Enterische Neuronen der Maus

Schmerz­empfind­liche Darm­neuro­nen schützen vor Entzün­dungen

Neuronen, die Schmerzen wahrnehmen, schützen den Darm vor Entzündungen und damit verbundenen Gewebeschäden, indem sie die mikrobielle Gemeinschaft im Darm regulieren, so eine Studie von Forschern der Weill Cornell Medicine.

Quelle: Weill Cornell Medicine

Die Forschenden, deren Bericht1Gut-innervating nociceptors regulate the intestinal microbiota to promote tissue protection am 14. Oktober 2022 in Cell erschien, fanden in einem präklinischen Modell heraus, dass schmerzempfindliche Neuronen im Darm ein Molekül namens Substanz P absondern, das vor Darmentzündungen und damit verbundenen Gewebeschäden zu schützen scheint, indem es die Population der nützlichen Mikroben im Darm erhöht. Auch die Einsicht, dass die Anzahl dieser schmerzempfindlichen Nerven bei Menschen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) verringert und ihre für die Schmerzsignalleitung verantwortliche Genexpression erheblich gestört ist, ist neu.

„Diese Erkenntnisse verändern unser Denken über chronische Entzündungskrankheiten und eröffnen einen völlig neuen Ansatz für therapeutische Maßnahmen“, sagte der Hauptautor der Studie, Dr. David Artis, Direktor des Jill Roberts Institute for Research in Inflammatory Bowel Disease, Direktor des Friedman Center for Nutrition and Inflammation und der  Michael Kors Professor of Immunology an der Weill Cornell Medicine.

Der Erstautor der Studie, Dr. Wen Zhang, ein Postdoktorand im Artis-Labor, fügte hinzu: „Die Definition einer bisher unbekannten sensorischen Funktion für diese spezifischen Neuronen bei der Beeinflussung der Mikrobiota bringt eine weitere Ebene des Verständnisses für diese Interaktionen ein.“

CED umfasst zwei verschiedene Erkrankungen, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, und es wird angenommen, dass mehrere Millionen Menschen in den Vereinigten Staaten davon betroffen sind. In Deutschland sind es nach Schätzungen der BARMER GEK etwa 420.000 bis 470.000.2Quelle: Gastroenterologieportal https://dasgastroenterologieportal.de/Statistiken_CED.html In der Regel wird sie mit Medikamenten behandelt, die direkt auf Elemente des Immunsystems abzielen. Wissenschaftler:innen wissen jetzt, dass die im Darm lebenden Bakterien und andere Mikroben ebenfalls zur Regulierung der Darmentzündung beitragen.

Wie das Labor von Dr. Artis und andere in den letzten Jahren gezeigt haben, scheint das Nervensystem, das mit den meisten Organen ‘verdrahtet’ ist, ein weiterer mächtiger Regulator des Immunsystems an den Barriereflächen des Körpers zu sein. In der neuen Studie untersuchten Dr. Artis und sein Team speziell Schmerzneuronen, die den Darm innervieren, d. h. deren Nervenenden in den Darm hineinreichen.

Diese den Darm innervierenden Schmerzneuronen, deren Zellkörper in der unteren Wirbelsäule sitzen, exprimieren ein Oberflächenprotein namens TRPV1, das als Rezeptor für schmerzbezogene Signale dient. TRPV1 kann z. B. durch große Hitze, Säure und die Chilischotenverbindung Capsaicin aktiviert werden – und das Gehirn übersetzt diese Aktivierung in ein Gefühl von brennendem Schmerz. Die Forschenden eruierten, dass das Ausschalten dieser TRPV1-Rezeptoren in Darmnerven oder das Löschen von TRPV1-exprimierenden Neuronen zu einer viel schlimmeren Entzündung und Gewebeschädigung in CED-Mausmodellen führte, während die Aktivierung der Rezeptoren eine schützende Wirkung hatte.

Die Forschenden beobachteten, dass die Verschlechterung der Entzündung und der Gewebeschäden bei TRPV1-blockierten Mäusen mit Veränderungen der relativen Populationen verschiedener Darmbakterienarten zusammenhing. Wurde diese veränderte Bakterienpopulation in normale Mäuse transplantiert, verursachte sie die gleiche verschlimmerte Anfälligkeit für Entzündungen und Schäden. Im Gegensatz dazu konnte eine Behandlung mit einem Breitbandantibiotikum diese Anfälligkeit sogar bei Mäusen mit TRPV1-Blockade umkehren. Dieses Ergebnis zeigt, dass TRPV1-exprimierende Nerven den Darm vor allem dadurch schützen, dass sie zur Aufrechterhaltung einer gesunden Darmmikrobenpopulation beitragen.

