Zum Inhalt springen

W3Punkt-Informationen

Relevantes zu Saluto- und Pathogenese

  • W3punkt-Infos
    • Über den W3Punkt
    • Beiträge einreichen
    • Impressum
    • Datenschutz
  • Medien
    • Newsletter Online-Archiv
    • Aktueller Newsletter als PDF
  • Inhaltsübersicht

W3. Newsletter: Relevantes zu Saluto- und Pathogenese, KW 21 2025

Flammarions Holzstich
Flammarions Holzstich, auch Wanderer am Weltenrand

Live verfolgt: Wie Stress Krebszellen über Generationen verändert

Universität Zürich

Krebszellen reagieren auf Stress mit mehr Diversität. Wirkstoffe, die vor der Zellteilung die DNA-Verdoppelung stören, oder Strahlung, die DNA-Schäden verursacht, führen über Generationen hinweg zu immer unterschiedlicheren Tochterzellen. Das erhöht die genetische Komplexität des Tumors und die Resistenzbildung gegen Therapien. UZH-Forschende untersuchten das Entstehen von zellulärer Vielfalt nun in Echtzeit.

Zellen sind die kleinsten Einheiten des Lebens. Doch auch im selben Gewebe oder Organ sind sie nicht alle identisch. Im Zuge der Zellteilungen entstehen laufend neue Variationen. Während bei genetischen Mutationen die DNA-Sequenz verändert wird, beeinflussen epigenetische Veränderungen die Genaktivität. Die so entstehende zelluläre Vielfalt ist zweischneidig: Einerseits hilft Heterogenität bei der Entwicklung und Anpassung an Stress. Andererseits kann sie zu Krankheiten wie Krebs führen oder die Wirksamkeit von Therapien verringern.

Wie diese Unterschiede im Genom und in der epigenetischen Steuerung in Zellen entstehen, und wie sie an ihre Tochter- und Enkelzellen weitergegeben werden, ist noch nicht im Detail erforscht. Nun haben Forschende der Universität Zürich (UZH) eine Methode entwickelt, mit der sie am Mikroskop live verfolgen konnten, wie sich Zellen entwickeln und wie zelluläre Heterogenität über mehrere Zellgenerationen hinweg entsteht. Mithilfe der CRISPR-basierten Genomeditierung brachten sie an zwei Proteinen fluoreszierende Markierungen an: eine, um den Ablauf der DNA-Verdoppelung zu verfolgen, und eine, um erworbene DNA-Schäden zu markieren. «Wir konnten so über mehrere Zellgenerationen hinweg beobachten, wie Krebszellen auf verschiedene Stressfaktoren reagieren und wie dies die Heterogenität innerhalb der Zellpopulation erhöht», sagt Merula Stout, UZH-Doktorandin am Institut für Molekulare Mechanismen bei Krankheiten und Co-Erstautorin der Studie.

Zusätzlich zu den Echtzeitmessungen am Mikroskop untersuchten die Wissenschaftler:innen verschiedene Endpunkte – etwa das Ausmass von unterschiedlichen Stresssignalen in Tochter- und Enkelzellen. Diese Messungen überlagerten sie dann mit dem beobachteten Entwicklungsverlauf derselben Zellen. «Mithilfe solcher zellulärer Stammbaumanalysen konnten wir zeigen, dass sich Tochterzellen nach der Zellteilung nicht mehr synchron verhalten, wenn die Mutterzelle Stress ausgesetzt war», sagt Stout. Differenzen, so die Forscherin, fänden sich etwa beim Einsetzen und bei der Dauer der DNA-Verdoppelung sowie in der Produktion von Eiweissen, die den Zellzyklus regulieren. Diese Unterschiede setzten sich in der nächsten Zellgeneration fort und erhöhten so die Heterogenität in der Zellpopulation. DNA-Schäden und Stress wirken somit nicht nur kurzfristig, sondern haben auch langfristige Effekte auf die zelluläre Vielfalt.

Die computergestützte Zellbeobachtung erlaubte den Forschenden auch direkte Einblicke, wie in Zellen Polyploidie entsteht. Bei diesem Vorgang erhalten Krebszellen mehrere Kopien des Genoms. Das wiederum erhöht die genetische Komplexität, wodurch sich die Zellen schneller anpassen und Resistenzmechanismen gegen Medikamente entwickeln können. Die Kombination von Echtzeit- und Endpunktmessungen zeigte, dass sich verschiedene Wege zur Polyploidie unterschiedlich auf die Stabilität des Erbguts auswirken, und dadurch die Fitness der Zellen beeinflussen. «Wir verstehen nun besser, wie Zellen mit mehrfachen Kopien ihres Genoms entstehen. Vielleicht lassen sich unsere Erkenntnisse nutzen, um die Wege, wie Polyploidie entsteht, zu beeinflussen und Therapien besser anzupassen», sagt UZH-Postdoc und Co-Erstautor Andreas Panagopoulos.

Die Studie zeigt erstmals detailliert, wie unterschiedliche Mechanismen die genetische Stabilität über mehrere Zellgenerationen hinweg beeinflussen und die Heterogenität zwischen einzelnen Zellen erhöhen können. Ziel des Forschungsteams von UZH-Professor Matthias Altmeyer ist es, die Methode in Zusammenarbeit mit den Technologieplattformen der UZH weiter auszubauen und zu automatisieren. «Insbesondere bei Forschungsfragen, bei denen es nicht primär um Durchschnittseffekte geht, sondern um Einzelzell- und komplexe Heterogenitätsanalysen, braucht es einen hohen Durchsatz und grosse Datenmengen für die Analyse, gegebenenfalls unterstützt durch KI. Sehr wahrscheinlich sehen wir zurzeit nur die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs», sagt Studienleiter Altmeyer.

Link: https://idw-online.de/de/news852542

Andreas Panagopoulos, Merula Stout et al. Multigenerational cell tracking of DNA replication and heritable DNA damage. Nature. 21 May 2025. DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-025-08986-0

 

Wie Altern das Blutsystem von Menschen und Mäusen verändert

Deutsches Krebsforschungszentrum

Das Reservoir an Blutstammzellen schrumpft mit dem Alter. Es wird zunehmend von Stammzellen dominiert, die Immunzellen hervorbringen, die mit chronischen Entzündungen in Verbindung stehen. Das veröffentlichten Forschende vom Center for Genomic Regulation und vom Institute for Research in Biomedicine, beide Barcelona, sowie vom DKFZ in der Fachzeitschrift Nature. Die Entdeckung könnte helfen, die chronischen Entzündungen zu erklären, die im Laufe des Alters auftreten und uns anfälliger für Krankheiten machen. Sie könnte außerdem dazu beitragen, Frühwarnzeichen für ungesunde Alterungsprozesse lange vor dem Auftreten von Symptomen oder der Entwicklung von Blutkrebs zu erkennen.

Eine neue Studie in der Fachzeitschrift Nature erklärt, wie Alterung das Blutsystem umgestaltet. Sowohl bei Menschen als auch bei Mäusen verdrängen einige wenige Stammzellklone ihre Nachbarn und übernehmen nach und nach die Blutproduktion. Das Reservoir an Blutstammzellen schrumpft und wird von Klonen dominiert, die eine Vorliebe für die Produktion von myeloischen Zellen haben, also Immunzellen, die mit chronischen Entzündungen in Verbindung stehen.

Die Veränderungen waren im Alter von 50 Jahren nachweisbar. Im Alter von 60 Jahren wurden sie bei fast allen Probanden beobachtet. Die Autoren der Studie vermuten, dass der Verlust der Klonvielfalt dazu beitragen kann, das „Inflammaging“ zu erklären, die anhaltende chronische Entzündung, die im Alter auftritt und uns anfälliger für Krankheiten machen kann. Das Team beobachtete dieses Muster sowohl bei Mäusen als auch bei Menschen. Das deutet darauf hin, dass die Ergebnisse ein grundlegendes Merkmal der Blutalterung bei verschiedenen Spezies sind.

