Zum Inhalt springen

W3Punkt-Informationen

Relevantes zu Saluto- und Pathogenese

  • W3punkt-Infos
    • Über den W3Punkt
    • Beiträge einreichen
    • Impressum
    • Datenschutz
  • Medien
    • Newsletter Online-Archiv
    • Aktueller Newsletter als PDF
  • Inhaltsübersicht

W3. Newsletter KW 18 2025

Flammarions Holzstich
Flammarions Holzstich, auch Wanderer am Weltenrand

Risikogruppen für Typ-2-Diabetes auch im höheren Alter identifizierbar

Deutsches Diabetes-Zentrum

Eine aktuelle Studie belegt, dass sich bei Personen ohne Diabetes sechs Risikogruppen für kardiometabolische Komplikationen, die zuvor bei mittleren Altersgruppen identifiziert wurden, auch bei älteren Menschen nachweisen lassen. Die Forschenden des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) zeigten in Kooperation mit Helmholtz Munich zudem, dass es eine besondere Risikogruppe gibt, die sich durch die Kombination von hoher inflammatorischer Last, einem Maß für unterschwellige Entzündungsprozesse, und hohem Risiko für Typ-2-Diabetes und Folgeerkrankungen auszeichnet.

Link: https://idw-online.de/de/news851434

Originalpublikation: Huemer MT, Spagnuolo MC, Maalmi H, Wagner R, Bönhof GJ, Heier M, Koenig W, Rathmann W, Prystupa K, Nano J, Ziegler D, Peters A, Roden M, Thorand B, Herder C. 2025. Phenotype-based clusters, inflammation and cardiometabolic complications in older people before the diagnosis of type 2 diabetes: KORA F4/FF4 cohort study. Cardiovasc Diabetol. 24(1):83. https://doi.org/10.1186/s12933-025-02617-8

 

Prostatakrebs-Therapie: KI-Bildanalyse erkennt Organschäden frühzeitig

Technische Universität München

Einem Team der Technischen Universität München (TUM) ist es gelungen, eine abnehmende Nierenfunktion infolge bestimmter Krebstherapien frühzeitig vorherzusagen. Bereits Monate bevor sich die Nierenfunktion verschlechterte, zeigen die Nieren eine leichte Volumenabnahme. Das stellten die Forschenden anhand von CT-Aufnahmen fest, die sie mit einem KI-gestützten Algorithmus untersuchten. Ähnliche Effekte konnten sie auch für die Milz nachweisen. In Zukunft könnten auf dieser Grundlage Therapien frühzeitig angepasst werden.

Link: https://idw-online.de/de/news851312 | https://www.tum.de/aktuelles/alle-meldungen/pressemitteilungen/details/ki-bildanalyse-erkennt-organschaeden-fruehzeitig

L. Steinhelfer, F. Jungmann et al. “Automated CT Measurement of Total Kidney Volume for Predicting Renal Function Decline after 177Lu Prostate-specific Membrane Antigen–I&T Radioligand Therapy“. Radiology (2025). DOI: https://doi.org/10.1148/radiol.240427

 

Unerwarteter Bakterienstopper

Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

HIRI-Forschende entdecken neuartige Verbindung, die das Wachstum von Tumor-assoziierten Fusobakterien stoppt

Fusobakterien, die zur Mundflora gehören, stehen im Verdacht, das Wachstum von Krebs zu fördern. Wissenschaftler:innen des Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) arbeiten daher an innovativen Strategien, um die Ausbreitung dieser Bakterien zu hemmen. Sogenannte Antisense-Moleküle, die wie programmierbare, zielgenaue Antibiotika wirken könnten, stellen einen vielversprechenden Ansatz dar. In einer Studie gelang es dem Forschungsteam von Jörg Vogel nun, eine Verbindung zu identifizieren, die das Wachstum von fünf Fusobakterienarten zuverlässig stoppt. Die Ergebnisse wurden heute im Fachmagazin mBio veröffentlicht.

Das Mikrobiom im menschlichen Mund setzt sich aus mehr als 700 Bakterienarten aus sieben verschiedenen Stämmen zusammen – darunter auch Fusobacterium nucleatum. Aber nicht nur in der Mundhöhle ist diese Mikrobe zu finden. Sie kann auch andere Bereiche des Körpers besiedeln – insbesondere Tumorgewebe bei Speiseröhren-, Darm- und Brustkrebs. Es gibt Hinweise darauf, dass Fusobacterium nucleatum dort das Tumorwachstum sowie die Metastasenbildung fördert. Die Verbreitung dieser und anderer Fusobakterien gezielt zu hemmen, könnte sich daher positiv auf die Heilungschancen von Krebspatient:innen auswirken. Doch wie lässt sich das erreichen? Diese Frage haben sich Wissenschaftler:innen des Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) in Würzburg, einem Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), gestellt.

„Fusobakterien fanden lange Zeit wenig Beachtung – und das trotz ihrer klinischen Bedeutung“, stellt Jörg Vogel fest, Geschäftsführender Direktor des HIRI und korrespondierender Autor der vorliegenden Studie. „Ein Ziel meiner Arbeitsgruppe am HIRI ist es, Strategien zu untersuchen, die diese Mikroben in Karzinomen gezielt beseitigen können.“

Obwohl herkömmliche Antibiotika in der Lage sind, die Verbreitung von Fusobakterien zu hemmen und dadurch das Tumorwachstum zu verlangsamen, kann ihr langfristiger Einsatz unerwünschte Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Probleme durch eine gestörte Darmflora hervorrufen. Dies liegt daran, dass sie nicht nur schädliche, sondern auch nützliche Bakterien angreifen. Deshalb suchen Wissenschaftler:innen am Würzburger Helmholtz-Institut nach neuen, gezielten Behandlungsmethoden, die diese Risiken vermeiden. In ihrer aktuellen Studie, die sie in mBio, einem Fachmagazin der Amerikanischen Gesellschaft für Mikrobiologie, veröffentlicht haben, konzentrieren sie sich auf Peptidnukleinsäure (PNA, von engl. peptide nucleic acid). Dabei handelt es sich um künstlich hergestellte Moleküle, die DNA oder RNA ähneln. Im Gegensatz zu natürlichen Nukleinsäuren besteht das Rückgrat von PNAs jedoch nicht aus Zucker- und Phosphatgruppen, sondern aus einer proteinartigen Struktur. Diese Struktur, die kurzen Proteinketten – sogenannten Peptiden – ähnelt, verleiht PNAs eine außergewöhnliche Stabilität. Die Basen entsprechen denen in DNA, was es den PNAs ermöglicht, Transkripte gezielt anzusteuern. Als sogenannte Antisense-Moleküle binden PNAs an die komplementäre Boten-RNA (mRNA, von engl. messenger RNA) eines Zielgens und blockieren deren Funktion. Auf diese Weise unterbinden sie die Produktion lebenswichtiger Proteine. Diese gezielte Wirkungsweise positioniert PNAs als potentielle Vertreter einer neuen Generation antibakterieller Wirkstoffe.

Die eingeschleusten Antisense-Moleküle, die gezielt Gene angreifen sollten, konnten das Bakterienwachstum zwar nicht wie angenommen hemmen, allerdings machte das Forschungsteam eine unerwartete Entdeckung: Die Kontrollverbindung FUS79, die nicht auf ein bestimmtes Transkript abzielte, zeigte eine starke Wirkung gegen fünf Fusobakterienstämme, ohne andere getestete Bakterienarten zu beeinflussen. „Das Ergebnis war überraschend, da die Verbindung nicht auf die für Antisense-Nukleinsäureketten erwartete Weise agiert, sondern einen neuen Mechanismus aufweist“, erklärt Valentina Cosi, Erstautorin der Studie und Doktorandin im Labor von Jörg Vogel. „Dieser scheint über Membranstress zu wirken, indem er die Struktur der Zellmembran destabilisiert oder ihre Funktion beeinträchtigt, was jedoch noch genauer untersucht werden muss.“ „Als nächsten Schritt wollen wir den genauen Wirkmechanismus dieser Verbindung entschlüsseln und sie optimieren, um ihre Wirksamkeit noch weiter zu steigern“, ergänzt Jörg Vogel.

