzen. Die Folgen – Rötung, Schwellung, Juckreiz – klingen jedoch in der Regel schnell wieder ab, ein Prozess, der sich durch entsprechende Salben noch beschleunigen lässt.
Mastzellen können aber auch direkt durch Kontakt mit einer Substanz aktiviert werden – also ohne dass Antikörper daran beteiligt wären. „Dadurch werden ebenfalls allergische Reaktionen ausgelöst, mit dem Unterschied, dass diese bis heute nur schlecht zu behandeln sind“, erklärt Prof. Dr. Christa Müller von der Universität Bonn. Bis vor etwa 15 Jahren wusste man nicht einmal, auf welchem Weg die Aktivierung überhaupt erfolgt. Damals stieß die Leiterin der Pharmazeutischen und Medizinischen Chemie mit ihrer Arbeitsgruppe auf einen bis dahin unbekannten Rezeptor in der Membran, die die Mastzellen wie eine Haut umgibt. An ihn können unterschiedliche molekulare Signale andocken und dadurch die Ausschüttung der Entzündungs-Botenstoffe einleiten.
Der Rezeptor mit der kryptischen Bezeichnung MRGPRX2 wirkt also wie eine Art Schalter: Wird er betätigt, ist eine sehr heftige lokale Entzündungsreaktion die Folge. „Um das zu verhindern, müsste man den Schalter irgendwie blockieren“, sagt Müller. „Die Frage war nur: wie?“ Ihre Abteilung verfügt über eine Sammlung von rund 40.000 Verbindungen, darunter etliche, bei denen es sich bereits in Tests herausgestellt hatte, dass sie an verwandte Rezeptoren binden können. „Wir haben Zellen verwendet, die aufleuchten, wenn MRGPRX2 aktiviert ist“, erklärt Müllers Doktorandin Ghazl Al Hamwi, die Erstautorin der Studie. „So konnten wir testen, ob diese Substanzen die Aktivierung des Rezeptors wirksam blockieren und dadurch das Lichtsignal ausschalten.“
Dabei stießen die Forschenden auf einen Wirkstoff, der an den Rezeptor andocken kann und ihn blockiert. Durch chemische Modifizierung dieses Treffers erhielten sie ein Derivat, das schon in extrem geringen Konzentrationen wirksam war. „In Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen aus Polen konnten wir zeigen, dass bei Mäusen dadurch lebensbedrohliche allergische Reaktionen komplett unterbunden werden“, sagt Al Hamwi. Angesichts dieser Ergebnisse isolierten Forschende der Charité in Berlin zusätzlich menschliche Mastzellen und reinigten sie auf – ein äußerst aufwändiger Prozess. Dadurch konnten die beteiligten Arbeitsgruppen zeigen, dass das gefundene Molekül auch dort an MRGPRX2 bindet und die Ausschüttung von Entzündungs-Botenstoffen verhindert.
Inzwischen haben die Forschenden die Substanz noch weiter optimiert. Sie ist so einerseits noch wirksamer geworden; zudem wird sie im Körper nicht direkt abgebaut, sondern besitzt eine ausreichend lange Wirkungsdauer, wie sie für einen Arzneistoff erforderlich ist. Die Beteiligten konnten zudem zeigen, dass das Molekül ausschließlich den MRGPRX2-Rezeptor blockiert. Dadurch sinkt die Gefahr unerwünschter Nebenwirkungen. „Wir halten die Substanz daher für ausgesprochen vielversprechend“, betont Müller, die auch den Transdisziplinären Forschungsbereichen (TRA) „Life & Health“ und „Matter“ der Universität Bonn angehört. Ob sich der Wirkstoff als Medikament eignet, muss sich allerdings noch in weiteren Studien an Tieren und am Menschen zeigen.
Falls ja, wäre das aber eine gute Nachricht. Profitieren könnten etwa Patientinnen und Patienten mit entzündlichen Beschwerden des Magen-Darm-Trakts, der Lunge, des Nervensystems oder auch mit schwerem chronischem Juckreiz und weiteren entzündlichen Hauterkrankungen. Viele dieser Erkrankungen sind nicht nur äußerst quälend, sondern gehen auch mit einer verkürzten Lebenserwartung einher. Auch lebensgefährliche allergische Reaktionen nach der Gabe bestimmter Medikamente (ein sogenannter anaphylaktischer Schock) ließen sich möglicherweise durch Blockierung des RGPRX2-Rezeptors verhindern.
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Link: https://idw-online.de/de/news851100
Originalpublikation: Ghazl Al Hamwi et. al.: Subnanomolar MAS-related G protein-coupled receptor-X2/B2 (MRGPRX2/B2) antagonists with efficacy in human mast cells and disease models; Signal Transduction and Targeted Therapy; DOI: https://www.doi.org/10.1038/s41392-025-02209-8
Nahrungsergänzungsmittel im Sport – sinnvoll oder nicht?
Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS)
Die Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) ist im Breiten- und Spitzensport weit verbreitet. Bei den meisten ist die wissenschaftliche Evidenz für den Nutzen im Sport unzureichend. Zahlreiche Fachgesellschaften empfehlen zur Gesundheitsförderung und Leistungsoptimierung „Food first-Strategien“, d.h., eine an Training- und Wettkampfbelastungen angepasste, ausgewogene Ernährung. In spezifischen Situationen kann nach gründlicher Risiko-Nutzen-Analyse der Einsatz bestimmter NEM dennoch sinnvoll sein (Food first, but not always food only).
In welchen individuellen Situationen ein Einsatz Sinn macht und worauf dabei zu achten ist, darüber referiert PD Dr. Oliver Neubauer, Forschungsbereichsleiter „Sporternährung mit physiologischer Ausrichtung“, Department für Ernährungswissenschaften, Universität Wien und Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität für Weiterbildung Krems auf dem 40. GOTS-Kongress. Der hochkarätige Kongress findet vom 15. bis 17. Mai an der Donau-Universität Krems statt.
„Eine gute fachliche Evidenz haben je nach Art und Intensität des Sports und in jeweils sportartspezifischen Situationen Sportgetränke, kohlenhydrat-reiche Energieriegel, Gels und Proteinsupplemente, Eisen, Multivitamine, Vitamin D und Probiotika“, so Neubauer.