Die Arbeit könnte zu neuen Strategien führen, mit denen Frühwarnzeichen für ungesunde Alterung lange vor dem Auftreten von Symptomen erkannt werden können, um so Krankheiten wie Krebs oder Immunerkrankungen vorzubeugen. Sie eröffnet auch Möglichkeiten zur Untersuchung der Wirksamkeit von Verjüngungstherapien beim Menschen, die bisher vor allem an Tieren untersucht wurden.

„Unsere Blutstammzellen konkurrieren ums Überleben. In der Jugend entsteht durch diesen Wettbewerb ein reichhaltiges, vielfältiges Ökosystem, während im Alter einige vollständig ausfallen. Einige wenige Stammzellen übernehmen die Kontrolle und arbeiten besonders hart, um dies auszugleichen. Dadurch verringert sich die Vielfalt, was sich negativ auf die Widerstandsfähigkeit des Blutsystems auswirkt. Vielfältige Stammzellen können auf unterschiedliche Belastungen reagieren, sodass die Dominanz einer Handvoll Klone das gesamte System anfälliger macht“, erklärt Lars Velten, Gruppenleiter am Centre for Genomic Regulation (CRG) in Barcelona und einer der Studienleiter.

In jungen Jahren besitzt jeder Mensch zwischen 50.000 und 200.000 aktive Blutstammzellen, die täglich zwischen 100 und 200 Milliarden neue Blutzellen bilden. Das Team konzentrierte sich in der aktuellen Arbeit auf die Epimutationen. Dabei handelt es sich um Veränderungen der chemischen Markierungen an der DNA, auch DNA Methylierung genannt. Sie hinterlassen einen permanenten, natürlichen „Barcode“, den Forscher auslesen können, um die Position jeder Zelle im Stammbaum zu bestimmen.

„Unsere Zellen tragen genetische Veränderungen, die uns zu einzigartigen Individuen machen. Aber wir sind auch ein Mosaik aus epigenetischen Veränderungen. Gruppen von Zellen, auch wenn sie letztendlich unterschiedliche Aufgaben erfüllen, tragen Methylierungs-Barcodes, die sie mit einer gemeinsamen Vorläuferstammzelle verbinden. Wir sind endlich in der Lage, den epigenetischen Stammbaum zu erstellen, indem wir Informationen lesen, die direkt in die DNA jeder Zelle geschrieben sind“, sagt Alejo Rodriguez-Fraticelli, ebenfalls einer der Studienleiter.

Die Forscher entwickelten eine neue Technik namens EPI-Clone, mit der Methylierungs-Barcodes einzelner Zellen gelesen werden können. Mit ihrer Hilfe rekonstruierten sie die Geschichte der Blutbildung bei Mäusen und Menschen und konnten so nachvollziehen, welche Stammzellen zur Blutbildung beitrugen und welche im Laufe der Zeit aus dem Rennen ausgeschieden waren.

„DNA-Methylierung funktioniert wie eine Art Binärcode. An jeder Position im Genom ist eine Stelle entweder methyliert oder nicht, wie eine 1 oder eine 0“, erklärt Michael Scherer, Bioinformatiker und Co-Erstautor der Studie, der die Arbeit am CRG leitete und nun am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) forscht. „Diese einfache On-Off-Information kann in einen natürlichen Barcode umgewandelt werden, den jede Stammzelle an ihre Nachkommen weitergibt. Vor fünf Jahren hätte ich eine solche Auflösung auf Einzelzellniveau und bei Zehntausenden von Zellen nicht für möglich gehalten. Das ist ein enormer technologischer Fortschritt“, fügt Scherer hinzu.

In jungem Blut trugen Tausende verschiedener Stammzellen zu einem reichen und vielfältigen Pool an roten und weißen Blutkörperchen sowie Blutplättchen bei. EPI-Clone zeigte jedoch, dass bei älteren Mäusen bis zu 70 Prozent der Blutstammzellen zu nur wenigen Dutzend großen Klonen gehörten, verglichen mit etwa 50 Prozent bei jüngeren Mäusen.

Bei Menschen ist das Bild ähnlich, obwohl der genaue Prozentsatz bei den zwölf gesunden Spendern (Alter zwischen 35 und 70 Jahre), die an der Studie teilnahmen, variierte. Die Forschenden zeigten, dass mit 50 Jahren viele Blutstammzellen zu verschwinden beginnen und größere Klone die Oberhand gewinnen, während sich dieser Wandel mit 60 Jahren und später noch deutlicher abzeichnet.

„Der Wechsel von Vielfalt zu Dominanz ist nicht zufällig, sondern erfolgt wie ein Uhrwerk“, sagt Indranil Singh, Co-Erstautor der Studie und Doktorand am IRB Barcelona. “Mit 50 kann man bereits sehen, wie es beginnt, und nach 60 ist es fast unvermeidlich.“

Die Studie ergab auch, dass einige Stammzellklone Mutationen aufwiesen, die mit der klonalen Hämatopoese in Verbindung stehen, einem Prozess, bei dem einige Blutstammzellen Mutationen erwerben, die ihnen ein schnelleres Wachstum und eine schnellere Vermehrung ermöglichen als anderen. Dieses Phänomen tritt mit zunehmendem Alter häufiger auf und erhöht nachweislich das Risiko für Herzerkrankungen, Schlaganfälle und Leukämie. Viele der von EPI-Clone identifizierten dominanten Klone wiesen jedoch überhaupt keine bekannten Mutationen auf, was darauf hindeutet, dass die klonale Expansion ein allgemeines Merkmal alternder Blutzellen ist.

Ärzte könnten eines Tages, nach entsprechender klinischer Forschung, das Verhalten der Klone zur Früherkennung heranziehen. Sie hätten so die Möglichkeit, die Alterung des Blutstammzellpools einer Person zu überwachen – schon Jahre vor eventuellen Ausbruch einer Krankheit. Menschen mit einem schnelleren Verlust der Diversität könnte zu vorbeugenden Maßnahmen geraten werden.

Die Forschenden beobachteten außerdem, dass sowohl bei älteren Menschen als auch bei Mäusen viele der dominanten Klone eine Präferenz für die Produktion von myeloischen Zellen zeigen. Dabei handelt es sich um Immunzellen, die mit chronischen Entzündungen in Verbindung stehen. Frühere Studien an Mäusen hatten gezeigt, dass die selektive Entfernung myeloisch prädominanter Stammzellen ein jüngeres Profil der Blutstammzellen wiederherstellen, die Produktion von infektionsbekämpfenden Lymphozyten ankurbeln und die Immunantwort verbessern kann.

Solche Verjüngungstherapien beim Menschen sind im Moment noch Zukunftsmusik. Dazu müssten die Forschenden zunächst identifizieren, welche Klone problematisch sind – was bisher nicht möglich war. EPI-Clone eignet sich für die klinische Forschung, da es mit natürlich vorkommenden Barcodes arbeitet.

„Wenn wir über generische Anti-Aging-Behandlungen hinausgehen und zu einer echten Präzisionsmedizin gegen das Altern gelangen wollen, ist dies genau das Werkzeug, das wir brauchen“, sagt Lars Velten. „Wir können nur reparieren, was wir sehen können, und EPI-Clone macht dies zum ersten Mal für den Menschen möglich.“ „Wir haben gezeigt, was möglich ist“, fasst Rodriguez-Fraticelli zusammen. „Jetzt geht es darum, EPI-Clone zu verfeinern, um entsprechende Strategien in der klinischen Forschung zu testen.“

Link: https://idw-online.de/de/news852572

Originalpublikation: Michael Scherer, Indranil Singh, Martina Braun, Chelsea Szu-Tu et al.: Clonal tracing with somatic epimutations reveals dynamics of blood aging, Nature 2025, DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-025-09041-8

 

Neue Perspektiven für die Wundheilung und Behandlung chronischer Erkrankungen

Universität Leipzig

Fibroblasten spielen eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung gesunder Gewebestrukturen, aber auch bei Entstehung und Verlauf von Erkrankungen. Lange wurden diese spezialisierten Zellen des Bindegewebes als einheitlicher Zelltyp betrachtet. Eine aktuelle Publikation von Wissenschaftler:innen der Universitätsmedizin Leipzig verdeutlicht: Fibroblasten im menschlichen Gewebe bestehen aus unterschiedlichen Populationen mit spezialisierten Aufgaben. Diese Heterogenität ist entscheidend für die Entwicklung gezielter Therapien in der regenerativen Medizin und bei der Behandlung von Krankheiten. Die Ergebnisse sind im renommierten Journal Nature Cell Biology veröffentlicht worden.