…

Link: https://idw-online.de/de/news851323

Originalpublikation: Cosi V, Jung J, Popella L, Ponath F, Ghosh C, Barquist L, Vogel J (2025) An antisense oligomer conjugate with unpredicted bactericidal activity against Fusobacterium nucleatum. mBio, DOI: 10.1128/mbio.00524-25 https://doi.org/10.1128/mbio.00524-25

 

Immer mehr Hochbetagte im Krankenhaus: Ohne Strukturreformen drohen Überlastung und massive Ausgabensteigerungen

Wissenschaftliches Institut der AOK

Die Krankenhäuser in Deutschland müssen in den kommenden Jahren mit weniger Personal eine deutlich steigende Zahl von hochaltrigen Patientinnen und Patienten versorgen. Auf diese doppelte demografische Herausforderung sind die Kliniken bisher nur unzureichend vorbereitet. Das zeigt der aktuelle Krankenhaus-Report 2025 zum Thema „Versorgung Hochbetagter“. …

Link: https://idw-online.de/de/news851375

Originalpublikation: Jürgen Klauber, Jürgen Wasem, Andreas Beivers, Carina Mostert, David Scheller-Kreinsen (Hg.): Krankenhaus-Report 2025. Versorgung Hochbetagter. Springer-Verlag 2025. DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-70947-4

 

„Reborn Articles“: Neue Wege in der Wissenschaft

TIB – Leibniz Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften / TIB – Leibniz Information Centre for Science and Technology

Wie ein einfacher Ansatz die Art und Weise, wie Forschungsergebnisse produziert und kommuniziert werden, verändern könnte: Mit vorhandenen Datenanalyse-Tools können Forscher:innen ihre wissenschaftlichen Ergebnisse nun für Menschen und Maschinen lesbar machen, sodass sie leichter reproduziert und wiederverwendet werden können.

Trotz bedeutender Fortschritte bei digitalen Technologien werden moderne wissenschaftliche Ergebnisse noch immer mit veralteten Methoden kommuniziert. In fast vierhundert Jahren hat sich die wissenschaftliche Literatur von physisch gedruckten Artikeln zu PDFs weiterentwickelt. Das Problem dabei: Diese elektronischen Dokumente sind immer noch textbasiert und daher nicht maschinenlesbar. Ein Computer kann die darin enthaltenen Informationen folglich nicht ohne menschliche Hilfe interpretieren.

Angesichts der Millionen wissenschaftlicher Artikel, die jedes Jahr erscheinen, steigt der Bedarf an maschinengestützter Informationsbeschaffung und -verarbeitung rasant. Die meisten Ansätze setzen darauf, mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) Maschinen darin zu schulen, textbasierte Informationen zu interpretieren – meist mit begrenztem Erfolg.

Vor Kurzem schlug ein Forschungsteam der TIB – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften vor, das Problem aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Warum produzieren wir Wissenschaft nicht in einer Sprache, die die Maschinen bereits verstehen, anstatt zu versuchen, Maschinen unsere Sprache beizubringen? In einem in Scientific Data veröffentlichten Artikel stellt das Team „Reborn Articles“ vor, einen Open-Source-Ansatz, der es Forscher:innen ermöglicht, wissenschaftliche Erkenntnisse in einem maschinenlesbaren Format zu produzieren.

Dr. Markus Stocker, Erstautor und Leiter des Lab Knowledge Infrastructures an der TIB, erklärt: „Viele Wissenschaftler:innen verwenden bereits Datenanalysetools, die Ergebnisse liefern, die Maschinen lesen können. Die Standardmethode zur Veröffentlichung dieser Ergebnisse besteht jedoch darin, sie in einem PDF-Dokument zu organisieren, das Maschinen nicht lesen können. Das bedeutet, dass alle, die diese Ergebnisse wiederverwenden möchten – was der eigentliche Sinn der Veröffentlichung ist – sie zunächst extrahieren und neu strukturieren müssen. Wäre es nicht effizienter, wenn wir Ergebnisse so veröffentlichen könnten, dass auch ihre ursprüngliche Struktur erhalten bleibt? Genau das ermöglichen Reborn Articles.“

Der Ansatz der Reborn Articles funktioniert mit gängigen Datenanalysetools wie R und Python und ermöglicht es Forscher:innen, Ergebnisse zu erzielen, die sowohl von Menschen als auch von Maschinen leicht gelesen werden können. Das bedeutet, dass andere Forscher:innen die Analysen selbst reproduzieren und sogar Reborn-Article-Daten als Excel- oder CSV-Dateien herunterladen können, die ebenfalls maschinenlesbar sind.

Dies mag trivial erscheinen, aber die Hauptalternativen für die Wiederverwendung veröffentlichter Daten sind entweder das zeitaufwändige und fehleranfällige manuelle Kopieren und Einfügen einzelner Werte aus PDF-Artikeln oder die Verwendung KI-basierter Tools, die ungenau sind.

Die derzeitige Fixierung auf KI-basierte Informationsextraktion zu überwinden, war eine Herausforderung, wenn es darum ging, zu erklären, wie dieser Ansatz funktioniert. Wie die Co-Autorin und TIB-Postdoktorandin Dr. Lauren Snyder anmerkt: „KI-basierte Extraktionswerkzeuge sind im Moment ein so heißes Thema. Es scheint, als würde jeder Wissenschaftsbereich nach Möglichkeiten suchen, große Sprachmodelle und andere extraktionsbezogene Ansätze zu nutzen. Obwohl sie in bestimmten Situationen ein leistungsstarkes Werkzeug sein können, frage ich mich, ob es uns nicht insgesamt einen Bärendienst erweist, wenn wir uns zu sehr auf sie konzentrieren. Das ist so, als würde man sein Haus renovieren und versuchen, jede Aufgabe mit Bohrern zu bewältigen – das ergibt einfach keinen Sinn. Ich befürchte, dass wir durch unseren derzeitigen Fokus auf die Informationsextraktion Möglichkeiten verpassen, Tools zu entwickeln, mit denen sich bestimmte Aufgaben effizienter bewältigen lassen. Ich hoffe, dass unsere Arbeit andere dazu inspiriert, über die gängigen Ansätze hinauszudenken.“

Stocker fügt hinzu: „Seit mindestens einem Vierteljahrhundert weisen Menschen auf die Ineffizienz unserer wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung hin. In dieser Zeit hat die KI-basierte Extraktion das Problem nicht gelöst, und wenn wir weiterhin der Meinung sind, dass Extraktion alles ist, was wir tun können, werden wir Mitte des Jahrhunderts vielleicht immer noch mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben. Wenn wir stattdessen schon lange existierende Technologien genutzt hätten, um sicherzustellen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse maschinenlesbar produziert und veröffentlicht werden, hätten wir heute riesige Datenbanken mit organisiertem Wissen. Auch wenn wir vielleicht etwas spät dran sind, ist es nie zu spät, mit bahnbrechenden Ansätzen zu beginnen.“

Die Studie „Rethinking the production and publication of machine-readable expressions of research findings“ erschien als Open-Access-Artikel in Scientific Data. Der vollständige Artikel ist verfügbar unter: https://doi.org/10.1038/s41597-025-04905-0

Die Autorinnen und Autoren sind Markus Stocker, Lauren Snyder, Matthew Anfuso, Oliver Ludwig, Freya Thießen, Kheir Eddine Farfar, Muhammad Haris, Allard Oelen und Mohamad Yaser Jaradeh.

Erkunden Sie die Daten des Reborn Articles in der neuen digitalen Bibliothek ORKG reborn: https://reborn.orkg.org/.

Link: https://idw-online.de/de/news851397

 

Zulassung des ersten Medikaments gegen chronische Lungenerkrankung in Sicht

Medizinische Hochschule Hannover

MHH-Pneumologe untersucht in ASPEN-Studie die Wirkung von Brensocatib bei Bronchiektasen-Erkrankung

Bronchiektasen sind Aussackungen der Bronchien in der Lunge. In ihnen sammelt sich zäher Bronchialschleim, der sich oftmals nur schwer abhusten lässt. Dieser Sekretstau geht mit einer chronischen Atemwegsentzündung einher und bietet den perfekten Nährboden für Bakterien und andere Erreger, die diese wiederum verstärken. Die Folge ist eine chronische, fortschreitende Lungenerkrankung. Die meisten Betroffenen leiden unter ständigem Husten und Auswurf, Atemnot, Müdigkeit, Gewichtsverlust und häufigen Infektionen, die einer Antibiotikatherapie bedürfen. Die Aussackungen sind unwiderruflich, die Erkrankung ist bislang nicht heilbar. Derzeit gibt es auch keinen einheitlichen Behandlungsstandard für Bronchiektasen. Die nationalen und internationalen Richtlinien empfehlen zwar physiotherapeutische Atemtherapie, schleimlösende Mittel und Antibiotika zur Behandlung der Infektionen, aber die Ansätze gehen nicht angemessen auf die chronische Entzündung und das drohende Fortschreiten der Krankheit ein. Ist die Lungenfunktion im Verlauf der Erkrankung irgendwann zu stark eingeschränkt, bleibt nur eine Lungentransplantation als letzte Therapiemöglichkeit.

