Forscher identifizieren drei psychologische Profile, die die Entwicklung der mentalen, kognitiven und Gehirngesundheit im Alter bestimmen könnten
Eine internationale Studie hat drei psychologische Profile identifiziert, die mit unterschiedlichen Mustern des kognitiven und geistigen Abbaus im Alter verbunden sind. Die Studie, in der mehr als 1.000 Erwachsene mittleren und höheren Alters untersucht wurden, zeigt, dass die spezifischen psychologischen Merkmale jedes Profils das Risiko, an Demenz zu erkranken, sowie Aspekte wie die Geschwindigkeit des Gehirnabbaus und die Schlafqualität beeinflussen können. Diese Erkenntnisse eröffnen neue Perspektiven für die Entwicklung von personalisierten Präventionsstrategien.
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So sind zum Beispiel wiederkehrende negative Gedanken, eine Tendenz zum Stresserleben und wahrgenommener Stress mit einem höheren Risiko verbunden, während ein Sinn im Leben oder Selbstreflexion Schutzfaktoren gegen einen solchen Verfall darstellen würden.
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Bartrés-Faz betont, dass „psychologische Risiko- und Schutzfaktoren bisher fast ausschließlich unabhängig voneinander untersucht wurden: Dieser Ansatz ist einschränkend, da psychologische Merkmale nicht isoliert existieren.“
Das Team analysierte dann, wie die Zugehörigkeit zu jedem dieser Profile mit Indikatoren für psychische Gesundheit, Kognition, Lebensstil und Gehirnintegrität – gemessen an der Kortikalisdicke – sowie mit der kognitiven Entwicklung und der Gehirnatrophie im Laufe der Zeit zusammenhängt. „Wir wollten herausfinden, wie verschiedene Kombinationen von psychologischen Merkmalen mit der psychischen, kognitiven und Gehirngesundheit zusammenhängen“, erklärt die Forscherin der UB und des Gutmann Instituts.
Die Ergebnisse zeigen, dass ein „ausgewogenes“ psychologisches Profil mit mäßig hohen Schutzfaktoren und mäßig niedrigen Risikofaktoren bei allen gemessenen Indikatoren mit einer besseren kognitiven und psychischen Gesundheit verbunden ist. „Diese Zusammenhänge wurden in allen untersuchten Altersgruppen beobachtet, was die Relevanz der Berücksichtigung eines ausgewogenen Verhältnisses einer breiten Palette psychologischer Aspekte als Determinanten der psychischen, kognitiven und Gehirngesundheit im Erwachsenenalter und im höheren Alter unterstreicht“, sagt Bartrés-Faz.
Andererseits wurde ein psychologisches Profil mit einem niedrigen Niveau an schützenden Merkmalen – wie Zielstrebigkeit, Extraversion oder Offenheit für neue Erfahrungen – mit einer schlechteren kognitiven Leistungsfähigkeit (vor allem bei älteren Menschen), einer ausgeprägteren Hirnatrophie (die bereits bei Erwachsenen mittleren Alters zu beobachten ist) und einer geringeren Einhaltung eines gesunden Lebensstils in Verbindung gebracht.
Das dritte identifizierte Profil schließlich, das durch ein hohes Maß an negativen oder risikoreichen psychologischen Eigenschaften gekennzeichnet ist, wie z. B. eine hohe Neigung zu Kummer und negativen Gedanken, „könnte das Risiko für kognitive Beeinträchtigungen und Demenz über einen psycho-affektiven Pfad erhöhen, einschließlich der Ausprägung von Symptomen wie Depression, Angst, kognitiven Beschwerden, Einsamkeit und Schlafstörungen“, so der Forscher.
Wenn diese Ergebnisse in größeren Studien bestätigt werden, könnten sie wichtige Auswirkungen auf die Entwicklung zukünftiger Präventionsmaßnahmen haben, die darauf abzielen, psychologische Faktoren und Lebensstile zu verändern. „Zum Beispiel könnten Menschen mit Eigenschaften, die mit dem psychologischen Profil mit geringen Schutzfaktoren vereinbar sind, mehr von psychologischen Therapien profitieren, die die Identifizierung oder Wiedererkennung von wertvollen Verhaltensweisen und Lebenszielen beinhalten, wie zum Beispiel die Akzeptanz- und Commitment-Therapie“, merkt Bartrés-Faz an.