Fibroblasten sind spezialisierte Zellen des Bindegewebes, die eine Schlüsselrolle bei der Wundheilung und Geweberegeneration spielen. Die aktuelle wissenschaftliche Publikation aus der Universitätsmedizin Leipzig zeigt, dass Fibroblasten in verschiedenen Organen und Krankheitszuständen unterschiedlich reagieren. Ihre Aufgaben werden durch den embryonalen Ursprung, gewebespezifische Signale und pathologische Reize beeinflusst. Diese speziellen Zellen sind nicht nur an der Gewebereparatur und am Umbau beteiligt, sondern beeinflussen auch das Immunsystem und die Krankheitsentwicklung, etwa bei Krebs, Fibrose oder chronisch-entzündlichen Erkrankungen.

„Das Verständnis zur Vielfalt der Fibroblasten stammt bislang aus Untersuchungen in Tiermodellen. Die aktuelle Übersichtsarbeit vergleicht und integriert erstmals umfangreiche Humanstudien, in denen moderne Einzelzellmethoden, sogenannten Single-Cell-Technologien eingesetzt wurden. Mit Hilfe dieses Ansatzes können die Erkenntnisse verschiedener Studien beim Menschen kombiniert werden. So entsteht ein umfassendes Bild der unterschiedlichen Ursprünge und Funktionen menschlicher Fibroblasten“, sagt Prof. Dr. Sandra Franz, Leiterin der Studie von der Universitätsmedizin Leipzig.

Das tiefergehende Verständnis dieser Zell-Heterogenität eröffnet neue Wege für die Entwicklung spezifischer Therapien. So könnten künftig bestimmte Fibroblasten-Subtypen gezielt angesprochen werden, um etwa die Gewebereparatur zu fördern oder krankhafte Prozesse wie das Tumorwachstum zu hemmen. Das ist insbesondere für die regenerative Medizin und die Behandlung chronischer Erkrankungen von großer Bedeutung.

…

Link: https://idw-online.de/de/news852415

Originalpublikation: Originalpublikation in Nature Cell Biology: Effects of embryonic origin, tissue cues and pathological signals on fibroblast diversity in humans. Doi: https://doi.org/10.1038/s41556-025-01638-5

 

Verborgene Chemie in Proteinen gefunden

Georg-August-Universität Göttingen

Forschende decken mit maschinellem Lernen übersehene chemische Bindungen in Proteinen auf Proteine gehören zu den am besten untersuchten Molekülen in der Biologie. Neue Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass sie überraschende Geheimnisse bergen. Forschende der Universität Göttingen haben bisher unbekannte chemische Bindungen in archivierten Proteinstrukturen entdeckt und damit eine unerwartete Komplexität der Proteinchemie offenbart.

Die neu identifizierten Stickstoff-Sauerstoff-Schwefel-Verknüpfungen (NOS) erweitern das Verständnis darüber, wie Proteine auf oxidativen Stress reagieren – einen Zustand, in dem sich schädliche Sauerstoffmoleküle ansammeln und Proteine, DNA und andere Bestandteile der Zelle schädigen. Die neuen Erkenntnisse wurden in der Fachzeitschrift Communications Chemistry veröffentlicht.

Das Forschungsteam analysierte systematisch über 86.000 hochaufgelöste Proteinstrukturen aus der „Protein Data Bank“, einem weltweiten öffentlichen Archiv für Proteinstrukturen. Dabei setzten sie erstmals ihren selbst entwickelten Algorithmus namens SimplifiedBondfinder ein. Dieser kombiniert maschinelles Lernen, quantenmechanische Modellierung und Methoden zur Strukturverfeinerung. So kann er subtile chemische Bindungen aufdecken, die herkömmliche Analyseverfahren bislang übersehen haben.

NOS-Verknüpfungen wurden zwar bereits vor einigen Jahren durch Forschungsarbeiten unter der Leitung von Prof. Dr. Kai Tittmann an der Universität Göttingen in Proteinen entdeckt. Die Ergebnisse der aktuellen Studie waren für die Forschenden dennoch unerwartet: Sie entdeckten die NOS-Verknüpfungen nicht nur zwischen bereits bekannten Aminosäure-Paaren, sondern erstmals auch zwischen den Aminosäure-Paaren Arginin-Cystein und Glycin-Cystein.

„Unsere Arbeit zeigt, dass die ‚Protein Data Bank‘ noch immer verborgene chemische Informationen enthält“, sagt die Leiterin der Studie, Dr. Sophia Bazzi vom Institut für Physikalische Chemie der Universität Göttingen. „Durch die Entwicklung neuer digitaler Werkzeuge und die erneute Auswertung bestehender Daten haben wir chemische Wechselwirkungen aufgedeckt, die jahrzehntelang unbemerkt geblieben sind.“ Die NOS-Verknüpfungen wirken als molekulare Schalter, stabilisieren Proteine unter oxidativem Stress und könnten eine Vielzahl biologischer Prozesse beeinflussen. „Unser Ansatz hat weitreichende Bedeutung“, betont Bazzi. „Er kann übersehene chemische Bindungen aufdecken, zu verbesserten Protein-Modellen führen und Fortschritte in der Modellierung von Proteinen, der Entwicklung von Wirkstoffen und der synthetischen Biologie ermöglichen.“

Link: https://idw-online.de/de/news852445

Originalpublikation: Bazzi et al. Revealing arginine–cysteine and glycine–cysteine NOS linkages by a systematic re-evaluation of protein structures. Communications Chemistry (2025). https://www.nature.com/articles/s42004-025-01535-w

 

Neue Wege zur Fachliteratur: CINAHL im ZB MED-Fernzugriff

ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften

Ab sofort steht die pflege- und gesundheitswissenschaftliche Fachdatenbank CINAHL (Cumulative Index to Nursing and Allied Health Literature) allen registrierten ZB MED-Nutzer:innen kostenfrei zur Verfügung. Der Zugang für die wissenschaftliche Recherche erfolgt unkompliziert über den Fernzugriff. Vom Ausbau der digitalen Angebote bei ZB MED profitieren alle Nutzenden mit Wohnsitz in Deutschland.

Link: https://idw-online.de/de/news852498

 

Überlebenstrick: Krankheitserreger zapft Eisenquelle in Immunzellen an

Universität Basel

Der Körper schützt sich vor Krankheitserregern, indem er ihnen lebenswichtiges Eisen vorenthält. Bei Salmonellen geht die Strategie jedoch nicht immer auf. Forschende der Universität Basel haben herausgefunden, dass diese Keime gezielt eisenreiche Regionen in Immunzellen aufsuchen und sich dort vermehren. Die Erkenntnisse, wie Erreger die Immunabwehr unterlaufen, sind wichtig für die Bekämpfung von Infektionen.

Unser Körper hält Krankheitserreger in Schach, indem er ihnen wichtige Nährstoffe wie etwa Eisen entzieht. Eisen ist für alle Lebewesen unverzichtbar. Steht Bakterien nicht genügend Eisen zur Verfügung, hören sie auf zu wachsen und sich zu vermehren – sie werden sozusagen «ausgehungert». Die Erreger können sich nicht weiter ausbreiten und die Infektion wird dadurch eingedämmt.

Doch nicht alle Erreger lassen sich so leicht austricksen, wie Forschende um Prof. Dr. Dirk Bumann am Biozentrum der Universität Basel nun in Mäusen herausgefunden haben. In ihrer nun in der Fachzeitschrift «Cell Host & Microbe» erschienenen Studie zeigen sie, dass sich einige Bakterien gezielt in den wenigen Körperzellen verstecken, in denen besonders viel Eisen vorhanden ist. Unbehelligt von der Immunabwehr, können sich die Erreger in diesen eisenreichen Nischen vermehren.