Hoffnung machen jetzt die Ergebnisse der ASPEN-Studie, der bisher größten weltweiten klinischen Studie zur Bronchiektasen-Erkrankung, an der mehr als 1700 Patientinnen und Patienten teilgenommen haben. Dabei wurde die antientzündliche Wirkung des Prüfpräparats Brensocatib untersucht. Die ASPEN-Studie zeigte, dass Brensocatib als Tablette in den Dosierungen zu zehn und 25 Milligramm die Wahrscheinlichkeit für Verschlechterungen in Schüben, die antibiotisch behandelt werden mussten, um etwa 20 Prozent verringerte. Darüber hinaus verlangsamte die Therapie mit 25 Milligramm Brensocatib die Verschlechterung der Lungenfunktion deutlich und verbesserte so auch die Lebensqualität der Betroffenen. Die Ergebnisse der ASPEN-Studie sind im renommierten „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht worden. Als einziger Wissenschaftler aus Deutschland war Professor Dr. Felix Ringshausen, Oberarzt an der Klinik für Pneumologie und Infektiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und Leiter der Bronchiektasen-Ambulanz an der wissenschaftlichen Veröffentlichung der Studienergebnisse beteiligt. Sein Fazit: „Brensocatib ist der erste Wirkstoff, der die Erkrankung ursächlich behandelt, und wird voraussichtlich das erste Medikament, das zur Therapie der Bronchiektasen-Erkrankung gelassen wird.“ Im Sommer dieses Jahres soll das Medikament in den USA auf den Markt kommen werden. Eine Zulassung in Europa wird voraussichtlich Ende dieses oder zu Beginn des kommenden Jahres erfolgen.

Bronchiektasen können durch angeborene Lungenerkrankungen wie Mukoviszidose oder Primäre Ciliäre Dyskinesie (PCD) entstehen. Viel häufiger entwickeln sie sich jedoch nach schweren Infektionskrankheiten wie einer Lungenentzündung oder Tuberkulose, eines unkontrollierten Asthmas oder aufgrund einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Meist schädigen entzündliche Prozesse die Wände der Bronchien und zerstören das elastische Bindegewebe der Lunge. In der Folge ist die Selbstreinigung der Lunge gestört, die sogenannte mukoziliäre Clearance.

Dieser Kreislauf aus Entzündung, beeinträchtigter mukoziliärer Clearance, struktureller Schädigung der Atemwege und wiederkehrenden Infektionen wird zusätzlich von sogenannten neutrophilen Granulozyten verstärkt. Sie gehören zu den weißen Blutkörperchen und bekämpfen als Teil des Immunsystems Infektionen mit Bakterien. Zu ihren Waffen zählen Enzyme namens Serinproteasen. Bei der Reifung der Granulozyten im Knochenmark werden diese Serinproteasen sozusagen scharf geschaltet. Diese Aufgabe übernimmt das Protein Dipeptidylpeptidase 1 (DDP-1). „Bei chronischen Atemwegsentzündungen wie der Bronchiektasen-Erkrankung schießt die sehr effektive Bakterienpolizei der neutrophilen Granulozyten allerdings über das Ziel hinaus und setzt zu viele Serinproteasen in den Atemweg frei“, erklärt Professor Ringshausen. Diese schädigen dann nicht nur die Krankheitserreger in den Atemwegen, sondern auch die Bronchialwände und das umliegende Lungengewebe. Dadurch funktioniert die körpereigene Lungenreinigung noch schlechter und es entsteht ein unaufhörlicher Teufelskreis aus Entzündung, Schädigung der Atemwege und wiederkehrenden Infektionen, der das Fortschreiten der Bronchiektasen-Erkrankung fördert.

Brensocatib unterbricht diesen Teufelskreis, indem es das Protein DDP-1 blockiert und das Scharfschalten der Serinproteasen abmildert. Der Vorteil: Der Wirkstoff ist ein reversibler Inhibitor, schaltet die Produktion also nicht unwiderruflich aus. „Wird Brensocatib abgesetzt, blockiert es DDP-1 nicht länger, welches dann die Enzyme wieder in vollem Umfang aktivieren und die Bakterienabwehr verstärken kann“, sagt Professor Ringshausen. In der ASPEN-Studie blieben die zusätzlich zur üblichen Therapie mit dem Wirkstoff behandelten Patientinnen und Patienten länger beschwerdefrei als die Kontrollgruppe, die nur ein Placebo, also ein wirkstofffreies Scheinpräparat erhielt. Und auch die Nebenwirkungen hielten sich in Grenzen. Trotz reduzierter Schlagkraft der neutrophilen Granulozyten litten die mit Bensocatib behandelten Patientinnen und Patienten nicht häufiger an bakteriellen Infektionen als die Kontrollgruppe. Lediglich die Fälle von trockener Haut nahmen ein wenig zu. Eine positive Bilanz, betont der Bronchiektasen-Experte: „Brensocatib reduzierte das Risiko für eine Verschlimmerung der Symptome, verlangsamte die Verschlechterung der Lungenfunktion und verbesserte damit überzeugend die Lebensqualität der Betroffenen.“

Link: https://idw-online.de/de/news851400

Originalpublikation: Die Originalarbeit „Phase 3 Trial of the DPP1 Inhibitor Brensocatib in Bronchiectasis“ finden Sie unter https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2411664

 

Internationale Arbeits- und Bürokultur: Ansätze und Praktiken im globalen Vergleich

Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO

Studie des Fraunhofer IAO beleuchtet Erfolgsfaktoren und Trends internationaler Arbeitskulturen

…

Zentrale Erkenntnisse der Studie

  • Vielfalt der Arbeitszeitmodelle: Während in Europa die Vier-Tage-Woche als Schritt zu mehr Work-Life-Balance gefeiert wird, steht in China das 996-Arbeitszeitmodell (72 Stunden pro Woche) symbolisch für eine leistungsorientierte Arbeitskultur, die hohe Produktivität oft über das Wohlbefinden der Beschäftigten stellt.
  • Hybrides Arbeiten: Die Corona-Pandemie hat weltweit zu einem schnellen Wandel hin zu Hybridarbeit geführt. Die Akzeptanz von Homeoffice variiert stark, insbesondere in Ostasien, wo Präsenzarbeit traditionell hochgeschätzt wird.
  • Unterschiedliche Pausenkulturen: In Nordeuropa sind kurze, effiziente Pausen üblich, während in Südeuropa längere Mittagspausen wie die Siesta fest verankert sind. In asiatischen Ländern sind kurze Mittagsschläfchen kulturell anerkannt.
  • Engagement und Motivation: Unterschiede in der Arbeitszufriedenheit und dem Engagement der Mitarbeitenden spiegeln die kulturellen Werte wieder. Während in Europa die Work-Life-Balance im Vordergrund steht, ist in den USA die Arbeit oft zentraler Bestandteil des Lebens.

…

Link: https://idw-online.de/de/news851406 | https://www.iao.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/aktuelles/internationale-arbeits-und-buerokultur-ansaetze-und-praktiken-im-globalen-vergleich.html

 

Geobiologie: Eisen, Schwefel, Hitze – und erstes Leben

Ludwig-Maximilians-Universität München

Die allerersten Zellen gewannen ihre Energie aus geochemischen Reaktionen. Diesen uralten Stoffwechselprozess konnten LMU-Forschende nun in ihrem Labor nachstellen.

…

Die Forschenden schließen aus den Studienergebnissen, dass chemische Reaktionen bei der Ausfällung von Eisensulfid-Mineralen vor etwa vier Milliarden Jahren ausreichend Energie für das Überleben der allerersten Zellen erzeugt haben und damit die Grundlage für den wasserstoffabhängigen Stoffwechsel der ersten Mikroben auf der jungen Erde legten. Somit ist diese Form der hydrogenen Methanogenese auf Basis anorganisch durch chemische Reaktionen entstandenen Wasserstoffs die evolutionär älteste bekannte Form der Energieerzeugung.