Diese Produkte sichern den Bedarf an Energie, Kohlenhydraten und Flüssigkeit unmittelbar vor und während intensiver und langer Ausdauerbelastungen, wie z.B. einem (Halb-)Marathon. Bei einer Belastungsdauer von 45 bis 75 Minuten reichen für eine leistungsfördernde Wirkung bereits geringe Mengen an Kohlenhydraten. Bei einer Belastungsdauer ab einer Stunde bis zweieinhalb Stunden wird eine Zufuhr von 30 bis 60 Gramm Kohlenhydraten pro Stunde empfohlen, ab zweieinhalb Stunden 60 bis 90 Gramm pro Stunde. Energieriegel sollten Kohlenhydrate in leicht verdaulicher und schnell absorbierbarer Form enthalten. Bei extremen Belastungen, unter Hitzebedingungen und bei hohen Schweißverlusten sollte jeder auf die Beigabe von Natrium in Sportgetränken achten.
Proteine (Eiweiße) sorgen nach dem Training für die Neubildung körpereigener Proteine als molekulare Basis für Anpassungen an Kraft- und Ausdauertraining. Grundsätzlich kann ein trainingsbedingter Mehrbedarf von 1,2 bis 2 Gramm Proteinen pro Kilogramm Körpergewicht (abhängig von der Trainingsgesamtbelastung) sehr gut über eine geeignete Zusammenstellung natürlicher Lebensmittel abgedeckt werden. Dies gilt auch für die empfohlene Zufuhr von 20 bis 30 Gramm hochwertigen Proteinen in der unmittelbaren Regenerationsphase nach intensivem Training, um die muskuläre Proteinneubildung zu optimieren. Proteinsupplemente bieten keinen physiologischen Vorteil im Vergleich zu Lebensmitteln.
Zu möglicherweise kritischen Mikronährstoffen in sportartspezifischen Situationen zählen Eisen, Calcium, Natrium und Vitamin D. Potenzielle Ursachen für eine Unterversorgung sind sportassoziierte Verluste (z.B. über den Schweiß), ein trainingsbedingter Mehrbedarf (z.B. durch einen gesteigerten Energieumsatz), und sportartspezifische Ernährungsweisen (z.B. in Phasen der Gewichtsreduktion).
Ein möglicher sportbedingter Mehrbedarf bei Mineralstoffen und Vitaminen ist schwierig zu bestimmen. Allerdings kann auch ein theoretischer Mehrbedarf im Bereich von ca. 100 bis 200 Prozent der Referenzwerte für die Allgemeinbevölkerung in der Regel sehr gut durch eine ausgewogene und energiebilanzierte Ernährung erreicht werden. Multi-Vitamin-/Mineralstoff-Präparate machen nur in bestimmten Situationen Sinn und es muss auf eine „physiologische“ Dosierung geachtet werden.
Einen möglichen Nutzen, aber noch unzureichend erforscht, bieten isolierte Polyphenole, Kollagen-Protein, Carnitin und Fischöl.
Keinen gesicherten Nutzen haben dagegen Magnesium, Beta-Hydroxy-beta-Methylbutyrat (HMB) und Verzweigkettige Aminosäuren (BCAAs)/Leuzin.
Sowohl für den Breiten- als auch für den Spitzensport bietet eine ausgewogene Lebensmittelauswahl ein enormes Potenzial. In den letzten Jahren wurden zahlreiche lebensmittelbasierte Empfehlungen für eine an Trainingsbelastungen angepassten Ernährung entwickelt und validiert. Anschauliche Beispiele sind die Lebensmittelpyramide für Sportler und Sportlerinnen der Swiss Sports Nutrition Society (SSNS) oder „The Athlete’s Plate“. Für alle Freizeitsportler gilt: NEM sind nur sinnvoll in Situationen, in denen die bedarfsdeckende Aufnahme von Energie, Nährstoffen (besonders Kohlenhydrate) und Flüssigkeit in Form von „natürlichen“ Lebensmitteln nicht praktikabel ist. Oder bei einem klinisch diagnostiziertem Nährstoffmangel.
Link: https://idw-online.de/de/news851121 | https://gots.org/nahrungsergaenzungsmittel-im-sport-sinnvoll-oder-nicht-pm-april-2025/
Vom Feind zum Helfer: Immunzellen können Blutgerinnsel auflösen
Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e.V.
Ein Forschungsteam des LMU Klinikums München und des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) hat eine bisher unbekannte Rolle bestimmter Immunzellen bei der Auflösung von Blutgerinnseln (Thromben) entdeckt. Die Ergebnisse wurden heute in der Fachzeitschrift Immunity veröffentlicht.
Blutgerinnsel können zu lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Schlaganfällen, Herzinfarkten oder Lungenembolien führen. Bisher galten Immunzellen wie Neutrophile und Monozyten vor allem als Mitverursacher solcher Thrombosen. Die neue Studie zeigt jedoch, dass diese Zellen auch eine heilende Rolle spielen können – vorausgesetzt, sie sind in der richtigen „Stimmung“.
Für ihre Untersuchungen nutzten die Forschenden Thromben, die im Rahmen einer mechanischen Thrombektomie bei Schlaganfallpatienten entnommen wurden. Dieses Verfahren zur Wiedereröffnung verschlossener Hirngefäße ermöglichte den seltenen Zugriff auf frisches Thrombusmaterial während der akuten Krankheitsphase. Zusätzlich wurden Blutproben derselben Patienten analysiert, um die Immunzellzusammensetzung im Thrombus mit der im Blut zu vergleichen.
Thromben können sich in allen Gefäßbereichen des Körpers bilden. Für diese Studie wählten die Forschenden Hirnarterien, weil sie im klinischen Alltag gut zugänglich sind und sich das entnommene Material standardisiert und schonend weiterverarbeiten lässt – ein wichtiger Faktor, um empfindliche Zelltypen wie Neutrophile zuverlässig untersuchen zu können.
Mittels modernster Einzelzelltechnologien wie Single-Cell RNA-Sequenzierung und CITE-seq konnten die beteiligten Immunzellen mit bisher unerreichter Auflösung charakterisiert werden. Ergänzend kamen Mausmodelle und in-vitro Experimente zum Einsatz, um die beobachteten Mechanismen funktionell zu bestätigen.
Die Forschenden fanden heraus, dass bestimmte Monozyten – sogenannte nicht-klassische Monozyten – Neutrophile anlocken, die sich im sauerstoffarmen Milieu des Thrombus in eine Form umwandeln, die blutgerinnselauflösende Enzyme produziert, insbesondere den Urokinase-Rezeptor (PLAUR). Die Autoren nennen diesen Prozess „Immunothrombolyse“.