Die Forschenden haben in ihrer Arbeit Salmonellen untersucht, die als Erreger von Typhus bekannt sind. Um der Immunabwehr zu entgehen, nisten sich die Keime in den Fresszellen des Körpers ein. Diese sogenannten Makrophagen wehren sich jedoch gegen die Eindringlinge: Sie entfernen Eisen mithilfe des Transportproteins NRAMP1 aus dem Salmonellen-Versteck. Solch ein Nährstoffentzug ist eine bewährte Abwehrstrategie unseres Körpers. Doch die Salmonellen haben ein Schlupfloch gefunden.

«Uns hat es gewundert, dass sich Eisenmangel kaum auf die Salmonellen-Population insgesamt auswirkt. Dafür gab es eigentlich keine Erklärung», sagt Bumann. «Erst unsere Untersuchungen auf Einzelzellebene zeigten, dass ein erheblicher Teil der Salmonellen gezielt speziell eisenreiche Makrophagen aufsucht.» Tatsächlich befallen Salmonellen häufig Makrophagen in der Milz, die alte oder beschädigte rote Blutkörperchen abbauen. Da rote Blutkörperchen grosse Mengen an Eisen enthalten, sind die Abbauorte sehr eisenreich. Genau diese Eisenquelle zapfen die Salmonellen an.

«Wir haben in den Makrophagen der Milz zwei Populationen von Salmonellen entdeckt. Eine Gruppe lebt in eisenarmen Bereichen und vegetiert dort buchstäblich vor sich hin», erklärt Bumann. «Die zweite Population befindet sich in den Vesikeln, wo die roten Blutkörperchen abgebaut werden.»

Auch dort entfernt die NRAMP1-Pumpe das Eisen, welches dann wieder recycelt wird. Die Menge an Eisen ist dort aber extrem hoch. «Selbst wenn über 99 Prozent des Eisens herausgepumpt werden, reicht die Restmenge den Erregern aus, um sich weiter zu vermehren», so Bumann. Diese gut versorgten Bakterien sind es denn auch, die das Infektionsgeschehen dominieren.

Diese Heterogenität innerhalb eines Infektionsherds ist entscheidend dafür, dass Salmonellen im Wirt überleben und sich weiterverbreiten können. Die Studie macht zudem deutlich, wie anpassungsfähig Krankheitserreger sind und selbst ausgeklügelte Abwehrmechanismen unterlaufen.

Die Ergebnisse liefern wichtige Einblicke in die Dynamik – den Wettstreit – zwischen Wirt und Erreger. «Unsere Arbeit zeigt auch, wie wichtig es ist, Infektionen auf Ebene einzelner Zellen zu verstehen», sagt Bumann. «Nur wenn wir die Tricks der Erreger kennen, können wir ihnen auch etwas entgegensetzen und Infektionen wirksam bekämpfen.»

Link: https://idw-online.de/de/news852334

Originalpublikation:

Béatrice Roche, Beatrice Claudi, Olivier Cunrath, Christopher K.E. Bleck, Minia Antelo Varela, Jiagui Li, Dirk Bumann

A Salmonella subset exploits erythrophagocytosis to subvert SLC11A1-imposed iron deprivation

Cell Host & Microbe (2025), doi: https://doi.org/10.1016/j.chom.2025.04.013

 

Logistik der Zelle entschlüsselt: Erste umfassende Beschreibung chemischer Transportwege

CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Ein bisher beispielloser internationaler Kraftakt zur Entschlüsselung des zellulären Transports chemischer Substanzen mündete nun in vier bahnbrechenden Studien, die in der Fachzeitschrift Molecular Systems Biology veröffentlicht wurden. Unter der Leitung von Giulio Superti-Furga am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und mit Unterstützung eines internationalen Konsortiums akademischer und pharmazeutischer Partner im Rahmen der Innovative Medicines Initiative der Europäischen Union, liefert dieses über ein Jahrzehnt laufende Projekt die erste umfassende und funktionelle Kartierung chemischer Transportwege in menschlichen Zellen.

(Wien, 19. Mai 2025) Das Leben in all seinen Formen hängt von der Fähigkeit der Zellen ab, Substanzen mit ihrer Umgebung auszutauschen. Nährstoffe, Ionen und Vitamine müssen aufgenommen, während Abfallprodukte und spezielle Metaboliten ausgeschieden werden. Dieser fundamentale Prozess basiert auf Transporter-Proteinen, die in Zellmembranen eingebettet sind. Trotz ihrer zentralen Rolle war über die Funktion vieler der hunderten Transporter und ihrer Gene im menschlichen Genom bislang nur wenig bekannt – mit weitreichenden Folgen für die Forschung in Bereichen wie Krebs, Stoffwechsel- oder neurologischen Erkrankungen.

Um diesem Forschungsdefizit zu begegnen, forderte die Gruppe um Superti-Furga bereits 2015 in einem wegweisenden Artikel in der Fachzeitschrift Cell eine Intensivierung der Forschung auf diesem Gebiet. Zehn Jahre später haben das CeMM und ein internationales Konsortium den Durchbruch geschafft: Durch die Fokussierung auf die größte Familie von Transportern – die sogenannten Solute Carrier (SLCs) – konnte das bestehende Wissen mehr als verdoppelt und die Grundlage für zukünftige Durchbrüche geschaffen werden.

…

Neben bahnbrechenden Erkenntnissen entstand durch das Projekt auch ein umfangreiches Arsenal an Reagenzien, Datensätzen und Analysewerkzeugen – allesamt öffentlich zugänglich unter: https://re-solute.eu

Highlights der vier Schlüsselstudien:

  • Metabolisches Mapping der SLC-Superfamilie:

Hunderte SLC-Gene wurden systematisch ausgeschaltet oder überexprimiert, was einzigartige metabolische und genregulatorische Signaturen offenbarte. Dabei wurden potenzielle Substrate für 71 bislang unbekannte Transporter identifiziert. SLC45A4 wurde als neuartiger Polyamin-Transporter charakterisiert. Clusteranalysen legten funktionelle Subgruppen nahe, etwa in der Osmolyten-Balance oder Glykosylierung – Funktionen, die bisher keiner spezifischen SLC-Gruppe zugeordnet waren.

  • Das vollständige SLC-Interaktom:

Protein-Protein-Interaktionen für nahezu 400 SLCs wurden kartiert. Tausende neue Verbindungen kamen zum Vorschein und geben Hinweise zu Regulationsmechanismen der Transporter, etwa die Rolle von PDZ-Domänen bei der Lokalisierung oder die Rolle von Degrons bei der Protein-Stabilität.

  • Erste genetische Interaktionskarte für SLCs:

In über 35.000 Doppel-Knockout-Experimenten wurden synthetisch letale Interaktionen und funktionelle Redundanzen entdeckt – darunter neue potenzielle Angriffspunkte für Therapien, insbesondere bei mitochondrialen SLCs. Beispielsweise zeigt der Zinktransporter SLC39A1 eine unerwartete Rolle bei der metabolischen Reprogrammierung und anti-apoptotischer Signalgebung in Krebszellen.

  • Integrierte funktionelle Landschaft der SLCs:

Unter Nutzung der im RESOLUTE-Projekt generierten und öffentlich verfügbaren Daten wurde eine umfassende, systematische Datenbank erstellt, die biochemische und biologische Eigenschaften der SLCs kartiert. Dieser Ansatz könnte als Modell für die Integration hochdimensionaler Multi-Omics-Daten dienen.

SLC-Transporter sind an einer Vielzahl von Erkrankungen beteiligt – von Krebs über neurologische Störungen bis hin zu Diabetes und erblichen Stoffwechselkrankheiten. Auch die Wirkung zahlreicher Medikamente hängt davon ab, ob sie durch spezifische Transporter Zellmembranen überwinden können.

Durch die Erweiterung des Wissensstandes und Bereitstellung essenzieller Werkzeuge bereitet RESOLUTE den Boden für innovative Therapieansätze und Fortschritte in der Präzisionsmedizin.