…

Link: https://idw-online.de/de/news851421

Originalpublikation: Vanessa Helmbrecht, Robert Reichelt et al.: Simulated early Earth geochemistry fuels a hydrogen-dependent primordial metabolism. Nature Ecology & Evolution, 2025. https://doi.org/10.1038/s41559-025-02676-w

 

Möglichst lange selbstbestimmt wohnen

Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden

Im AAL-Living Lab der HTW Dresden dreht sich alles um Technologien, die älteren, alleinlebenden Menschen helfen, länger in der eigenen Wohnung zu bleiben.

Wie können technologische Neuerungen Menschen dabei unterstützen, auch im hohen Alter und bei Beeinträchtigungen ein selbstständiges Leben im vertrauten Wohnumfeld zu führen? Mit dieser Frage beschäftigt sich das „Smart Co-Care Apartment“ (Ambient Assisted Living-Labor) der Arbeitsgruppe Künstliche Intelligenz & Kognitive Robotik an der Fakultät Informatik/Mathematik der HTW Dresden. In dem Projekt geht es unter anderem darum, digitale Anwendungen in bestehende Pflege- und Versorgungsstrukturen einzubinden und deren Auswirkung auf den Alltag von Bewohnerinnen und Bewohnern, Angehörigen und Pflegedienstleistern zu untersuchen.

…

Link: https://idw-online.de/de/news851427 | https://sinn-sachsen.de/

 

„Arbeitspferde“ für die Forschung: Die meistzitierten Paper des Jahrhunderts

Welche wissenschaftlichen Paper wurden im 21. Jahrhundert bisher am meisten zitiert? Die Antwort überrascht und zeigt, worauf die Forschung angewiesen ist. https://www.heise.de/news/Arbeitspferde-fuer-die-Forschung-Die-meistzitierten-Paper-des-Jahrhunderts-10364448.html

 

Bakterientoxin in der Kindheit könnte die Darmkrebsepidemie bei jungen Menschen auslösen

Ein internationales Team hat einen möglichen mikrobiellen Schuldigen für den alarmierenden Anstieg von Darmkrebs im Frühstadium ausgemacht: ein bakterielles Toxin namens Colibactin. Wissenschaftler berichten, dass die Exposition gegenüber Colibactin in der frühen Kindheit eine eindeutige genetische Signatur auf der DNA der Dickdarmzellen hinterlässt, die das Risiko für Darmkrebs vor dem 50.

In der neuen Studie, die am 23. April in Nature veröffentlicht wurde, wurden 981 Genome von Darmkrebspatienten aus 11 Ländern mit unterschiedlichem Darmkrebsrisiko untersucht, die sowohl früh als auch spät erkrankt waren. Die Ergebnisse zeigen, dass Colibactin bestimmte Muster von DNA-Mutationen hinterlässt, die bei Patienten im Frühstadium (insbesondere bei Erwachsenen unter 40 Jahren) 3,3-mal häufiger vorkommen als bei Patienten, nach dem 70. Diese Mutationsmuster traten auch besonders häufig in Ländern mit einer hohen Inzidenz von Frühfällen auf.

…

Die Folgen sind ernüchternd. Einst als Krankheit älterer Erwachsener betrachtet, ist Darmkrebs heute bei jungen Menschen in mindestens 27 Ländern auf dem Vormarsch. Die Häufigkeit von Darmkrebs bei Erwachsenen unter 50 Jahren hat sich in den letzten 20 Jahren jedes Jahrzehnt ungefähr verdoppelt. Wenn sich die derzeitigen Trends fortsetzen, wird Darmkrebs bis 2030 die häufigste krebsbedingte Todesursache bei jungen Erwachsenen sein.

Bis jetzt waren die Gründe für diesen Anstieg unbekannt. Junge Erwachsene, bei denen Darmkrebs diagnostiziert wird, haben oft keine familiäre Vorbelastung und nur wenige bekannte Risikofaktoren wie Fettleibigkeit oder Bluthochdruck. Das hat Spekulationen über mögliche versteckte Umwelt- oder mikrobielle Belastungen genährt – etwas, das in dieser neuen Studie direkt untersucht wird.

…

Die Analyse des Teams zeigt, dass die schädlichen Auswirkungen von Colibactin früh beginnen. Durch die molekulare Zeitbestimmung jeder in dieser Studie identifizierten Mutationssignatur zeigen die Forscher, dass Colibactin-assoziierte Mutationen früh in der Tumorentwicklung auftreten, was mit früheren Studien übereinstimmt, die zeigen, dass solche Mutationen innerhalb der ersten 10 Lebensjahre auftreten. Die Studie zeigt auch, dass Colibactin-assoziierte Mutationen etwa 15% der sogenannten APC-Treibermutationen – einige der frühesten genetischen Veränderungen, die die Krebsentwicklung direkt fördern – bei Darmkrebs ausmachen.

„Wenn jemand im Alter von 10 Jahren eine dieser Treibermutationen erwirbt“, erklärt Alexandrov, “könnte er dem Zeitplan für die Entwicklung von Darmkrebs um Jahrzehnte voraus sein und im Alter von 40 statt 60 Jahren daran erkranken.

Mit anderen Worten: Colibactin-produzierende Bakterien besiedeln möglicherweise stillschweigend den Dickdarm von Kindern, lösen molekulare Veränderungen in ihrer DNA aus und legen möglicherweise den Grundstein für Darmkrebs, lange bevor irgendwelche Symptome auftreten.

Alexandrov gab zu bedenken, dass ihre Ergebnisse diese Hypothese zwar stark unterstützen, dass aber weitere Forschung notwendig ist, um die Kausalität nachzuweisen.

Diese Arbeit – Teil des Cancer Grand Challenges Teams Mutographs, das von Cancer Research UK finanziert wird – ist der jüngste Meilenstein in einem wachsenden Forschungsbereich, den Alexandrov, Díaz-Gay und Kollegen in den letzten Jahren vorangetrieben haben. Ihre Spezialität ist die Entschlüsselung von DNA-Mutationsmustern, die durch Umwelteinflüsse wie UV-Strahlung und bakterielle Toxine sowie durch Lebensgewohnheiten wie Rauchen und Trinken verursacht werden. Jeder Faktor hinterlässt einen eindeutigen genetischen Fingerabdruck im Genom, eine einzigartige Mutationssignatur, die helfen kann, den Ursprung bestimmter Krebsarten zu bestimmen.

Im Rahmen einer langfristigen Zusammenarbeit zwischen der UC San Diego, der International Agency for Research on Cancer (Frankreich) und dem Wellcome Sanger Institute (Großbritannien), die durch die Finanzierung der Cancer Grand Challenges ermöglicht wurde, hat das Team Mutographs die Mutationsprozesse aufgeklärt, die Speiseröhren-, Nieren- und Kopf-Hals-Krebs weltweit zugrunde liegen. Dieses jüngste Ergebnis zu Darmkrebs erweitert das globale Verständnis der Krebsentstehung durch die Analyse von Mutationssignaturen.

Durch die systematische Katalogisierung dieser Mutationsmuster in Tausenden von Krebsgenomen haben die Forscherinnen und Forscher neue Krebsursachen aufgespürt, die bisher unter dem Radar geflogen sind.

„Nicht jeder Umweltfaktor oder jedes Verhalten, das wir untersuchen, hinterlässt Spuren in unserem Genom“, sagt Alexandrov. „Aber wir haben herausgefunden, dass Colibactin einer von denen ist, die das können. In diesem Fall scheint seine genetische Prägung stark mit Darmkrebs bei jungen Erwachsenen verbunden zu sein.