Besonders interessant ist: Wird ein bestimmter Signalweg in den Neutrophilen künstlich aktiviert – der sogenannte HIF1a-Signalweg – entwickeln die Zellen verstärkt thrombusauflösende Eigenschaften. Wenn der Mechanismus blockiert wurde, lösten sich die Thromben bei betroffenen Mäusen deutlich schlechter auf.
„Bisherige Medikamente zur Thrombolyse wirken zwar schnell, erhöhen aber das Risiko für gefährliche Blutungen“, erklärt Prof. Konstantin Stark, Letztautor der Studie und Leitender Oberarzt an der Medizinischen Klinik I des LMU Klinikums. „Wenn es gelingt, die körpereigene Immunabwehr gezielt so zu steuern, dass sie Thromben auflöst, könnte das eine schonendere Behandlungsform sein.“
Die Studie liefert eine hochdetaillierte Landkarte der Immunzellaktivität im Thrombus – sowohl beim Menschen als auch in Tiermodellen. Sie zeigt, dass sich Thromben nach ihrer Entstehung dynamisch verändern können und dabei auch immunologisch getriebene heilende Prozesse stattfinden. Die Erkenntnisse könnten langfristig helfen, neue Therapien in der Behandlung von Thrombosen zu entwickeln, welche gefährliche Blutungsnebenwirkungen umgehen.
Link: https://idw-online.de/de/news851133
Originalpublikation: Pekayvaz et al. (2025): Immunothrombolytic monocyte-neutrophil axes dominate the single-cell landscape of human thrombosis and correlate with thrombus resolution. Immunity (2025), https://www.cell.com/immunity/fulltext/S1074-7613(25)00139-6
Power-Impfung gegen Krebs bringt Immunsystem auf Trab
Medizinische Hochschule Hannover
Neue Hoffnung: MHH-Forschende mobilisieren mit einem Zwei-Phasen-Impfschema die Immunabwehr gegen Tumorzellen innerhalb von nur zwei Wochen.
Unsere körpereigene Abwehr räumt nicht nur Bakterien und Viren beiseite, sie kann auch Krebs bekämpfen. Allerdings sind nicht alle Tumorzellen für das Immunsystem gut zu erkennen. Zudem verändern sie sich ständig und tarnen sich, um dem Abwehrsystem zu entkommen. Um Tumorerkrankungen besser und erfolgreicher zu behandeln, setzt die medizinische Forschung auf sogenannte therapeutische Krebsimpfungen. Bei dieser Form der Immuntherapie werden Menschen geimpft, die bereits Krebs haben. Sie funktioniert ähnlich wie Impfungen gegen Krankheitserreger und bringt dem Immunsystem bei, die Tumorzellen an bestimmten typischen Merkmalen – sogenannten Tumorantigenen – wieder selbst zu erkennen und sie abzutöten.
Ein Ansatz ist es, den Krebspatientinnen und -patienten hochspezialisierte Immunzellen zu entnehmen und diese außerhalb des Körpers mit Tumorantigenen zu beladen. Nachdem diese dendritischen Zellen wieder in den Körper zurück injiziert werden, können sie antigenspezifische Immunantworten auslösen und regulieren. Bei einem anderen Ansatz enthält der Impfstoff einer proteinbasierten oder Peptid-Impfung nur das Eiweiß des Tumorantigens oder zumindest Teile davon. Diese synthetische Methode ist schneller, kostengünstiger und weniger aufwändig. Das Problem bei beiden Verfahren: Häufig ist die ausgelöste Immunreaktion eher gering und die Impfung muss häufig wiederholt werden, um die Immunzellen zu aktivieren.
Ein Forschungsteam um Privatdozent (PD) Dr. Thomas Wirth und Dr. Dimitrij Ostroumov aus der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie und Endokrinologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat nun eine neue Power-Impfung entwickelt. Bei dieser therapeutischen Immuntherapie genügen bereits zwei Impfgaben per Spritze unter die Haut, um das Immunsystem innerhalb von nur 14 Tagen effektiv gegen den Tumor zu mobilisieren. Die Arbeit ist in der Fachzeitschrift „Cellular and Molecular Immunology“ veröffentlicht worden.
Seit 15 Jahren tüfteln die Forschenden daran, wie sich Krebsimpfungen verbessern lassen. „Der Schlüssel liegt in den dendritischen Zellen“, sagt PD Dr. Wirth. Diese gehören zu den Fresszellen des angeborenen Immunsystems und durchforsten unseren Körper laufend nach Viren, Bakterien oder Tumorzellen. Erkennen sie Strukturen als körperfremd oder andersartig, nehmen sie diese ganz oder teilweise in sich auf, fressen sie also sozusagen. Als antigen-präsentierende Zellen sind sie in der Lage, die Fremdzell-Bestandteile in kürzere Stücke umzuwandeln und diese anschließend als Peptide auf ihrer eigenen Zelloberfläche zu präsentieren. Mit diesen Mini-Eiweißen zeigen sie den spezifischen T-Zellen unseres erworbenen Immunsystems, woran diese die körperfremden Strukturen erkennen können und aktivieren so die zielgerichtete Immunabwehr.
Um dies möglichst schnell und wirkungsvoll zu erreichen, setzten die Forschenden auf ein Impfschema, das in zwei Phasen abläuft: einer Grund- sowie einer Auffrischungsimpfung. Bei solchen heterologen Prime-Boost-Impfstoffen werden dem Organismus zweimal dieselben Antigene in unterschiedlicher Zusammensetzung injiziert. In diesem Fall genügte sogar ein einziges Antigen-Peptid, das spezifisch von den Tumorzellen gebildet wird, um die dendritischen Zellen direkt im Körper zu aktivieren. Weil das Peptid allein jedoch keine genügend starke Immunantwort auslöst, gaben die Forschenden in beiden Impfphasen jeweils einen sogenannten Agonisten zu, der die Immunzellen im Körper zusätzlich aktiviert. „Für die primäre Immunisierung verpacken wir das Peptid mit dem Immunaktivator in einer Lipidhülle“, erklärt PD Dr. Wirth. So werden die dendritischen Zellen im Körper angetrieben, das Tumorantigen den spezifischen T-Zellen zu zeigen, damit diese den Tumor erkennen und angreifen können. Die für die primäre Immunisierung eingesetzten Liposomen wurden im Rahmen einer Kooperation in den Niederlanden entwickelt. „Beim Boosten eine Woche später fügen wir außerdem noch einen Antikörper hinzu, der als weiterer Stimulator dafür sorgt, dass sich die gegen den Tumor gerichteten T-Zellen ultraschnell vermehren.“
Getestet wurde das Impfschema in einem Mausmodell für Darmkrebs. Die Wirkung erstaunte selbst die Forschenden. „Wir konnten nach nur zwei Impfungen eine extrem starke Immunantwort beobachten, die für einen kompletten Rückgang des Tumors gesorgt hat“, betont Dr. Ostroumov. „Unsere Experimente zeigen nicht nur, dass die Verwendung von Liposomen als Peptidträger problemlos möglich ist, sondern bestätigen auch die außergewöhnliche Verstärkung der T-Zell-Reaktion durch stimulierende Antikörper im heterologen Impfschema.“ Die schnelle Produktion der Impfstoffe und der frühe Antitumor-Effekt bedeuten für Menschen mit einer Krebserkrankung einen extremen Zeit- und damit auch einen Überlebensvorteil.