Die Wissenschaftler:innen fanden deutliche Hinweise darauf, dass ein großer Teil dieser die Mikroben beeinflussenden Wirkung von TRPV1-exprimierenden Nerven von einem Molekül namens Substanz P herrührt, das die Nerven absondern – und von dem sie beobachteten, dass es allein die meisten der schädlichen Auswirkungen einer TRPV1-Blockade umkehren kann. Die Experimente deuten auch darauf hin, dass die Signalübertragung zwischen Neuronen und Mikroben in beide Richtungen geht – einige Bakterienarten können TRPV1-exprimierende Nerven aktivieren, um sie zur Produktion von mehr Substanz P zu veranlassen.

Um die Relevanz für den Menschen zu bestätigen, untersuchten die Forschenden Darmgewebe von CED-Patienten und fanden abnorme TRPV1- und Substanz-P-Genaktivität sowie insgesamt weniger Anzeichen von TRPV1-Nerven.

„Diese Patienten hatten gestörte schmerzempfindliche Nerven, was zu ihrer chronischen Entzündung beigetragen haben könnte“, so Dr. Zhang.

Wie genau die Substanz P ihre Wirkung auf die Darmmikrobenpopulation ausübt und wie diese Mikroben ‘antworten’, sind Fragen, die die weitere Forschung nun in laufenden Studien zu klären versucht. Die bisherigen Ergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass die nächste Generation von entzündungshemmenden Medikamenten gegen CED und andere Erkrankungen aus Wirkstoffen bestehen könnte, die auf das Nervensystem abzielen.

„Viele der derzeitigen entzündungshemmenden Medikamente wirken nur bei einigen Patienten, und die Pharmaunternehmen wissen nicht wirklich, warum“, so Dr. Artis. „Vielleicht liegt es daran, dass wir bei chronischen Entzündungen bisher nur einen Teil des Bildes gesehen haben – und jetzt beginnt der Rest, einschließlich der Rolle des Nervensystems, ins Blickfeld zu rücken.“

Diese Forschung an der Weill Cornell Medicine wurde zum Teil durch Zuschüsse der National Institutes of Health (AI172027, AI151599, AI095466, AI095608, AR070116, DK126871, DK132244, F32AI124517), der LEO Foundation, CURE for IBD, des Jill Roberts Institute, der Sanders Family, der Rosanne H. Silbermann Family Foundation und eines Crohn’s and Colitis Foundation Research Fellowship Award unterstützt.

Journalreferenz:

Wen Zhang, Mengze Lyu, Nicholas J. Bessman, Zili Xie, Mohammad Arifuzzaman, Hiroshi Yano, Christopher N. Parkhurst, Coco Chu, Lei Zhou, Gregory G. Putzel, Ting-Ting Li, Wen-Bing Jin, Jordan Zhou, Hongzhen Hu, Amy M. Tsou, Chun-Jun Guo, David Artis. „Gut-innervating nociceptors regulate the intestinal microbiota to promote tissue protection “, Cell 2022; DOI: 10.1016/j.zelle.2022.09.008

Info-Krümel

BewertenQuellen&TiefenBild&TonRepublishVerwandtesSocial MediaKommentareSchlagworteWissenInfo-Krümel
Die Bewertungs-Funktion ist derzeit deaktiviert!  
DIE VERWENDETEN QUELLEN Materialien zur Verfügung gestellt durch: Weill Cornell Medicine. Pain-Sensing Gut Neurons Protect Against Inflammation. Hinweis: Der Inhalt wurde aufgrund von Übersetzungsanpassungen in Stil und Länge überarbeitet. Inhalt kann in Stil und Länge editiert sein. Journal-Referenz: Wen Zhang, Mengze Lyu, Nicholas J. Bessman, Zili Xie, Mohammad Arifuzzaman, Hiroshi Yano, Christopher N. Parkhurst, Coco Chu, Lei Zhou, Gregory G. Putzel, Ting-Ting Li, Wen-Bing Jin, Jordan Zhou, Hongzhen Hu, Amy M. Tsou, Chun-Jun Guo, David Artis. Darm-innervierende Nozizeptoren regulieren die intestinale Mikrobiota, um den Gewebeschutz zu fördern. Zelle, 2022; DOI: 10.1016/j.zelle.2022.09.008 Tooltips: Die Texte in eventuell vorhandenen Tooltip-Fenstern wurden von der Redaktion des W3punkt.de bereitgestellt, sie entstammen in der Hauptsache den englisch- und deutschsprachigen Wikipedias.
DIE VERWENDETEN MEDIEN
DAS TITELBILD
Ist der Well Cornell Medicine Pressemitteilung entlehnt.
DEN BEITRAG WEITERVERWENDEN CC BY-SA 3.0
VERWANDTE BEITRÄGE
PRÜFEN SIE IHREN KENNTNISGEWINN
DIE INFO KRÜMEL
Der Beitrag enthält ~ 1309 Worte
ungefähre Lesezeit: 4 Minuten
Update: Okt 12, 2023 @ 17:17
CC BY-SA 3.0 
Kurz-URL: https://w3punkt.de/081/

Quellen und Tiefen