…

https://today.ucsd.edu/story/childhood-exposure-to-bacterial-toxin-may-be-triggering-colorectal-cancer-epidemic-among-the-young

Journal Reference: Marcos Díaz-Gay, Wellington dos Santos, Sarah Moody, Mariya Kazachkova, Ammal Abbasi, Christopher D. Steele, Raviteja Vangara, Sergey Senkin, Jingwei Wang, Stephen Fitzgerald, Erik N. Bergstrom, Azhar Khandekar, Burçak Otlu, Behnoush Abedi-Ardekani, Ana Carolina de Carvalho, Thomas Cattiaux, Ricardo Cortez Cardoso Penha, Valérie Gaborieau, Priscilia Chopard, Christine Carreira, Saamin Cheema, Calli Latimer, Jon W. Teague, Anush Mukeriya, David Zaridze, Riley Cox, Monique Albert, Larry Phouthavongsy, Steven Gallinger, Reza Malekzadeh, Ahmadreza Niavarani, Marko Miladinov, Katarina Erić, Sasa Milosavljevic, Suleeporn Sangrajrang, Maria Paula Curado, Samuel Aguiar, Rui Manuel Reis, Monise Tadin Reis, Luis Gustavo Romagnolo, Denise Peixoto Guimarães, Ivana Holcatova, Jaroslav Kalvach, Carlos Alberto Vaccaro, Tamara Alejandra Piñero, Beata Świątkowska, Jolanta Lissowska, Katarzyna Roszkowska-Purska, Antonio Huertas-Salgado, Tatsuhiro Shibata, Satoshi Shiba, Surasak Sangkhathat, Taned Chitapanarux, Gholamreza Roshandel, Patricia Ashton-Prolla, Daniel C. Damin, Francine Hehn de Oliveira, Laura Humphreys, Trevor D. Lawley, Sandra Perdomo, Michael R. Stratton, Paul Brennan, Ludmil B. Alexandrov. Geographic and age variations in mutational processes in colorectal cancer. Nature, 2025; DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-025-09025-8

 

Das Antibiotikum, das Borreliose den Garaus macht

Studie zeigt, dass ein spezielles Antibiotikum die Lyme-Borreliose mit einem Bruchteil der Dosis heilt

Piperacillin, ein Antibiotikum aus der gleichen Klasse wie Penicillin, heilte Mäuse wirksam von Borreliose, und zwar mit einer Dosis, die 100-mal niedriger war als die wirksame Dosis von Doxycyclin, der derzeitigen Standardbehandlung. Bei einer so niedrigen Dosis hatte Piperacillin außerdem den zusätzlichen Vorteil, dass es „praktisch keine Auswirkungen auf die ansässigen Darmmikroben hat“.

Die Lyme-Borreliose, eine Krankheit, die durch Zecken übertragen wird, die sich von infizierten Tieren wie Hirschen und Nagetieren ernähren und dann Menschen beißen, betrifft jährlich fast eine halbe Million Menschen in den USA. Selbst in akuten Fällen kann die Lyme-Borreliose verheerend sein. Eine frühzeitige Behandlung mit Antibiotika kann jedoch verhindern, dass sich chronische Symptome wie Herz- und neurologische Probleme oder Arthritis entwickeln.

Doxycyclin und andere generische Antibiotika hingegen richten im Mikrobiom großen Schaden an, indem sie nützliche Bakterien im Darm abtöten und beunruhigende Nebenwirkungen verursachen, obwohl sie die Borrelien, die Lyme verursachen, abtöten. Abgesehen von den negativen Auswirkungen auf den Darm hilft Doxycyclin auch 10 bis 20 % der Menschen nicht, die es einnehmen, und es ist nicht für kleine Kinder zugelassen, bei denen das Risiko eines Zeckenbisses und damit einer Borreliose-Erkrankung am höchsten ist.

Da der Klimawandel die Zeckensaison verlängert und Lyme immer häufiger auftritt, sind wirksamere oder zumindest spezifischere Behandlungsmöglichkeiten erforderlich.

…

Die Autoren argumentieren, dass Piperacillin, das bereits von der FDA als sicheres Mittel zur Behandlung von Lungenentzündungen zugelassen ist, auch ein Kandidat für präventive Maßnahmen sein könnte, bei denen jemand, der potenziell mit Lyme infiziert ist (mit einem bekannten Hirschzeckenbiss), eine Einzeldosis des Medikaments erhält.

Um zu dem Schluss zu kommen, dass der Penicillin-Verwandte die wirksamste und zielgerichtetste Behandlung wäre, untersuchte das Team fast 500 Medikamente in einer Medikamentenbibliothek und nutzte ein molekulares System, um mögliche Wechselwirkungen zwischen Antibiotika und den Borrelien zu verstehen. Sobald die Gruppe eine kurze Liste mit potenziellen Wirkstoffen hatte, führte sie zusätzliche physiologische, zelluläre und molekulare Tests durch, um Verbindungen zu identifizieren, die keine Auswirkungen auf andere Bakterien hatten.

Sie fanden heraus, dass Piperacillin ausschließlich das ungewöhnliche Zellwandsynthesemuster der Lyme-Bakterien stört und das Bakterium so am Wachstum oder an der Teilung hindert, was schließlich zum Tod des Bakteriums führt.

In der Vergangenheit wurde Piperacillin als Teil eines Zwei-Wirkstoff-Cocktails zur Behandlung schwerer Streptokokken-Infektionen verabreicht, weil Streptokokken Beta-Lactame (die Antibiotikaklasse von Piperacillin) abbauen können, wenn sie nicht gleichzeitig mit Tazobactam behandelt werden, einem Hemmstoff des Enzyms, das Piperacillin inaktiviert. Jutras fragte sich, ob die Verwendung dieser beiden Medikamente anstelle von Piperacillin allein die Bakterien wirksamer abtöten würde.

„Bakterien sind schlau“, sagte Jutras. „Streptokokken und einige andere Bakterien bekämpfen Antibiotika, indem sie Beta-Laktamasen absondern, die Piperacillin inaktivieren. Wir haben herausgefunden, dass dieser Ansatz im Zusammenhang mit der Borreliose völlig irrelevant ist und Piperacillin auf andere Weise spezifischer macht. Die Zugabe des Beta-Lactamase-Hemmers verbessert die Therapie nicht, weil Lyme-Borrelien keine Beta-Lactamase produzieren, aber der Cocktail wirkt sich negativ auf das Mikrobiom aus, indem er sich gegen nützliche Bewohner ausbreitet.“

…

https://news.northwestern.edu/stories/2025/04/the-antibiotic-that-takes-the-bite-out-of-lyme/

Journal Reference: Maegan E. Gabby, Abey Bandara, L. M. Outrata, Osamudiamen Ebohon, Saadman S. Ahmad, Jules M. Dressler, Mecaila E. McClune, Rebecca N. Trimble, Lainey Mullen, Brandon L. Jutras. A high-resolution screen identifies a preexisting beta-lactam that specifically treats Lyme disease in mice. Science Translational Medicine, 2025; 17 (795) DOI: https://doi.org/10.1126/scitranslmed.adr9091

Übersicht: THERAPIE DER LYME-BORRELIOSE des Arznei-telegramms

 

ATP verhindert die schädliche Aggregation von Proteinen, die mit Parkinson und ALS in Verbindung gebracht werden

Auch wenn ein umfassendes Allheilmittel für diese neurologischen Erkrankungen unwahrscheinlich ist, machen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Fortschritte beim Verständnis ihrer grundlegenden Eigenschaften, in der Hoffnung, kognitive und motorische Beeinträchtigungen verhindern oder lindern zu können. Forscherinnen und Forscher haben jetzt herausgefunden, dass ATP, das gemeinhin als „Treibstoff“ für unsere Zellen gilt, eine überraschende Rolle bei neurodegenerativen Erkrankungen spielt.

…

Wir haben herausgefunden, dass ATP die Proteinkondensation und die Gesamtviskosität des Zytoplasmas in Neuronen reguliert“, sagt Dr. Laurent Guillaud, Hauptautor der Studie. Wenn das Zytoplasma in Axonen – oder das Axoplasma – zähflüssiger ist, neigen Proteine eher dazu, zu verklumpen, was zu schädlichen Verklumpungen führen kann, die die Zellen schädigen. „In In-vitro- und In-vivo-Versuchen haben wir herausgefunden, dass die Steigerung der ATP-Produktion die Viskosität des Zytoplasmas in den betroffenen Zellen verringert, wodurch bereits bestehende und zukünftige pathologische Proteinaggregationen aufgelöst werden.

Bei vielen neurodegenerativen Erkrankungen ist ein gemeinsames Symptom die Bildung und Anhäufung von unlöslichen, membranlosen Proteinkondensaten durch einen Prozess, der als Flüssig-Flüssig-Phasentrennung bekannt ist. Diese Proteinaggregate können sich sowohl innerhalb als auch später außerhalb der Zellen ansammeln. Bei der Alzheimer-Krankheit im Spätstadium können sie zum Beispiel als neurofibrilläre Knäuel auftreten.