Ein weiterer Pluspunkt des Impfschemas: Es ist universell, der Peptid-Baustein kann wie in einem Baukasten ausgetauscht und den jeweiligen Anforderungen neu angepasst werden. „Zum einen können wir das Peptid auf das genetische Profil des Tumors zuschneiden, also personalisierte Impfstoffe produzieren, die auf jeden Patienten und jede Patientin individuell ausgerichtet sind“, sagt PD Dr. Wirth. „Zum anderen muss das Peptid noch nicht einmal zwingend ein Tumorantigen sein, sondern kann auch andere Informationen etwa zur Erkennung von Parasiten, Bakterien oder Viren tragen.“ Bis die Impfung in der Regelversorgung landet, ist der Weg allerdings noch weit. Als nächster Schritt müssten klinische Studien die Wirksamkeit und Sicherheit für die Anwendung beim Menschen nachweisen.
Link: https://idw-online.de/de/news851108
Die Originalarbeit „Sequential STING and CD40 agonism drives massive expansion of tumor-specific T cells in liposomal peptide vaccines“ finden Sie unter: https://www.nature.com/articles/s41423-024-01249-4
Das Hepatitis-D-Virus besser verstehen
TWINCORE – Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung
Hannoveraner Forscher entwickeln Stammzell-basiertes Infektionsmodell Das Hepatitis-D-Virus (HDV) befällt die Leber und verursacht dort schwere Entzündungen. Nach Schätzungen der WHO sind weltweit 12 Millionen Menschen mit HDV infiziert. Derzeit gibt es nur wenige Behandlungsmöglichkeiten. Ein Forscherteam vom TWINCORE, Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung in Hannover, hat ein Stammzell-basiertes Infektionsmodell für HDV entwickelt und damit einen möglichen Angriffspunkt gegen das Virus entdeckt. Ihre Ergebnisse veröffentlichen sie jetzt in der Fachzeitschrift JHEP Reports.
Das Hepatitis-D-Virus ist ein so genanntes Satellitenvirus. Sein genetischer Bauplan enthält nur ein einziges Protein, und als Hülle verwendet es Bestandteile des Hepatitis-B-Virus (HBV). Deshalb ist es auf das Vorhandensein von HBV angewiesen, und die Hepatitis-B-Impfung schützt auch gegen HDV. Von allen Hepatitisviren verursacht HDV jedoch die schwersten Erkrankungen. Neben der bisherigen Therapie mit Interferon-alpha steht seit kurzem mit Hepcludex ein Medikament zur Verfügung, das HDV wirksam am Eindringen in die Leberzellen hindern kann. Hepcludex hat jedoch keine antivirale Wirkung und kann nicht verhindern, dass bei der Teilung infizierter Leberzellen auch die Tochterzellen das Virus tragen. Die Forschung sucht deshalb nach neuen antiviralen Wirkstoffen für eine Kombinationstherapie.
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Link: https://idw-online.de/de/news851006 | https://twincore.de/de/mitteilungen/das-hepatitis-d-virus-besser-verstehen
Originalpublikation: https://doi.org/10.1016/j.jhepr.2025.101429
Neues regulierendes Protein des Zytoskeletts in Nervenzellen identifiziert
Max-Planck-Institut für medizinische Forschung
Das Wachstum und die Funktionsweise von Nervenzellen stützen sich auf eine gitterartige Struktur, das membranassoziierte periodische Skelett, kurz MPS. Wie die Organisation des MPS gesteuert wird, war bisher nicht bekannt. Nun hat ein Team der Max-Planck-Institute für medizinische Forschung sowie für Multidisziplinäre Naturwissenschaften entdeckt, dass die Organisation von der Konzentration des Proteins Paralemmin-1 bestimmt wird.
Highlights:
- In ihrer Studie, die in Science Advances veröffentlicht wurde, zeigen die Forscher*innen erstmals, dass das Protein Paralemmin-1 das membranassoziierte periodische Skelett MPS in Nervenzellen organisiert.
- Dieser Mechanismus könnte in allen Gehirnregionen und Organismen auftreten, was erhebliche Auswirkungen auf das Verständnis der MPS-Regulierung im menschlichen Gehirn hätte.
- Paralemmin-1 spielt ebenfalls eine Schlüsselrolle bei der Bildung von Nervenzellfortsätzen sowie beim Zellwachstum.
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Den Forscher*innen gelang der Nachweis, dass die Konzentration von Paralemmin-1 von entscheidender Bedeutung dafür ist, die Organisation des periodischen Gerüsts des Zytoskeletts mit höchster Genauigkeit im Nanometerbereich zu steuern. „Hohe Konzentrationen von Paralemmin-1 führen zu einer sehr regelmäßigen periodischen Anordnung, während niedrigere Konzentrationen ein schlecht organisiertes MPS mit sich bringen“, berichtet Manfred W. Kilimann. Darüber hinaus wirkt es sich auf die elektrophysiologischen Eigenschaften von Nervenzellen aus, wenn Paralemmin-1 fehlt: Die elektrische Signalübertragung zwischen ihnen verändert sich. Das Team konnte auch zeigen, dass die Fähigkeit von Paralemmin-1, seine Funktion zu erfüllen, von einer einzigen Aminosäure, dem Tryptophan W54, abhängt.
Vertieftes Verständnis der Paralemmin-Proteinfamilie sowie des MPS
„Durch die Untersuchung von Paralemmin-1 haben wir einen Mechanismus identifiziert, der die Feinstruktur des MPS in Nervenzellen reguliert“, erklärt Victor Macarrón-Palacios. Hierbei bindet Paralemmin-1 das Protein ßII-Spectrin, einen Hauptbestandteil des neuronalen Zytoskeletts, an einer für Mutationen anfälligen Stelle. Diese Mutationen sind beim Menschen für neurologische Entwicklungsstörungen verantwortlich. Hier besteht großes Potenzial für weitere Forschung – die Funktion und Regulierung des MPS beginnen sich gerade erst abzuzeichnen.