…

Link: https://idw-online.de/de/news852362

Die Studie „Metabolic mapping of the human solute carrier superfamily“ erschien online in der Zeitschrift Molecular Systems Biology am 12. Mai 2025. DOI: https://doi.org/10.1038/s44320-025-00106-4

 

Körpereigene Abwehr hilft bei Speiseröhrenkrebs

Universitätsklinikum Freiburg

Immunzellen spielen eine zentrale Rolle beim Behandlungserfolg / Studie in Nature Cancer zeigt, dass Veränderungen im Tumorumfeld wichtiger sind als neue Mutationen

Bei Patient*innen mit Speiseröhrenkrebs entscheidet nicht nur die Chemotherapie, sondern vor allem das Immunsystem über den Erfolg der Behandlung. Das zeigt eine jetzt veröffentlichte Studie unter maßgeblicher Beteiligung des Universitätsklinikums Freiburg. Die Forschenden fanden heraus: Wenn körpereigene Abwehrzellen – insbesondere sogenannte T-Zellen – aktiv bleiben, ist die Chance auf eine erfolgreiche Therapie deutlich höher. Erscheint das Immunsystem hingegen geschwächt oder blockiert, spricht der Tumor häufig schlecht auf die Behandlung an. Die Ergebnisse wurden am 14. Mai 2025 in der Fachzeitschrift Nature Cancer veröffentlicht.

„Unsere Daten zeigen, dass die Reaktion des Immunsystems entscheidend mitbestimmt, wie gut eine Therapie wirkt – selbst wenn der Tumor sich genetisch kaum verändert“, sagt Co-Studienleiter Prof. Dr. Michael Quante, Leiter des Zentrums Gastrointestinale Tumore der Klinik für Innere Medizin II am Universitätsklinikum Freiburg.

Für die Studie wurden Gewebeproben von 27 Patient*innen mit lokal fortgeschrittenem Speiseröhrenkrebs untersucht. Alle hatten eine sogenannte neoadjuvante Therapie erhalten – also eine Behandlung vor der Operation, meist in Form einer Chemotherapie oder kombinierten Strahlen-Chemotherapie. Dabei zeigte sich: Die Krebszellen selbst blieben erstaunlich stabil. Die Veränderungen fanden vor allem im Umfeld des Tumors statt – in den Immunzellen, dem Bindegewebe und den Signalwegen zwischen Zellen.

Besonders auffällig war: In Tumoren, die schlecht auf die Therapie ansprachen, fanden die Forschenden Hinweise auf eine sogenannte Immunflucht. Dabei verändert der Krebs bestimmte Oberflächenmerkmale, um vom Immunsystem nicht mehr erkannt zu werden. Auch hemmende Signale wie das Molekül PD-L1 waren bei diesen Patient*innen erhöht – sie gelten als mögliche Ziele für moderne Immuntherapien.

…

Originalpublikation: Originaltitel der Publikation: Evolutionary and immune microenvironment dynamics during neoadjuvant treatment of esophageal adenocarcinoma DOI: https://doi.org/10.1038/s43018-025-00955-w

Link zur Studie: https://www.nature.com/articles/s43018-025-00955-w

Link: https://idw-online.de/de/news852360

 

Wie das Epstein-Barr-Virus seine eigene Ausbreitung im Körper fördert

Deutsches Krebsforschungszentrum

Viele Menschen sind mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) infiziert, und die meisten merken nichts davon. Manchmal jedoch kann das EBV Krebs auslösen, und auch bei Multipler Sklerose und anderen Autoimmunerkrankungen scheint dieser Erreger eine wichtige Rolle zu spielen. Forschende vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und dem Nierenzentrum der Universitätsklinik Heidelberg haben herausgefunden, dass EBV die Migrationsfähigkeit der infizierten Immunzellen steigert. Damit fördert der Erreger seine Verbreitung im Körper – eine möglicherweise therapeutisch nutzbare Entdeckung.

Das zu den Herpesviren zählende Epstein-Barr-Virus war das erste Virus, für das eine krebserregende Wirkung beim Menschen nachgewiesen wurde. Das war in den sechziger Jahren, und bis heute ist nicht abschließend geklärt, wie genau die krebsauslösende Wirkung zustande kommt. Entscheidend dürften Interaktionen zwischen dem EBV und dem Immunsystem des Wirtsorganismus sein, denn nur ein kleiner Prozentsatz der Infizierten entwickelt Krebserkrankungen wie z. B. das hochaggressive Burkitt-Lymphom oder ein Magenkarzinom.

Auch bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen findet offenbar eine Kommunikation zwischen EBV und Immunzellen statt, mit der Folge, dass die Abwehrzellen plötzlich Strukturen des eigenen Körpers angreifen. Bei MS richtet sich dieser Angriff gegen die Myelinscheiden von Nervenzellen.

In Deutschland sind mehr als 95 Prozent aller Erwachsenen über 50 Jahren mit dem Epstein-Barr-Virus infiziert. Erstinfektionen in der Kindheit verlaufen meist ohne Symptome, Infektionen im Erwachsenenalter provozieren in einem Drittel der Fälle das Pfeiffer‘sche Drüsenfieber, eine spontan ausheilende Entzündung der Lymphknoten und des Rachenraums. Anschließend verbleibt das Virus lebenslang meist unauffällig im Körper. Manche Menschen jedoch entwickeln unter dem Einfluss des EBV bösartige Tumoren oder Autoimmunerkrankungen.

Viren haben in der Regel Vorlieben für bestimmte Zelltypen. Das Epstein-Barr-Virus ist auf B-Zellen des Immunsystems spezialisiert. Sowohl bei den durch EBV verursachten Lymphomen als auch bei Multipler Sklerose spielen B-Zellen die zentrale Rolle: Im ersten Fall sind es diejenigen Zellen, die sich unkontrolliert vermehren. Im zweiten Fall sind B-Zellen maßgeblich an der Zerstörung der Nervenscheiden beteiligt.

Für diese Fälle interessiert sich DKFZ-Forscher Henri-Jacques Delecluse, der dem Epstein-Barr-Virus seit langem auf der Spur ist. Jetzt hat er erneut eine wichtige Entdeckung gemacht, die Ansatzpunkt für innovative Therapien sein könnte. „In Kooperation mit dem Nierenzentrum des Universitätsklinikum Heidelberg konnten wir zeigen, dass EBV-infizierte B-Zellen Charakteristika von „Homing cells“ aufweisen“, erklärt der DKFZ-Forscher. Homing bezeichnet das Einwandern von Immunzellen aus den Lymphbahnen in bestimmte Gewebe, wo sie auf Zielstrukturen von Krankheitserregern geeicht werden. Die immunkompetenten B-Zellen kehren anschließend in die lymphatischen Organe zurück. „Homing Cells“ haben die Fähigkeit, die Barriere des Gefäßendothels – der inneren Wandschicht von Blut- und Lymphgefäßen – zu überwinden. Normalerweise erfolgt das Homing streng kontrolliert und wird durch Botenstoffe, sogenannte Zytokine, gesteuert, über die Zellen miteinander kommunizieren.

EBV-infizierte B-Zellen bilden ein lebenslang im menschlichen Körper verbleibendes Virusreservoir. Dadurch, dass die Viren die gezielte Migration der infizierten B-Zellen auslösen, breiten sich diese im Körper aus – und mit ihnen die Viren. Die Heidelberger Forschergruppe identifizierte zwei vom EBV produzierte Proteine, die das Homing-Verhalten der B-Zellen in Gang bringen. „Die Virusproteine EBNA2 und LMP1 erhöhen die Aktivität entzündungsfördernder Zytokine wie CCL4, die bei Multipler Sklerose nachweislich relevant sind“, berichtet Henri-Jacques Delecluse. „In der Folge teilen sich die infizierten B-Zellen und schwärmen aus. Die EBV-manipulierten B-Zellen überwinden die Barriere des Gefäßendothels und dringen unter anderem ins Gehirn ein. Auch dieser Prozess wird durch MS-relevante Botenstoffe gesteuert, wie wir zeigen konnten. Unter anderem ist der CCR1-Rezeptor involviert, der bei Multipler Sklerose nachweislich eine wichtige Rolle spielt.“

Die Entdeckung der DKFZ-Forscher eröffnet neue therapeutische Perspektiven. „Die Entschlüsselung der Reaktionskaskade, die EBV-infizierte B-Zellen in den Homing-Modus versetzt, bietet die Möglichkeit, gezielt zu intervenieren und die Migration der B-Zellen zu unterbinden“, erklärt Erstautorin Susanne Delecluse. Mit verschiedenen Ansätzen ist es dem Forscherteam am Tiermodell bereits gelungen, die EBV-induzierte Migration von B-Zellen zu blockieren. „Durch spezifische Hemmstoffe“, so Susanne Delecluse vom Nierenzentrum des UKHD, „konnten wir die Überlebenschance EBV-infizierter B-Zellen reduzieren und ihre Ausbreitung im Körper – unter anderem ins Gehirn – verhindern.“

Sollte dies auch beim Menschen funktionieren – was bis jetzt noch nicht gezeigt ist – ließe sich der Ansatz möglicherweise nutzen, um einer autoaggressiven Schädigung der Nervenscheiden bei Multipler Sklerose vorzubeugen.