Jüngste Forschungen haben gezeigt, dass ATP eine direkte Rolle bei der Regulierung der Proteinauflösung in vitro und der zytoplasmatischen Viskosität in Hefezellen spielen kann, indem es als wichtiger hydrotroper Wirkstoff fungiert: eine Verbindung, die die Löslichkeit anderer, schlecht wasserlöslicher Substanzen – einschließlich verschiedener Proteine – erhöht. In ihren In-vitro- und In-vivo-Experimenten an menschlichen Stammzellen gesunder Neuronen sowie an Neuronen von Parkinson- und ALS-Patienten beobachtete das Team nun einen direkten Zusammenhang zwischen der intrazellulären ATP-Konzentration und der Löslichkeit des Axoplasmas und von Proteinen, die normalerweise mit neurodegenerativen Erkrankungen in Verbindung gebracht werden, wie SNCA bei Parkinson, Tau bei Alzheimer und TDP-43 bei ALS.

„Säugetierzellen haben normalerweise eine durchschnittliche ATP-Konzentration von vier bis acht Millimol, was überraschend hoch ist, da die Gesamtkonzentration von ATP, die für alle Energieprozesse in der Zelle benötigt wird, nur einige hundert Mikromol beträgt – eine Größenordnung niedriger. Das hat uns dazu veranlasst, uns auf die mögliche hydrotropische Rolle von ATP in Neuronen zu konzentrieren und diese zu untersuchen. Dabei haben wir eine bemerkenswerte Korrelation zwischen der intrazellulären ATP-Konzentration und der axoplasmatischen Viskosität sowohl unter physiologischen als auch pathologischen Bedingungen festgestellt“, erklärt Dr. Guillaud. Die Forscher haben zum Beispiel gezeigt, dass unter physiologischen Bedingungen lokale ATP-Schwankungen auch die Viskosität des Zytosols, der synaptischen Vesikel und der aktiven Zonen im präsynaptischen Kompartiment beeinflussen und so die funktionelle Organisation der Synapse verändern können.

ATP wird größtenteils von den Mitochondrien produziert, und die Funktionen der Mitochondrien und die Rate der ATP-Synthese nehmen im Laufe des Lebens natürlich ab. Probleme entstehen, wenn andere Faktoren die Gesundheit der Mitochondrien negativ beeinflussen, wie z. B. bei der Parkinson-Krankheit oder ALS, was zu einer weiteren Verringerung der ATP-Konzentration führen kann, wodurch die Löslichkeit von Proteinen abnimmt und das Zytoplasma zähflüssiger wird. In ihren Experimenten fanden die Forscher heraus, dass die Ankurbelung der ATP-Produktion mit NMN die zytosolische Fluidität wiederherstellte, indem bestehende Proteinaggregate in den Axonen von ALS-Neuronen aufgebrochen und gelöst wurden.

Die Erforschung neurodegenerativer Erkrankungen ist aufgrund ihrer Vielschichtigkeit sehr komplex, und obwohl wir von einer umfassenden Heilung noch weit entfernt sind, haben die von den Forschern berichteten Schlüsselergebnisse wichtige Auswirkungen auf unser Verständnis der zellulären Mechanismen dieser Krankheiten und bringen uns der Möglichkeit näher, diese schwächenden neurodegenerativen Störungen eines Tages umfassend zu verhindern oder zu behandeln.

https://www.oist.jp/news-center/news/2025/4/24/atp-prevents-harmful-aggregation-proteins-associated-parkinsons-and-als

Journal Reference: Laurent Guillaud, Anna Garanzini, Sarah Zakhia, Sandra De la Fuente, Dimitar Dimitrov, Susan Boerner, Marco Terenzio. Loss of intracellular ATP affects axoplasmic viscosity and pathological protein aggregation in mammalian neurons. Science Advances, 2025; 11 (17) DOI: https://doi.org/10.1126/sciadv.adq6077

 

Neue Studie zeigt, dass B-Zellen für den Langzeitimpfschutz entscheidend sind

Forscherinnen und Forscher haben eine entscheidende, bisher unterschätzte Rolle der B-Zellen für den Impfschutz aufgedeckt. B-Zellen sind vor allem für die Produktion von Antikörpern bekannt, steuern aber auch andere Immunzellen, insbesondere CD8-T-Zellen, und bringen ihnen bei, wie sie sich nach der Impfung dauerhaft schützen können.

Neue Studie zeigt, dass B-Zellen für den Langzeitimpfschutz entscheidend sind

Forscherinnen und Forscher haben eine entscheidende, bisher unterschätzte Rolle der B-Zellen für den Impfschutz aufgedeckt. B-Zellen sind vor allem für die Produktion von Antikörpern bekannt, steuern aber auch andere Immunzellen, insbesondere CD8-T-Zellen, und bringen ihnen bei, wie sie sich nach der Impfung dauerhaft schützen können.

„Stellen Sie sich CD8 T-Zellen als Feuerwehrmänner vor“, sagt der Hauptautor Jared Klarquist, PhD, Assistant Research Professor für Immunologie und Mikrobiologie an der University of Colorado School of Medicine. „B-Zellen lehren die Feuerwehrleute, wie sie sich verhalten sollen. Ohne sie stürzen sich die Neulinge hinein, kämpfen hart und geben dann auf. Sie bewahren nichts für das nächste Feuer auf.“

Die Studie ergab, dass CD8-T-Zellen ohne B-Zellen zu früh übermäßig aktiv werden, schnell ausbrennen und sich nicht zu Gedächtniszellen entwickeln, die langfristigen Schutz bieten. Diese Entdeckung wirft ein Licht auf die Frage, warum manche Menschen nach einer Impfung keine starke Immunität aufbauen, insbesondere wenn sie Behandlungen erhalten, die die B-Zellen schwächen.

Mehr als 350.000 Menschen wurden zum Beispiel mit Ocrelizumab behandelt, einem Medikament, das B-Zellen abbaut. Es wird häufig zur Behandlung von Krankheiten wie Multipler Sklerose, Lupus und bestimmten Krebsarten eingesetzt, kann aber auch die langfristige Wirksamkeit von Impfstoffen schwächen.

„Diese Patienten haben nicht nur Schwierigkeiten, Antikörper zu bilden“, sagt Klarquist. „Ihre CD8-T-Zellen sind auch weniger effektiv, weil ihnen die entscheidende Anleitung durch die B-Zellen fehlt“.

Eines der Schlüsselmoleküle, die an diesem Immuntraining beteiligt sind, heißt FOXO1. Es hält die CD8-T-Zellen in einem „lernbereiten“ Zustand. Wenn die B-Zellen fehlen, sinkt der FOXO1-Spiegel und die T-Zellen entwickeln sich nicht zu dauerhaften Gedächtniszellen.

„In Anlehnung an die Feuerwehr sind Impfstoffe wie eine Feuerwehrübung, die dem Immunsystem beibringen soll, wie man ein echtes Feuer – eine Infektion – bekämpft“, sagt Klarquist. „Aber ohne B-Zellen bleibt diese Lektion nicht hängen.“

Die Ergebnisse könnten künftige Impfstrategien beeinflussen, insbesondere für immungeschwächte Personen. Die Forscher schlagen vor, Impfstoffe zeitlich an B-Zellen-depletierende Behandlungen anzupassen, Inhaltsstoffe hinzuzufügen, die B-Zellen-Signale imitieren, oder den Prozess der Gedächtnisbildung durch CD8-T-Zellen direkt zu fördern.

„Wir empfehlen Patienten, die diese wirksamen Behandlungen erhalten, nach wie vor, sich impfen zu lassen – es gibt eindeutige Hinweise darauf, dass sie immer noch einen gewissen Schutz bieten. Unser Ziel ist es, auf dieser Grundlage aufzubauen und Wege zu finden, um diesen Schutz zu verstärken und länger aufrechtzuerhalten“, sagt Klarquist.

Der nächste Schritt des Teams besteht darin, herauszufinden, wie genau B-Zellen mit T-Zellen kommunizieren. Eine Möglichkeit sind Signalproteine, sogenannte Zytokine. Die Vervielfältigung oder Verstärkung dieser Signale könnte es Patienten ermöglichen, auch ohne funktionierende B-Zellen eine starke Immunität aufzubauen.