Link: https://idw-online.de/de/news851012 | https://www.mr.mpg.de/14645739/new-regulatory-protein-of-the-neuronal-cytoskeleton-identified
Originalpublikation: Victor Macarrón-Palacios et al., Paralemmin-1 controls the nanoarchitecture of the neuronal submembrane cytoskeleton.Sci. Adv.11,eadt3724(2025). DOI: https://doi.org/10.1126/sciadv.adt3724
Frühkindlicher Stress kann die Widerstandsfähigkeit weiblicher Mäuse stärken
Max-Planck-Institut für Psychiatrie
Stress in der frühen Lebensphase (early life stress, ELS), kann überraschende Vorteile für weibliche Mäuse haben und emotionale Regulierung sowie Denkleistung verbessern. Eine bahnbrechende Studie ermittelt ein entscheidendes Protein, FKBP51, das eine Schlüsselrolle in diesem Anpassungsprozess spielt. Wenn Forschende verstehen, wie ELS bei den Geschlechtern unterschiedlich zur Resilienz beiträgt, können sie besser nachvollziehen wie psychische Erkrankungen entstehen und so potenzielle Behandlungen finden.
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Die kürzlich in Nature Communications veröffentlichte Studie deckte auch geschlechtsspezifische Unterschiede auf. Während weibliche Mäuse ausgeprägte Verhaltens- und Gehirnveränderungen zeigten, waren die Auswirkungen bei männlichen Mäusen weniger deutlich. Das zeigt, dass die Mechanismen der Anpassung an Stress zwischen den Geschlechtern unterschiedlich sein könnten.
Darüber hinaus bestimmten die Forschenden einen Transkriptionsfaktor, TCF4, als potenziellen nachgeschalteten Effektor von FKBP51. Die verstärkte Produktion von TCF4 bei weiblichen Mäusen hatte ähnlich positiven Auswirkungen wie die von ELS, was auf seine Rolle bei der Förderung der Widerstandsfähigkeit hinweist.
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Link: https://idw-online.de/de/news851054
Originalpublikation: Lotte van Doeselaar et al.: FKBP51 in glutamatergic forebrain neurons promotes early life stress inoculation in female mice, Nature Communications, doi: https://doi.org/10.1038/s41467-025-57952-x
Neurobiologie: Filme „spielen“ sich im Gehirn als oszillatorische Sinfonie ab
Ludwig-Maximilians-Universität München
LMU-Forschende haben gezeigt, dass das Gehirn natürliche visuelle Reize durch bestimmte oszillierenden Aktivitätsmuster im visuellen Neokortex verarbeitet.
Wenn wir die dynamische Welt um uns herum wahrnehmen – oder auch einfach einen Film im Kino anschauen – weist jeder Punkt in unserem Sichtfeld unterschiedliche Eigenschaften auf, die unser Gehirn zunächst getrennt voneinander verarbeiten muss, bevor es sie zu einem kohärenten Gesamteindruck zusammenfügt. „Seit den nobelpreisgekrönten Arbeiten von Hubel und Wiesel in den 60er-Jahren wissen wir, dass Neurone in bestimmten Modulen des visuellen Kortex auf bestimmte Merkmale eines visuellen Reizes reagieren, wenn diese isoliert präsentiert werden“, sagt LMU-Neurobiologin Prof. Laura Busse. „Doch wie das Gehirn einen natürlichen Bildfluss verarbeitet und die Aktivität dieser Neuronen zu einer komplexen Gesamtwahrnehmung zusammensetzt, ist bislang nur unzureichend verstanden“, ergänzt ihr Kollege Prof. Anton Sirota.
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„Mit Hilfe eines großen Open-Source-Datensatzes des Allen-Instituts (USA) und einer umfangreichen Datenanalyse konnten wir zeigen, dass bestimmte Bildmerkmale an lokalen Punkten im Sichtfeld – etwa Helligkeit oder Kontrast – jeweils charakteristische Oszillationen in einem bestimmten visuellen Schaltkreis auslösen, der die Informationen von diesen Punkten erhält“, erklärt Lukas Meyerolbersleben. Somit ruft ein komplexer Film eine regelrechte Symphonie von Oszillationen in verschiedenen Frequenzen, Schichten und Bereichen des visuellen Kortex und Thalamus hervor, die Tausende von Neuronen „orchestrieren“, damit sie auf kohärente Weise „zusammenspielen“.
Diese Symphonie könnte es dem Gehirn ermöglichen, sowohl einzelne Informationen zu verarbeiten als auch sie zu einem kohärente visuellen Eindruck zusammenzuführen. „Diese Arbeit stellt einen wichtigen Fortschritt in unserem Verständnis des natürlichen Sehens dar“, sagt Anton Sirota. „Sie legt außerdem den Grundstein für zukünftige Gehirn-Computer-Schnittstellen, mit denen sich dynamische visuelle Eingangssignale direkt aus dem Gehirn auslesen lassen, oder für die Entwicklung von Neuroprothesen zur Wiederherstellung des Sehvermögens“, erklärt Laura Busse.
Link: https://idw-online.de/de/news851033
Originalpublikation: Lukas Sebastian Meyerolbersleben, Anton Sirota & Laura Busse: Anatomically resolved oscillatory bursts reveal dynamic motifs of thalamocortical activity during naturalistic stimulus viewing. Neuron 2025, https://doi.org/10.1016/j.neuron.2025.03.030
Erfolge in der Zellforschung
Universitätsmedizin Magdeburg
Innovative Erkenntnisse zur Zellregulation veröffentlicht – Ein Forschungsteam der Universitätsmedizin Magdeburg publiziert im renommierten EMBO Journal.
Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Inna Lavrik vom Forschungsbereich Translationale Entzündungsforschung der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg hat beeindruckende Forschungsergebnisse zum molekularen Mechanismus des programmierten Zelltods erzielt. Diese Ergebnisse wurden nun in der international renommierten Fachzeitschrift EMBO Journal veröffentlicht.