Link: https://idw-online.de/de/news852368

Originalpublikation: S. Delecluse et al. Epstein-Barr virus induces aberrant B cell migration and diapedesis via FAK-dependent chemotaxis pathways. Nature Communications 2025, DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-025-59813-z

 

Genetik: Wie springende DNA das Erbgut umkrempelt

Karlsruher Institut für Technologie

In unserem Erbgut steckt mehr Bewegung, als man denkt: Fast die Hälfte des menschlichen Genoms besteht aus Transposons – kurzen DNA-Stücken, die in der Lage sind, ihren Platz im Erbgut zu verändern: Sie „springen“ von einer Stelle zur anderen und sie verteilen sich dabei im Genom nicht gleichmäßig, sondern sind oft in Gruppen gebündelt. Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben nun herausgefunden, wie es zu dieser Gruppenbildung kommt. Möglich macht das ein physikalischer Effekt, der das Erbgut an Ort und Stelle auffaltet. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Biophysical Journal veröffentlicht. (DOI: https://doi.org/10.1016/j.bpj.2025.03.038)

Ein großer Teil des Genoms besteht aus sich wiederholenden Sequenzen, den sogenannten Transposons. Sie sind an wichtigen Prozessen beteiligt, wie der frühen Embryonalentwicklung oder der Kontrolle darüber, welche Gene von der Zelle verwendet werden. Transposons können ihre Position im Erbgut verändern. Sie können aber nicht an jede beliebige Stelle der DNA springen, weil unsere DNA kein loser Faden ist, sondern im Zellkern kompakt gefaltet vorliegt – in einer Struktur namens Chromatin. Manche Stellen sind dabei besonders dicht gepackt und schwer zugänglich. Auf Basis dieses Wissens hat ein Forschungsteam um Professor Lennart Hilbert am Institut für Biologische und Chemische Systeme des KIT nun eine Erklärung für die Gruppenbildung der Transposons gefunden. „Transposons können das Erbgut an bestimmten Stellen ‚auffalten‘ und machen es damit für weitere Transposons zugänglich“, erläutert Hilbert. „So entsteht eine positive Rückkopplung: Ein Transposon lockert die lokale Struktur der DNA, und weitere folgen. Aus vereinzelten Sprüngen werden Landungen in Gruppen.“

Die Forschenden entwickelten eine Computersimulation, die genau diesen Vorgang nachstellt. In der Simulation faltet sich die DNA mit jedem weiteren eingefügten Transposon Schritt für Schritt auf. So dehnen sich die betroffenen Bereiche des Erbgutes aus und es schieben sich Schlaufen aus dem Erbgut hervor, in denen sich die neu gelandeten Transposons häufen.

Eine weitere Überraschung ergab sich bei der Analyse der mechanischen Eigenschaften von Transposons im Laufe der Evolution. Die meisten dieser Elemente sind heute inaktiv, springen also nicht mehr, haben jedoch über Jahrmillionen hinweg die Architektur der Genome umgestaltet. „Wir haben herausgefunden, dass Transposons, die aktuell oder bis noch vor relativ kurzer Zeit aktiv gesprungen sind, besonders flexibel sind“, so Hilbert „Je länger die Phase des aktiven Springens für ein Transposon in der Evolutionsgeschichte zurückliegt, desto weniger flexibel werden die Transposons. Diese unerwartete Eigenschaft deutet daraufhin, dass Transposons im Laufe der Evolution in ihrer Fähigkeit zu springen ‚gezähmt‘ werden.“

Erkenntnisse über das Verhalten der Transposons helfen Forschenden zu verstehen, wie Genome über Jahrmillionen hinweg geformt wurden. Außerdem sind sie relevant für das Verständnis der Entstehung verschiedener Krankheiten. Besonders interessant sind hierbei LINE-1 Transposons. LINE-1-Sequenzen (steht für: Long Interspersed Nuclear Element-1) sind eine Familie sich wiederholender DNA-Sequenzen, die einen großen Teil des humanen Genoms ausmachen. Sie können während der Entstehung von Krebs reaktiviert werden und beginnen dann wieder zu springen. Ihre unkontrollierte Bewegung im Erbgut kann zu Krebs verursachenden Mutationen führen. (jho)

Link: https://idw-online.de/de/news852379

Originalpublikation: Roshan Prizak, Aaron Gadzekpo, Lennart Hilbert: Chromatin unfolding via loops can drive clustered transposon insertion, Biophysical Journal, 2025. DOI: https://doi.org/10.1016/j.bpj.2025.03.038

 

Bewegungslernen durch mentale Vorstellung: Ein Teil einer Sequenz reicht aus

Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften

Wir kennen das aus dem Sport oder der Rehabilitation: Stellt man sich eine Bewegung gezielt vor und übt diese mit dem entsprechenden Bewegungsgefühl im Kopf, kann man seine Performance oft verbessern. Magdalena Gippert & Vadim Nikulin vom MPI CBS haben nun untersucht, ob schon das Vorstellen von einem Teil einer Bewegungssequenz ausreicht, um das Erlernen der gesamten motorischen Bewegung zu unterstützen. Dafür nutzten sie einen Exoskelett-Roboter, um das motorische Lernen der Studienteilnehmer*innen zu messen. Die Ergebnisse könnten unter anderem helfen, die Erholung der motorischen Fähigkeiten nach einem Schlaganfall durch gezieltes Vorstellungstraining zu verbessern.

60 Teilnehmer*innen der Studie machten Armbewegungen, während sie in einem Exoskelett-Roboter saßen. Auf dem Bildschirm vor ihnen wurden Zielpunkte angezeigt, die sie mit der rechten Hand erreichen sollten. Der Roboter drückte dabei systematisch gegen bestimmte Bewegungen, so dass die Teilnehmenden lernen mussten, diesen „Kraftfeldern“ entgegenzuwirken. Magdalena Gippert, Erstautorin der Studie, beschreibt die Ergebnisse: „Die Teilnehmer*innen, die sich vor der Bewegung durchs Kräftefeld eine spezifische Bewegung vorstellten, erzielten größere Erfolge beim Lernen und letztlich Bezwingen der Kraftfelder als diejenigen, die sich nichts vorgestellt hatten. Eine Bewegungssequenz oder bestimmte Abfolge von Bewegungen werden zu einem gewissen Ausmaß als eine Einheit im Gehirn repräsentiert. Selbst wenn ein Teil der Abfolge nur vorgestellt wurde, profitierten die Teilnehmer*innen von der ganzheitlichen Repräsentation der gesamten Bewegungssequenz. Menschen mit besserer Vorstellungskraft lernten schneller und zeigten bestimmte neuronale Muster während eines anschließendem Vorstellungstest gemessen durch ein Elektroenzephalogramm (EEG).“