Diese Forschung vertieft nicht nur das Verständnis der Wissenschaftler für die Funktionsweise von Impfstoffen, sondern könnte auch die Art und Weise verändern, wie Impfungen bei Patienten mit Immunproblemen durchgeführt werden, und möglicherweise die Wirksamkeit der Impfung für mehr Menschen verbessern.

https://news.cuanschutz.edu/news-stories/b-cells-found-to-be-crucial-for-long-term-vaccine-protection-new-study-shows

Journal Reference: Cameron Manes, Miguel Guerrero Moreno, Jennifer Cimons, Marc A. D’Antonio, Tonya M. Brunetti, Michael G. Harbell, Sean Selva, Christopher Mizenko, Tyler L. Borko, Erika L. Lasda, Jay R. Hesselberth, Elena W.Y. Hsieh, Michael R. Verneris, Amanda L. Piquet, Laurent Gapin, Ross M. Kedl, Jared Klarquist. B cells shape naïve CD8 T cell programming. Journal of Clinical Investigation, 2025; DOI: https://doi.org/10.1172/JCI190106

 

Dresdner Hochschulmedizin: Neue Zelltherapie zeigt vielversprechende Ergebnisse bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen

Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT/UCC) Dresden

Einer internationalen Forschungsgruppe unter Führung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT/UCC) Dresden ist es mit einer neuartigen Zelltherapie nun erstmals gelungen, in einer klinischen Phase-1-Studie einen Ansatz zu erproben, der auch bei soliden Tumoren erfolgversprechend ist. Die Ergebnisse wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Nature Medicine veröffentlicht.

…

Die Forschungsgruppe untersuchte in einer Phase-1-Studie bei 40 Patientinnen und Patienten die Anwendung von sogenannten T-Zell Rezeptor-modifizierten T-Zellen. Ihnen wurde mittels gentechnischer Verfahren eine Art Zielvorrichtung zur Erkennung von Tumor-spezifischen Eiweißen eingebaut. Die nun getestete Therapie namens IMA203 richtet sich gegen das Eiweiß PRAME, welches nahezu ausschließlich von Tumoren nicht aber von gesundem Gewebe gebildet wird. Dadurch können die T-Zellen Tumorzellen gezielt attackieren, ohne normale Zellen zu schädigen. PRAME wird von vielen Tumoren wie dem schwarzen Hautkrebs, Eierstockkrebs aber auch Sarkomen und Lungenkrebs gebildet.

Gut die Hälfte der behandelten Personen, bei denen Standardtherapien zuvor keine Wirkung gezeigt hatten, sprach auf die Therapie an. Die Mehrzahl von ihnen sogar über einen Zeitraum von acht Monaten oder jahrelang. Im Vergleich mit einer Chemotherapie, deren Wirkung meist drei bis sechs Monate anhält, ist dies ein deutlicher Behandlungsfortschritt. Die Zelltherapie war darüber hinaus gut verträglich. Nebenwirkungen, wie Fieber oder Hautausschlag fielen meist milde bis mäßig aus und waren nur vorübergehend.

„Anhand dieser Ergebnisse können wir von einem Durchbruch sprechen“, sagt Prof. Martin Wermke, Leiter und Erstautor der Studie: „Erstmals haben wir bei wirklich häufigen soliden Tumoren ein dauerhaftes Ansprechen erreicht. Dabei geht die Wirksamkeit von IMA203 weit über das hinaus, was wir mit unseren derzeitigen Chemo- und Immuntherapien erreichen können. Es sprechen nicht nur deutlich mehr Erkrankte auf die Behandlung an, die Wirkung ist von viel längerer Dauer. Wir haben mittlerweile Patientinnen und Patienten, die mehr als zwei Jahre nach IMA203 keinen Rückfall ihrer Tumorerkrankung haben. Möglicherweise konnten einige sogar dauerhaft von ihrer Krebserkrankung geheilt werden.“

„Zelltherapien gehören quasi zur DNA des Dresdner Universitätsklinikums“ ergänzt Prof. Martin Bornhäuser, Direktor der Medizinischen Klinik I und des NCT/UCC Dresden. Er hatte vor mehr als zwei Jahrzehnten mit dem Aufbau des Zelltherapieprogramms an der Hochschulmedizin Dresden begonnen: „Die Infrastruktur, die wir über viele Jahre vor allem für Patientinnen und Patienten mit Blut- und Lymphdrüsenkrebs entwickelt haben, wird uns in Zukunft helfen, innovative Zelltherapien wie IMA203 möglichst vielen Menschen anbieten zu können, die an soliden Tumoren erkrankt sind.“

In einem nächsten Schritt könnte IMA203 in einer größeren Studie bei Patientinnen und Patienten mit schwarzem Hautkrebs angewendet werden, die auf herkömmliche Immun- und zielgerichtete Therapien nicht angesprochen haben. Weitere Zelltherapien werden für anderen Hautkrebserkrankungen bzw. Lungenkrebs am NCT/UCC Dresden erprobt.

Link: https://idw-online.de/de/news851150

Originalpublikation: Nature Medicine „Autologous T cell therapy for PRAME+ advanced solid tumors in HLA-A*02+ patients: a phase 1 trial“: https://doi.org/10.1038/s41591-025-03650-6

 

Neuer Weg zur Vorbeugung von Zwölffingerdarmkrebs / Zusammenhang zwischen Immunzellen und Duodenalkarzinom entdeckt

Universitätsklinikum Bonn

Menschen mit der Erbkrankheit Familiäre Adenomatöse Polyposis (FAP) haben ein stark erhöhtes Risiko an einem bösartigen Tumor des Zwölffingerdarms zu erkranken. Forschende des Universitätsklinikums Bonn (UKB) und des Exzellenzclusters ImmunoSensation2 der Universität Bonn entdeckten nun einen Mechanismus im lokalen Immunsystem, der die Entstehung von Krebs vorantreiben kann. Sie sehen darin einen vielversprechenden neuen Ansatz zur Vorbeugung eines Duodenalkarzinoms bei Menschen mit FAP. Die Ergebnisse sind jetzt im Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht.

Die Familiäre Adenomatöse Polyposis (FAP) ist eine Erbkrankheit, die neben einem hohen Risiko für Darmkrebs, auch ein stark erhöhtes Risiko Zwölffingerdarmkrebs, fachsprachlich Duodenalkarzinom, mit sich bringt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es lediglich die engmaschige endoskopische Kontrolle mit Entfernung der Vorstufen, die so genannten Polypen, was allerdings auch mit einem erhöhten Risiko verbunden ist. „Doch spezifische vorbeugende Therapien existieren nicht“, sagt Co-Letztautor Dr. Benjamin Krämer, wissenschaftlicher Leiter des Labors für angeborene zelluläre Immunologie am UKB. „Da der Schweregrad der Erkrankung selbst bei Trägern der gleichen Genmutation stark variiert, wird nach weiteren Faktoren, die die Krankheitsentwicklung beeinflussen, gesucht – und das lokale Immunsystem rückt dabei in den Fokus.“

Die Bonner Forschenden haben nun entdeckt, dass bestimmte Zellen des angeborenen Immunsystems, die sogenannten Typ-3 angeborenen lymphoiden Zellen (ILC3), in deutlich erhöhter Anzahl im Duodenum von FAP-Betroffenen vorkommen. „Diese Zellen fanden wir vermehrt in der Schleimhaut, insbesondere in der Nähe von Polypen und Krebsbereichen“, sagt Co-Letztautor Dr. Robert Hüneburg, Oberarzt der Medizinischen Klinik I und am Nationalen Zentrum für erbliche Tumorerkrankungen am UKB.

Die Bonner Forschungsergebnisse liefern Hinweise darauf, wie diese Immunzellen zur Krebsentstehung beitragen könnten: Sie produzieren einen Botenstoff namens Interleukin-17A (IL-17A). „Dieser Botenstoff scheint Darmzellen dazu anzuregen, vermehrt schädliche Moleküle zu produzieren, die als reaktive Sauerstoffspezies, kurz ROS, bekannt sind. Hohe Konzentrationen dieser ROS können das Erbgut in den Zellen schädigen“, sagt Erstautorin Dr. Kim Melanie Kaiser, die bis vor kurzem als Doktorandin im Exzellenzcluster ImmunoSensation² der Universität Bonn forschte. Solche Schäden der DNA, dem Träger der Erbinformationen, sind ein bekannter Faktor, der die Entstehung von Krebs vorantreiben kann.