Im Fokus der Forschungsarbeit steht der sogenannte „Todesrezeptor“ CD95 und seine Rolle in der Steuerung von Zellüberleben und -sterben. Durch die innovative Kombination von struktureller Modellierung (z. B. AlphaFold), Massenspektrometrie und biochemischen Methoden gelang es dem Team, insbesondere den Erstautoren M.Sc. Corinna König und Dr. rer. nat. Nikita Ivanisenko, die komplexe Signalweiterleitung innerhalb der Zelle auf molekularer Ebene zu entschlüsseln.
Zentrale Erkenntnis ist die detaillierte Beschreibung der Bildung und Funktion des Nekrosoms, eines makromolekularen Proteinkomplexes, der eine alternative Form des Zelltods – die Nekroptose – vermittelt. Insbesondere konnte das Team unter Einsatz experimenteller und modellgestützter Verfahren zeigen, dass mehrere der sogenannten RIPK1-Moleküle an das Nekrosom rekrutiert werden und RIPK1-Oligomere bilden. Diese Oligomerisierung steuert maßgeblich die Aktivierung des Signalwegs und den Zelltodprozess.
Die Arbeit entstand in enger Kooperation mit Prof. Dr. Thilo Kähne vom Institut für Experimentelle Innere Medizin (iEIM). In einem gemeinsamen Ansatz wurde erstmals die Zusammensetzung des Nekrosoms per Massenspektrometrie im Detail analysiert – ein wichtiger Schritt hin zum besseren Verständnis von krankheitsrelevanten Signalwegen.
Störungen im Ablauf des programmierten Zelltods sind ein wesentlicher Faktor bei der Entstehung von Krankheiten wie Krebs, Autoimmunerkrankungen und chronischen Entzündungen. Die neuen Erkenntnisse leisten damit nicht nur einen grundlegenden Beitrag zur biomedizinischen Forschung, sondern können auch neue Ansätze für die Entwicklung therapeutischer Strategien eröffnen.
Link: https://idw-online.de/de/news851041
Originalpublikation: Oligomerised RIPK1 is the main core component of the CD95 necrosome. Nikita V Ivanisenko*, Corinna König*, Laura K Hillert-Richter*, Maria A Feoktistova, Sabine Pietkiewicz, Max Richter, Diana Panayotova-Dimitrova, Thilo Kaehne, and Inna N Lavrik. EMBO J (2025) https://doi.org/10.1038/s44318-025-00433-0
Hemmung eines entzündungsfördernden Enzyms kann bei Adipositas möglicherweise das Herz-Kreislauf-Risiko senken
Universität zu Köln
Ein Forschungsteam hat entdeckt, dass das Enzym Myeloperoxidase (MPO) eine wichtige Rolle für die Gefäßgesundheit bei adipösen Menschen spielt / Veröffentlichung in Cell Reports Medicine
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Das Enzym MPO ist bei Menschen mit Adipositas in einem bestimmten Fettgewebe rund um die Aorta, die Hauptschlagader, aktiv. Dieses Fettgewebe wird perivaskuläres Fettgewebe (PVAT) genannt. MPO fördert entzündliche Prozesse im PVAT und hemmt gleichzeitig schützende Mechanismen, die normalerweise die Gefäße elastisch und gesund halten.
Um die Funktion genauer zu verstehen, wurde im Tiermodell untersucht, welche Auswirkungen das Fehlen von MPO hat. „Interessanterweise zeigten Mäuse ohne MPO eine bessere Gefäßfunktion, weniger Entzündungszeichen im PVAT und eine Umwandlung des Fettgewebes in eine aktivere, energieverbrauchende Form. Außerdem wurde bei diesen Tieren vermehrt das Hormon Adiponektin freigesetzt, das die Gefäße schützt“, erläutert Martin Mollenhauer.
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Link: https://idw-online.de/de/news851045
Originalpublikation: „Myeloperoxidase impacts vascular function by altering perivascular adipocytes’ secretome and phenotype in obesity“, Cell Reports Medicine, https://doi.org/10.1016/j.xcrm.2025.102087
Wie sich die DNA im frühen Embryo selbst organisiert
Helmholtz Zentrum München Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Helmholtz Munich hat erstmals detailliert gezeigt, wie sich die räumliche Organisation des Erbguts im Zellkern früher Embryonen in den ersten Stunden nach der Befruchtung entwickelt. Überraschenderweise zeigen Embryonen eine hohe Flexibilität bei der Korrektur von Störungen in diesem Prozess. Die jetzt in Cell veröffentlichte Studie zeigt, dass nicht ein einzelner Hauptregulator diese Kernorganisation steuert. Stattdessen sorgen mehrere redundante Mechanismen für eine robuste und anpassungsfähige Kernarchitektur und ermöglichen es Embryonen, Fehler in der anfänglichen Organisation ihres Zellkerns zu korrigieren.
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Embryonen können Fehler in der frühen Kernorganisation selbst korrigieren
Noch überraschender war die Erkenntnis, dass frühe Embryonen Störungen in der Kernorganisation selbst korrigieren können. War die Kernorganisation vor der ersten Zellteilung gestört, konnte sie während des zweiten Zellzyklus wiederhergestellt werden. Dies deutet darauf hin, dass frühe Embryonen nicht nur widerstandsfähig sind, sondern auch Mechanismen besitzen, um Fehler in ihrer anfänglichen Kernorganisation zu kompensieren.
Die Forschenden entdeckten, dass dieser Prozess durch epigenetische Markierungen reguliert wird, die von der mütterlichen Eizelle vererbt werden. Falls diese mütterlichen Signale gestört sind, kann der Embryo allerdings alternative epigenetische Programme aktivieren, um die korrekte Kernorganisation dennoch wiederherzustellen – selbst, wenn diese Programme möglicherweise nicht von der Mutter stammen. Dies zeigt, dass Embryonen unterschiedliche Ausgangspunkte für ihre Entwicklung nutzen können, um Fehlentwicklungen zu verhindern.
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Link: https://idw-online.de/de/news850945
Originalpublikation: Pal et al., 2025: The establishment of nuclear organization in mouse embryos is orchestrated by multiple epigenetic pathways. Cell. DOI: 10.1016/j.cell.2025.03.044, https://doi.org/10.1016/j.cell.2025.03.044
Unkontrollierte Glutamatausschüttungen im Gehirn
Ruhr-Universität Bochum
Unser Gehirn benötigt eine konstante Zufuhr von Energie. Störungen, zum Beispiel durch einen Schlaganfall, können schwerwiegende Komplikationen haben. Ein Forschungsteam vom Lehrstuhl Zelluläre Neurobiologie der Ruhr-Universität Bochum, an dem auch Forschende der Universitäten Düsseldorf und Twente beteiligt waren, hat untersucht, wie sich ein Energiemangel im Gehirn auf die Freisetzung des Neurotransmitters Glutamat auswirkt. Die Forschenden fanden heraus, dass unter Stress ungewöhnliche Glutmatfreisetzungen ablaufen, die sich selbst verstärken und so zur Schädigung von Nervenzellen beitragen dürften. Die Forschenden um Dr. Tim Ziebarth berichten im Journal iScience vom 18. April 2025.