„Unsere Ergebnisse eröffnen spannende Möglichkeiten für das Sporttraining und die Rehabilitation.“, ergänzt die Wissenschaftlerin, die in der Abteilung Neurologie am MPI CBS forscht. „Normalerweise stellt man sich genau den Bewegungsteil vor, den man lernen möchte. Wir konnten aber zeigen, dass es auch helfen kann, sich eine mit der Zielbewegung verbundene Bewegung vorzustellen. Das wird im Sport und in der Rehabilitation noch nicht so häufig genutzt, könnte aber direkt praktischen Nutzen haben. Zum Beispiel erholen sich nach einem Schlaganfall grobmotorische Fähigkeiten, wie das Armstrecken, oft vor feinmotorischen Fähigkeiten, wie den Fingerbewegungen. In diesem Zusammenhang kann das Training einer hybriden Sequenz, die zum Beispiel aus einer tatsächlichen Armbewegung hin zu einem Objekt und einer imaginären Greifbewegung der Finger besteht, das Wiedererlernen der Greifbewegung durch die gut erforschten Effekte der motorischen Vorstellung der Zielgreifbewegung fördern. Darüber hinaus kann die vorherige Armbewegung mit etwas Übung ein Hinweisreiz für die spezifische (imaginierte) Greifbewegung werden und so den Lernprozess weiter erleichtern.“

Link: https://idw-online.de/de/news852391

Originalpublikation: Magdalena Gippert, Pei-Cheng Shih, Tobias Heed, Ian S. Howard, Mina Jamshidi Idaji, Arno Villringer, Bernhard Sehm, and Vadim V. Nikulin, „Motor imagery enhances performance beyond the imagined action“ in: PNAS https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2423642122

 

Neue Studie deckt Zusammenhang zwischen individuellem Tagesrhythmus und Nebenwirkungen der Krebstherapie auf

MSH Medical School Hamburg – University of Applied Sciences and Medical University

Zusammenarbeit von Wissenschaftler:innen, Krankenhäusern und einem Hamburger Start-up zeigt innovative Wege in der personalisierten Krebsbehandlung auf.

Hamburg, 17.05.2025 Eine neue Studie gibt Aufschluss darüber, wie Störungen der körpereigenen inneren Uhr – also der zirkadianen Uhr – die Nebenwirkungen einer gängigen Krebstherapie verstärken können. Die von Forschenden aus ganz Deutschland durchgeführte Studie ergab, dass Patientinnen mit Eierstockkrebs, die mit PARP-Inhibitoren (PARPi) wie Rucaparib behandelt wurden, erhebliche Störungen ihres zirkadianen Rhythmus‘ aufwiesen, welche in engem Zusammenhang mit einer erhöhten behandlungsbedingten Toxizität standen. Das Ergebnis der Studie ist aktuell in eBioMedicine veröffentlicht.

…

Die Studie ist Teil einer größeren klinischen Phase-III-Studie (MAMOC). Mit Hilfe fortschrittlicher mathematischer Modelle und Genexpressionsanalysen wurden die Auswirkungen von PARP-Inhibitoren auf bis zu 800 Gene verfolgt, darunter wichtige zirkadiane Regulatoren wie BMAL1 und PER2. Diese Ergebnisse wurden mit der TimeTeller-Technologie erzielt – einem innovativen Tool, das vom Start-up TimeTeller, einem Spin-off der Charité Berlin, entwickelt wurde und derzeit an der MSH Medical School Hamburg angesiedelt ist.

…

Prof. Dr. Elena Braicu, gynäkologische Onkologin an der Charité Berlin und Co-Seniorautorin, hob das klinische Potenzial der Forschung hervor: »Diese Studie liefert überzeugende Belege für die Bedeutung der Chronotherapie in der Krebsbehandlung. Durch die Anpassung der Therapiezeiten an die zirkadianen Rhythmen der Patienten können nicht nur die Verträglichkeit verbessert und Nebenwirkungen reduziert werden, auch die Effektivität der Behandlung kann gesteigert werden. …

…

Link: https://idw-online.de/de/news852329

Originalpublikation: https://www.thelancet.com/journals/EBIOM/article/PIIS2352-3964(25)00208-7/fulltext

 

GPS für Proteine: Beobachtung von Zellrezeptoren in Aktion

Universität Basel

Ob Geschmack, Schmerz oder Reaktion auf Stress – nahezu alle wichtigen Funktionen im menschlichen Körper werden von molekularen Schaltern gesteuert, den G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCRs). Forschende der Universität Basel haben nun aufgeklärt, wie ein solcher Rezeptor im Detail funktioniert. Mit einer Methode, die dem Satelliten-GPS um die Erde ähnelt, konnten sie den Bewegungen des Rezeptors folgen und ihn in Aktion beobachten. Die in «Science» publizierte Arbeit liefert wertvolle Hinweise für das Design wirksamer Medikamente.

G-Protein-gekoppelte Rezeptoren sind in der Zellmembran verankert und leiten Signale von aussen ins Innere der Zelle weiter. Aufgrund ihrer enormen Vielfalt und ihrer wichtigen Rolle im Körper sind sie Angriffspunkt vieler Medikamente – angefangen bei Schmerzmitteln über Herzmedikamente bis hin zum Diabetesmittel Semaglutid, das in Form der Abnehmspritze Ozempic Karriere gemacht hat. Etwa ein Drittel aller zugelassenen Arzneistoffe wirken über GPCRs.

Trotz ihrer Bedeutung war lange unklar, wie diese Rezeptoren genau funktionieren. «Wir wussten kaum etwas darüber, auf welche Art und Weise GPCRs die Informationen ihrer Bindungspartner weiterleiten», sagt Dr. Fengjie Wu, SNF Ambizione Fellow am Biozentrum. «Wir haben eine neue NMR-Methode entwickelt, mit der wir wie mit einem GPS den Bewegungen des Rezeptors folgen können.» Ein genaues Verständnis der Funktionsweise von GPCRs ist wichtig, um wirksamere Medikamente mit weniger Nebenwirkungen zu entwickeln.

Im Fokus der Arbeit, die nun in «Science» erschien, stand der β1-Adrenozeptor. Dieser GPCR spielt eine zentrale Rolle im Herz-Kreislauf-System und ist daher Angriffspunkt von Betablockern. Diese Medikamente werden unter anderem zur Behandlung von Bluthochdruck eingesetzt.

Dank ihrer innovativen GPS-NMR-Technologie konnten die Forschenden die Position von etwa hundert atomaren Einheiten innerhalb des β1-Adrenozeptors exakt lokalisieren – ähnlich wie ein Satellit die Position von Autos bestimmt. Dies ermöglichte den Forschenden, die Bewegungen des Rezeptors während seiner Aktivierung nachzuvollziehen.

Die Ergebnisse zeigten, dass der Rezeptor nicht einfach nur zwischen «An» und «Aus» hin und her schaltet. Vielmehr befindet er sich in einem dynamischen Gleichgewicht zwischen inaktivem, teilweise und vollständig aktivem Zustand. Bindet der Wirkstoffs Isoprenalin, verschiebt sich das Gleichgewicht sehr stark in Richtung aktivem Zustand. Betablocker hingegen fixieren den Rezeptor in seiner inaktiven Form. «Zum ersten Mal konnten wir sehen, wie der Rezeptor dynamisch zwischen den Zuständen wechselt», so Wu. «Ausserdem haben wir im Rezeptor einen Schalter entdeckt, der diese Übergänge steuert».

Die Forschenden haben auch herausgefunden, dass sich die Signalweiterleitung ins Zellinnere durch kleinste atomare Veränderungen im Rezeptor beeinflussen lässt. «Um wirklich zu verstehen, wie GPCRs funktionieren, müssen wir solche kleinen Störungen einführen und die daraus folgende Bewegung einzelner Atome beobachten. Das können wir nun», erklärt Wu.

Mit ihrer Arbeit schliessen die Forschenden die Lücke zwischen den bekannten statischen Strukturen von GPCRs und ihrer Funktion. Sie konnten erstmals bis ins kleinste Detail verfolgen, wie sich ein GPCR bewegt, wenn er aktiviert wird. «Nach zwanzig Jahren Forschung können wir nun endlich die atomaren Bewegungen des Rezeptors sehen», sagt Prof. Dr. Stephan Grzesiek. Und Wu fügt hinzu: «Jetzt verstehen wir, wie die Bindung eines Wirkstoffs die Rezeptor-Funktion steuert. Dieses Wissen hilft dabei, Arzneistoffe mit einer gewünschten Wirkung rational zu entwickeln.»