„Unsere Erkenntnisse legen nahe, dass die erhöhte Anzahl von Interleukin-17A-produzierenden ILC3 im Duodenum ein lokales Umfeld schafft, das die Krebsentstehung bei FAP-Betroffenen begünstigt“, sagt Co-Letztautor Prof. Dr. Jacob Nattermann vom Labor für angeborene zelluläre Immunität, stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik I und Oberarzt am Nationalen Zentrum für erbliche Tumorerkrankungen am UKB. Er ist zudem Mitglied im Exzellenzcluster ImmunoSensation² und in dem Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life & Health“ der Universität Bonn. „Daher könnte die gezielte Beeinflussung dieser Immunzellen oder insbesondere die Blockade des Botenstoffs IL-17A direkt im Duodenum einen vielversprechenden neuen Ansatz zur Vorbeugung von Duodenalkarzinoms bei Menschen mit FAP darstellen und eine dringend benötigte Therapieoption neben der reinen endoskopischen Überwachung bieten.“

Link: https://idw-online.de/de/news851160

Originalpublikation: Kim M. Kaiser et al.: IL-17A-producing NKp44(-) group 3 innate lymphoid cells accumulate in Familial 2 Adenomatous Polyposis duodenal tissue; Nature Communications; DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-025-58907-y

 

Immunzellen treiben angeborene Lähmungs-Erkrankung

Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Menschen mit einer spastischen Paraplegie Typ 15 entwickeln in ihrer Jugend Bewegungsstörungen, die sie in den Rollstuhl zwingen können. Im Frühstadium dieser seltenen Erbkrankheit scheint eine starke Aktivierung des Immunsystems im Gehirn eine zentrale Rolle zu spielen. In diese Richtung deuten zumindest aktuelle Ergebnisse aus Maus-Experimenten, die nun im Journal of Experimental Medicine erschienen sind. Die Studie entstand unter Federführung der Universität Bonn und des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). Die Erkenntnisse könnten auch für andere neurodegenerative Erkrankungen wie die Alzheimer-Demenz relevant sein.

Bei der spastischen Paraplegie Typ 15 gehen Neuronen im Gehirn zugrunde, die für die Bewegungssteuerung verantwortlich sind. Die ersten Symptome treten meist in der späten Kindheit auf. Zuerst zeigen sie sich in den Beinen, wo sie sich in der Regel in unkontrollierten Zuckungen und Lähmungserscheinungen manifestieren. „Wodurch der Untergang der Hirnzellen hervorgerufen wird, ist noch nicht genau bekannt“, erklärt Prof. Dr. Elvira Mass vom LIMES-Institut der Universität Bonn. „Unsere Studie wirft nun einen Blick auf die Rolle, die das Immunsystem dabei spielen könnte.“

Auslöser ist ein Defekt im sogenannten SPG15-Gen. Es enthält die Bauanleitung für ein Protein, das aufgrund des Fehlers nicht mehr hergestellt werden kann.

Die Forschenden nutzten für ihre Experimente Mäuse, die denselben Gendefekt hatten. „Es gab schon vorher Hinweise darauf, dass entzündliche Prozesse im Gehirn zur Krankheitsentstehung beitragen“, erklärt Beyer. „Wir haben uns daher einerseits die Immunzellen des Gehirns angesehen, die sogenannten Mikroglia. Andererseits haben wir untersucht, ob auch Immunzellen des Knochenmarks an der Entzündungsreaktion beteiligt sind.“

Im Knochenmark werden die weißen Blutkörperchen gebildet – eine Sammlung verschiedener Abwehrzellen, die bei der Bekämpfung von Erkrankungen im Körper eine wichtige Rolle spielen. Sie können mit dem Blut auch ins Gehirn gelangen. Die Mikroglia wandern dagegen bereits im Laufe der Embryonalentwicklung dorthin ein. Den Forschenden gelang es, ausschließlich die Knochenmark-Zellen mit einem Fluoreszenz-Farbstoff zu markieren. „So ließen sie sich unter dem Mikroskop von den Mikroglia unterscheiden“, erklärt Mass. „Dadurch konnten wir das Zusammenspiel dieser beiden Zellpopulationen auf Einzelzell-Ebene untersuchen.“

Die Analysen zeigen, dass sich die Mikroglia-Zellen schon sehr früh im Laufe der Erkrankung massiv verändern – lange bevor die ersten neuronalen Schäden feststellbar sind. Sie wandeln sich dabei zu „krankheitsassoziierten Mikroglia“ um. Diese geben Botenstoffe ab, mit denen sie unter anderem sogenannte zytotoxische T-Zellen aus dem Knochenmark zur Hilfe rufen. Dabei handelt es sich um zelluläre „Killer“, die andere Zellen zerstören können. Beide Zellen tauschen sich über Signalmoleküle miteinander aus. Dieses Wechselspiel ist es, das den Entzündungsprozess vorantreibt.

„Unsere Daten deuten darauf hin, dass nicht der Verlust der motorischen Nervenzellen selbst, sondern die frühe und massive Immunaktivierung die Frühphasen der Erkrankung bestimmt“, betont Mass. „Das eröffnet auch neue therapeutische Perspektiven. So ist es denkbar, durch Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken, eventuell den Krankheitsverlauf zu bremsen.“

…

Link: https://idw-online.de/de/news851177

Originalpublikation: Alexander Frolov et al.: Microglia and CD8+ T cell activation precede neuronal loss in a murine model of spastic paraplegia 15; Journal of Experimental Medicine; DOI: https://doi.org/10.1084/jem.20232357

Beitrags-Navigation

Vorheriger BeitragW3. Newsletter KW 17 2025
Nächster BeitragRelevantes zu Saluto- und Pathogenese, Newsletter KW 19 2025
!BCDEF?HIJKL


W3Punkt.de - Logo 

Die letzten Post­ings

Newsletter-Archiv

  • Die Bedeutung des mensch­lichen Mikro­bioms für die mentale Gesund­heit

  • Neue Darm­mikrobe produ­ziert Schwefel­wasserstoff und schützt so vor Krankheits­erregern

  • Immun­kompetenz:
    Du bist, was du isst

  • Die körper­eigene Ab­wehr hält sich selbst in Schach

  • Relevantes zu Saluto- und Patho­genese

  • Manche Eingeweide sind besser als andere wenn es darum geht Energie zu ernten

  • Entstehung von Darm­krank­heiten besser verstehen

  • Schmerz­empfind­liche Darm­neuro­nen schützen vor Entzün­dungen

  • Wie sich der Dünn­darm gegen Bakterien wehrt

Häufig aufgerufen

  • Immun­kompetenz:
    Du bist, was du isst
    (625)
  • Neue Darm­mikrobe produ­ziert Schwefel­wasserstoff und schützt so vor Krankheits­erregern (569)
  • Die Bedeutung des mensch­lichen Mikro­bioms für die mentale Gesund­heit (509)

Aktualisiert

  • Neue Darm­mikrobe produ­ziert Schwefel­wasserstoff und schützt so vor Krankheits­erregern 4. Oktober 2024
  • Die Bedeutung des mensch­lichen Mikro­bioms für die mentale Gesund­heit 24. April 2024
  • Corona­virus/COV­ID-19: Die FAQ der BZgA 25. Januar 2024
  • Manche Eingeweide sind besser als andere wenn es darum geht Energie zu ernten 6. Januar 2024
  • Sicherheit und effekt­ivität kognitiv leistungs­steigernder Medika­mente im Test bei Alz­heimer Demenz 13. Oktober 2023

Begleitende Informa­tionen

  • Ausblicke auf Wissensbiotope aktueller Forschung
  • Beitragen
  • Datenschutz­erklärung
  • Impressum
  • Inhaltsüber­sicht
  • Quizfragen
  • Über den W3punkt
  • W3punkt-Newsletter-Abo

Social Media:

  • teilen 
  • teilen 
  • Pocket 
  • teilen 
  • E-Mail 
  • merken 
  • spenden 

Die Website durchsuchen

Die Schriftgröße ändern

  • 90%  100%  110%  120%  

RSS-Feeds       

RSS-Feed-Icon

RSS-Feed-Icon

RSS-Feed-Icon

Der Redakteur

Gravatar von Epiphanius Harald Wenzel

Redakteur Wenzel

Epiphanius Harald Wenzel, publiziert und repliziert Artikel mit Bezug auf jüngere wissenschaftliche Arbeiten. Er ist hier Herausgeber, Chefredakteur, Redakteur, Autor, Administrator und Webdesigner. Auf Mastodon

Mein Newsletter

Aktueller Newsletter als PDF
Newsletter Online
Newsletter Abo
Hier ohne Kommentar-Option
W3Punkt-Informationen | Relevantes zu Saluto- und Pathogenese