Unter normalen Bedingungen wird das Gehirngewebe ausreichend mit Energie versorgt. Unter anderem wird diese dazu benötigt, um Botenstoffe, sogenannte Neurotransmitter, gezielt freizusetzen und wieder aufzunehmen. „Steht nicht mehr genügend Energie zur Verfügung, kann dieses Gleichgewicht von Neurotransmitter-Freisetzung und Aufnahme jedoch schnell gestört werden“, erklärt Tim Ziebarth. „Gerade bei Schlaganfällen, bei denen die Blutzufuhr ins Gehirn unterbrochen ist, kommt es häufig zu einem extrazellulären Anstieg des erregenden Neurotransmitters Glutamat, was die Funktion der Synapsen und das Überleben der betroffenen Nervenzellen stark beeinträchtigt.“ Die zugrunde liegenden Prozesse sind jedoch nur in Teilen verstanden.
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Link: https://idw-online.de/de/news850944
Originalpublikation: Tim Ziebarth et al.: Atypical Plume-Like Events Contribute to Glutamate Accumulation in Metabolic Stress Conditions, in: iScience, 2025, DOI: 10.1016/j.isci.2025.112256, https://www.cell.com/iscience/fulltext/S2589-0042(25)00517-6
Was das Auge über die psychische Gesundheit verrät
Universität Zürich
Eine neue Studie unter Leitung der Universität Zürich zeigt: Hinweise auf ein erhöhtes Schizophrenie-Risiko lassen sich bereits in der Netzhaut finden. Das könnte künftig zur besseren Früherkennung beitragen.
Die Netzhaut ist Teil des zentralen Nervensystems und damit Teil des Gehirns. Veränderungen im Gehirn lassen sich daher möglicherweise auch bereits im Auge nachweisen. Diese Idee hat ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Zürich und der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich aufgegriffen: In ihrer Studie haben die Forschenden untersucht, ob veränderte Nervenverbindungen in der Netzhaut mit dem genetischen Risiko für Schizophrenie verknüpft sind. Denn gerade bei Schizophrenie gelten Störungen in der neuronalen Informationsverarbeitung als zentrales Merkmal.
Aus früheren Studien weiss man, dass schizophrene Personen nicht nur von Defiziten in der grauen Substanz des Gehirns betroffen sind, sondern auch minimale Gewebeverluste der Netzhaut aufweisen. Allerdings war bislang unklar, ob diese Veränderungen Ursache oder Folge einer Schizophrenie sind. Auch die Erkrankung selbst könnte die Netzhaut beeinflusst haben – zum Beispiel durch den Lebensstil, Medikamente oder einen begleitenden Diabetes.
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Die Studie zeigte, dass ein höheres genetisches Risiko für Schizophrenie tatsächlich mit einer dünneren Netzhaut einhergeht. Allerdings sind die Effekte klein und daher grosse Studien wie diese notwendig, um sie verlässlich nachzuweisen. Das Gute an dem Befund: Solche Netzhaut-Veränderungen lassen sich – im Unterschied zu jenen im Gehirn – mit einfachen, nicht-invasiven und kostengünstigen Augenmessungen nachweisen. Dank der optischen Kohärenztomographie, eine Art Ultraschall des Auges, kann die Dicke der Netzhaut innerhalb weniger Minuten gemessen werden.
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Link: https://idw-online.de/de/news850956
Originalpublikation: Finn Rabe et al. Genetic susceptibility to schizophrenia through neuroinflammatory pathways associated with retinal thinness. Nature Mental Health, 21. April 2025. doi: https://doi.org/10.1038/s44220-025-00414-6
Antisense-RNA zur Behandlung schwerster Epilepsie bei frühgeborenem Kind
Klinikum der Universität München
Ein Kind kommt im LMU Klinikum zu früh auf die Welt und leidet fast ununterbrochen an epileptischen Anfällen. Das Mädchen hat eine ultraseltene Erkrankung: eine frühe und schwerste Epilepsie mit einer sogenannten Natriumkanalmutation, eine „SCN2A-assoziierte Entwicklungs- und epileptische Enzephalopathie“ (SCN2A-DEE). Alle herkömmlichen, anfallsunterbrechenden Therapien bleiben erfolglos. Dann wagt ein Team des Dr. von Haunerschen Kinderspitals zusammen mit der Neonatologie und dem pädiatrischen Epilepsiezentrum am LMU Klinikum sowie dem TUM Klinikum einen neuen Behandlungsansatz. Die Therapie zeigt Wirkung und wurde nun in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Medicine“ veröffentlicht.
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In Kontext von Präzisionstherapien spielen die sogenannten Antisense-Oligonukleotide (ASOs) eine besondere Rolle. Das sind kleine Nukleinsäure-Fragmente, die RNA binden, zellbiologisch modulierend eingreifen können und als besondere Hoffnungsträger der Präzisionsmedizin gelten. Sie können beispielsweise die Produktion krankheitsfördernder Proteine hemmen. Das in der neuen Studie verwendete ASO ‚Elsunersen‘ zielt auf die mRNA des SCN2A-Gens ab und führt zu dessen Abbau. So kann kein fehlerhaftes Protein hergestellt werden, welches die Krankheitssymptome verursacht.
Die Ärzte spritzten dem Mädchen das Elsunersen direkt in den Rückenmarkskanal. Parallel erfolgte eine konventionelle Therapie. Ergebnis: eine Durchbrechung der permanent bestehenden Anfälle sowie im Verlauf die Reduktion der Anfallshäufigkeit um mehr als 60 Prozent auf fünf bis sieben Anfälle pro Stunde, die bis zum Alter von 22 Monaten anhielt und eine klinische Versorgungsstabilität ermöglicht. Gleichwohl blieben die gravierenden neurologischen Entwicklungsstörungen, möglicherweise aufgrund der schon langen Zeit mit der Erkrankung im Mutterleib. Was die Sicherheit der Behandlung betrifft, zeigten sich keine schwerwiegenden Nebenwirkungen über einen Zeitraum von 20 Monaten Therapie mit 19 Verabreichungen.