Link: https://idw-online.de/de/news852301

Originalpublikation:

Feng-Jie Wu, Pascal S. Rieder, Layara Akemi Abiko, Anne Grahl, Daniel Häussinger, Stephan Grzesiek.

Activation dynamics traced through a G protein coupled receptor by 81 1H-15N NMR probes.

Science (2025), doi: https://doi.org/10.1126/science.adq9106

 

Wie entstehen Metastasen?

Universität Regensburg

Neue Einsichten in die ersten Schritte der Krebsstreuung beim Melanom

Eine der großen Fragen der Krebsforschung gilt nach wie vor dem Prozess, wie Tumorzellen sich in anderen Organen ansiedeln können und so eine generalisierte Erkrankung verursachen, die dann kaum noch heilbar ist. Ein vieldiskutiertes Konzept sieht darin eine fehlerhafte Organbildung, also beispielsweise den Versuch von Brustdrüsenzellen, eine Brustdrüse in der Leber oder Lunge zu bilden. Da die Organentwicklung im Erwachsenen natürlich schon abgeschlossen ist, ist weitgehend unbekannt, wie es zu solchen fehlerhaften Organbildungsversuchen kommen kann.

Meist wird versucht, diese Fragen im Tiermodell zu analysieren, weil hier vielfältige technischen Möglichkeiten bestehen, die Mechanismen aufzudecken. Die direkte Analyse im Patienten wurde bislang jedoch noch nicht systematisch versucht. Mehrere Forscherteams des Uniklinikums und der Universität Regensburg, des Fraunhofer ITEM und des Uniklinikums und der Universität Tübingen sowie weitere aus dem Forschungsverbund zum Thema Metastasierung (SFB/TRR 305), haben sich nun unter der Führung von Melanie Werner-Klein und Christoph Klein von der Universität Regensburg zusammengetan, um Licht in das Dunkel zu bringen.

Hierzu wurden die Lymphknoten von etwa 500 Patienten und Patientinnen mit malignem Melanom, dem schwarzen Hautkrebs, auf die ersten Absiedelungen untersucht. Dabei wurden verschiedene Markerproteine verwendet, um die Zellen in Färbungen sichtbar zu machen. Es gelang ein Protein (MCSP) zu identifizieren, dessen Vorkommen auf gestreuten Melanomzellen mit einer deutlich verschlechterten Prognose einherging. Tatsächlich hatten Patienten mit MCSP-positiven Melanomzellen für alle drei Überlebenskategorien (Krankheitsfreies, Melanom-spezifisches und Gesamtüberleben) stark verschlechterte Aussichten und das sogar in Fällen, in denen sich lediglich eine derartige Zelle unter zwei Millionen Lymphknotenzellen nachweisen ließ.

Den Forschern gelang es anschließend aus etwa 150 dieser sehr seltenen MCSP-positiven Zellen die aktivierten Gene auszulesen, um so erste Hinweise auf die Zellfunktionen zu erschließen. Hierbei ergab sich Erstaunliches.

Von den ersten Schritten bei Ankunft in dem fremden Organ Lymphknoten bis zur Entstehung von mikro- und makroskopischen Metastasen ändern die Krebszellen mehrfach ihren Phänotyp. Passend zum Konzept der fehlerhaften Organbildung ist dabei, dass das embryonale Genprogramm der UV-Lichtschutzzellen, der Melanozyten, angeschaltet wird. Im Embryo wandern die Melanozyten-Vorläuferzellen aus der Neuralleiste in die Haut. Genau dieses Stammzellprogramm der Neuralleiste aber wird bei Metastasengründung aktiviert. Die Aktivierung erfolgt dabei als Antwort auf die Immunattacke von T-Zellen in den Krebszellen, die den Angriff überleben. Die Kolonie kann dann gebildet werden, weil mit dem Neuralleistenprogramm auch eine Immunsuppression verbunden ist. Haben sich aber einmal größere Kolonien gebildet erlahmt die Immunantwort – die T-Zellen geraten in einen Zustand der Erschöpfung, der Krebs kann voranschreiten.

Diese Einsichten in den Prozess der Metastasengründung weisen auf Therapieansatzpunkte hin, die ein Entstehen der Metastasen im Keim ersticken helfen. So könnte einmal das identifizierte MCSP selbst ein Therapieziel werden oder aber eine Stärkung der frühen Immunabwehr verhindern, dass die Melanomzellen sich durch das Neuralleisten-Stammzellprogramm der Immunattacke entziehen.

Link: https://idw-online.de/de/news852307

Originalpublikation: “MCSP+ metastasis founder cells activate immunosuppression early in human melanoma metastatic colonization” DOI: https://doi.org/10.1038/s43018-025-00963-w

Beitrags-Navigation

Vorheriger BeitragW3. Newsletter KW 20 2025
Nächster BeitragW3. Newsletter: Relevantes zu Saluto- und Pathogenese, KW 22 2025
!BCDEF?HIJKL


W3Punkt.de - Logo 

Die letzten Post­ings

Newsletter-Archiv

  • Die Bedeutung des mensch­lichen Mikro­bioms für die mentale Gesund­heit

  • Neue Darm­mikrobe produ­ziert Schwefel­wasserstoff und schützt so vor Krankheits­erregern

  • Immun­kompetenz:
    Du bist, was du isst

  • Die körper­eigene Ab­wehr hält sich selbst in Schach

  • Relevantes zu Saluto- und Patho­genese

  • Manche Eingeweide sind besser als andere wenn es darum geht Energie zu ernten

  • Entstehung von Darm­krank­heiten besser verstehen

  • Schmerz­empfind­liche Darm­neuro­nen schützen vor Entzün­dungen

  • Wie sich der Dünn­darm gegen Bakterien wehrt

Häufig aufgerufen

  • Immun­kompetenz:
    Du bist, was du isst
    (653)
  • Neue Darm­mikrobe produ­ziert Schwefel­wasserstoff und schützt so vor Krankheits­erregern (597)
  • Die Bedeutung des mensch­lichen Mikro­bioms für die mentale Gesund­heit (538)

Aktualisiert

  • Neue Darm­mikrobe produ­ziert Schwefel­wasserstoff und schützt so vor Krankheits­erregern 4. Oktober 2024
  • Die Bedeutung des mensch­lichen Mikro­bioms für die mentale Gesund­heit 24. April 2024
  • Corona­virus/COV­ID-19: Die FAQ der BZgA 25. Januar 2024
  • Manche Eingeweide sind besser als andere wenn es darum geht Energie zu ernten 6. Januar 2024
  • Sicherheit und effekt­ivität kognitiv leistungs­steigernder Medika­mente im Test bei Alz­heimer Demenz 13. Oktober 2023

Begleitende Informa­tionen

  • Ausblicke auf die aktuelle Forschung
  • Beitragen
  • Datenschutz­erklärung
  • Impressum
  • Inhaltsüber­sicht
  • Quizfragen
  • Über den W3punkt
  • W3punkt-Newsletter-Abo

Social Media:

  • teilen 
  • teilen 
  • Pocket 
  • teilen 
  • E-Mail 
  • merken 
  • spenden 

Die Website durchsuchen

Die Schriftgröße ändern

  • 90%  100%  110%  120%  

RSS-Feeds       

RSS-Feed-Icon

RSS-Feed-Icon

RSS-Feed-Icon

Der Redakteur

Gravatar von Epiphanius Harald Wenzel

Redakteur Wenzel

Epiphanius Harald Wenzel, publiziert und repliziert Artikel mit Bezug auf jüngere wissenschaftliche Arbeiten. Er ist hier Herausgeber, Chefredakteur, Redakteur, Autor, Administrator und Webdesigner. Auf Mastodon

Mein Newsletter

Aktueller Newsletter als PDF
Newsletter Online
Newsletter Abo
Link zum Kommentar­bereich
W3Punkt-Informationen | Relevantes zu Saluto- und Pathogenese