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„Mit dem Einzug von ASO-Therapien hat ein neues Kapitel der Epileptologie begonnen“, betont Prof. Ingo Borggräfe, Leiter des Pädiatrischen Epilepsiezentrums am LMU Klinikum: „Die erfolgreiche Behandlung setzt große klinische Erfahrung, erhebliche personelle und logistische Ressourcen und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit voraus, was die Ausrichtung unseres Zentrums jetzt und in den nächsten Jahren weiter prägen wird.“
Das Münchner Team und seine Kooperationspartner wollen nun ASOs für weitere seltene neuropädiatrische Erkrankungen entwickeln, eingebettet in kompetente Versorgungsstrukturen und aufbauend auf den gewonnenen Erkenntnissen und der Expertise der beteiligten Forschungsgruppen innerhalb dieses universitätsübergreifenden Netzwerks.
Link: https://idw-online.de/de/news850977
Originalpublikation: Wagner, M., Berecki, G., Fazeli, W. et al. Antisense oligonucleotide treatment in a preterm infant with early-onset SCN2A developmental and epileptic encephalopathy. Nat Med (2025). DOI: https://doi.org/10.1038/s41591-025-03656-0
Funktionsstörung von Mitochondrien beeinflusst die Skelettalterung
Universität zu Köln
Neue Mechanismen aufgedeckt, die zeigen, wie entwicklungsabhängige Störungen der Mitochondrienfunktion zur vorzeitigen Skelettalterung führen / Veröffentlichung in Science Advances
Die Forscher*innen nahmen eine gezielte in vivo Analyse der mitochondrialen Fehlfunktion im Skelettsystem in einem Mausmodell vor. Sie konnten zeigen, dass eine entwicklungsabhängige Beeinträchtigung der mitochondrialen Zellatmung in Knorpelzellen zu einer langfristigen Umstellung des Zellstoffwechsels führt. Als Folge dieser Stoffwechselanpassung verlieren die Zellen langfristig ihre Fähigkeit zur Regeneration und sterben ab, so dass Alterungsprozesse des Skelettsystems beschleunigt werden.
Die Studie fand im Rahmen der Forschungsgruppe FOR2722 statt. Die Forschungsgruppe untersucht die Rolle der extrazellul√§ren Matrix im Bewegungsapparat, dem Teil des Gewebes, der zwischen den Zellen liegt und sie geflechtartig umgibt. Ein Fokus liegt insbesondere auf der Entstehung chronischer entz√ľndlicher und degenerativer Erkrankungen des Bewegungsapparats.
Link: https://idw-online.de/de/news850981 | https://www.science.org/doi/full/10.1126/sciadv.ads1842
Allesfresser? Veganer? Macht keinen Unterschied beim Muskelaufbau nach dem Krafttraining, so eine Studie
In einer neuen Studie wurden drei Fragen zur Muskelproteinsynthese als Reaktion auf eine neuntägige Diät und ein Krafttrainingsprogramm gestellt: Erstens: Macht die Proteinquelle – pflanzlich oder tierisch – einen Unterschied für den Muskelaufbau? Zweitens: Spielt es eine Rolle, ob die tägliche Gesamtproteinaufnahme gleichmäßig über den Tag verteilt ist? Und drittens: Beeinflusst eine moderate, aber ausreichende tägliche Proteinzufuhr eine dieser Variablen? Die Antwort auf alle drei Fragen lautet „Nein“, so die Forscher.
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Die Teilnehmer tranken jeden Tag „schweres“ Wasser, das mit Deuterium, einem stabilen Wasserstoffisotop, markiert war. Die Deuteriumatome „tauschten sich mit Wasserstoffatomen in Aminosäuren aus, um sie schwer zu machen und dienten als Tracer“, die es dem Team ermöglichten, ihren Einbau in das Muskelgewebe zu verfolgen, so Burd. Zu Beginn und am Ende der Studie wurden Gewebeproben aus einem Beinmuskel entnommen.
Burd war zunächst überrascht, dass es keine Unterschiede in den Raten der Muskelproteinsynthese zwischen Veganern und Allesessern gab. Er war auch überrascht zu sehen, dass die Proteinverteilung über den Tag hinweg keine Auswirkungen auf die Geschwindigkeit des Muskelaufbaus hatte, wenn man die Ergebnisse früherer Studien über akute Reaktionen auf Ernährungsmaßnahmen und Krafttraining bedenkt.
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Wenn ihn heute jemand fragt, welche Art von Lebensmitteln für den Muskelaufbau am besten geeignet sind, sagt Burd: „Es ist die Art, die man zu sich nimmt: „Es ist die Art, die man nach dem Training in den Mund nimmt. Solange Sie ausreichend hochwertiges Eiweiß mit der Nahrung zu sich nehmen, macht es keinen Unterschied.
Journal Reference: Andrew T. Askow, Takeshi M. Barnes, Zan Zupancic, Max T. Deutz, Kevin J.M. Paulussen, Colleen F. McKenna, Amadeo F. Salvador, Alexander V. Ulanov, Scott A. Paluska, Jared W. Willard, Steven J. Petruzzello, Nicholas A. Burd. Impact of Vegan Diets on Resistance Exercise-Mediated Myofibrillar Protein Synthesis in Healthy Young Males and Females: A Randomized Controlled Trial. Medicine & Science in Sports & Exercise, 2025; DOI: https://doi.org/10.1249/MSS.0000000000003725
Die Entstehung komplexen Lebens
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Forscher der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und drei weiterer Universitäten fanden heraus, warum Eukaryoten entstanden sind
Lange Zeit war das Leben auf Organismen beschränkt, die aus einfachen prokaryotischen Zellen bestanden – beispielsweise auf Urbakterien, Archaeen genannt. Auch heutige Bakterien sind prokaryotische Zellen, in denen das genetische Material frei im Zellplasma umherschwimmt. Deutlich komplexer dagegen gestalten sich die Zellen von Pilzen, Pflanzen und Tieren. Die Gene sind gut geschützt im Zellkern verpackt, zudem gibt es viele Organellen innerhalb einer größeren Zelle.
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Link: https://idw-online.de/de/news850869
Originalpublikation: Enrique M. Muro, Fernando J. Ballesteros, Bartolo Luque, and Jordi Bascompte
The emergence of eukaryotes as an evolutionary algorithmic phase transition
Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A., 27. März 2025
DOI: 10.1073/pnas.2422968122
https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2422968122