„Menschen, die die Kriterien des dritten Profils erfüllen, sprechen jedoch möglicherweise besser auf Therapien an, die auf die Verringerung von Stresssymptomen abzielen und deren potenzieller Nutzen kürzlich ebenfalls nachgewiesen wurde“, so die Forscherin. Die Expertin betont, wie wichtig es ist, „umfassende psychologische Untersuchungen durchzuführen, die sowohl Risiko- als auch Schutzfaktoren analysieren, um das Risikoprofil jeder Person genauer einschätzen zu können“.
https://web.ub.edu/en/web/actualitat/w/evolution-mental-health
Journal Reference: David Bartrés-Faz, Harriet Demnitz-King, María Cabello-Toscano, Lídia Vaqué-Alcázar, Rob Saunders, Edelweiss Touron, Gabriele Cattaneo, Julie Gonneaud, Olga Klimecki, Núria Bargalló, Javier Sánchez-Solana, José M. Tormos, Gäel Chételat, Álvaro Pascual-Leone, Natalie L. Marchant, Claire André, Romain Bachelet, Sebastian Baez Lugo, Anne Chocat, Fabienne Collette, Nina Coll-Padros, Sophie Dautricourt, Vincent De La Sayette, Marion Delarue, Eglantine Ferrand Devouge, Eric Frison, Karine Goldet, Frank Jessen, Pierre Krolak-Salmon, Elizabeth Kuhn, Brigitte Landeau, Valérie Lefranc, Antoine Lutz, Florence Mezenge, Dix Meiberth, Laurence Michel, José Luis Molinuevo, Valentin Ourry, Géraldine Poisnel, Anne Quillard, Géraldine Rauchs, Eric Salmon, Ann-Katrin Schild, Corinne Schimmer, Delphine Smagghe, Rhonda Smith, Marco Schlosser, Patrik Vuilleumier, Cédrick Wallet, Zuzana Walker, Tim Whitfield, Miranka Wirth. Psychological profiles associated with mental, cognitive and brain health in middle-aged and older adults. Nature Mental Health, 2025; 3 (1): 92 DOI: 10.1038/s44220-024-00361-8
Neuer Mechanismus bei der Immunabwehr in den Atemwegen gegen verbreiteten „Krankenhauskeim“ entdeckt
Universität des Saarlandes
Bürstenzellen, die unter anderem auf den Schleimhäuten der Atemwege vorkommen, sind nach wie vor nur unvollständig erforscht. Ein Team um die Professorin für Anatomie und Zellbiologie der Universität des Saarlandes, Gabriela Krasteva-Christ, hat nun herausgefunden, wie Bürstenzellen auf Pseudomonas aeruginosa, einen verbreiteten „Krankenhauskeim“, reagieren und die Immunantwort stimulieren. Die Studie wurde nun im renommierten Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht.
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In einer nun veröffentlichten Studie haben Dr. Monika Hollenhorst, Dr. Mohamed Elhawy und Doktorandin Noran Abdel-Wadood aus ihrem Team herausgefunden, wie Bürstenzellen in den Atemwegen die Immunantwort auf den Weg bringen, genauer gesagt, die spezifische oder adaptive Immunantwort. „Bislang wussten wir nur, dass Bürstenzellen Acetylcholin freisetzen, einen Botenstoff, der die Reizübertragung an Nervenzellen auslöst. Registrieren die Bürstenzellen also einen Eindringling, sorgt das Acetylcholin dafür, dass das zentrale Nervensystem informiert wird: Wir husten“, erklärt Gabriela Krasteva-Christ. Im Anschluss folgt eine so genannte unspezifische Immunantwort. „Aus der Umgebung werden Immunzellen, wie zum Beispiel neutrophile Granulozyten, an den Ort gelockt, die den Eindringling zwar sehr effektiv, jedoch unspezifisch und nicht zielgerichtet angreifen“, erläutert sie.
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„Wir konnten beobachten, dass die Bürstenzellen genau so viel ATP freisetzen, dass die unspezifische Immunantwort einerseits ausgelöst wird, also die ‚schnelle Eingreiftruppe‘, wenn man so will. Außerdem stimuliert das exakt bemessene ATP, dass dendritische Zellen aktiviert werden, die wiederum für die Initiierung einer spezifischen Immunantwort essenziell sind“, führt Noran Abdel-Wadood aus. Dendritische Zellen sind hochspezialisierte Zellen des Immunsystems. Sie „beißen“ quasi Teile des Erregers ab, bringen ihn zu den Lymphknoten, wo sie mit diesen erregertypischen Teilen weitere Immunzellen auf genau diesen Eindringling trainieren, so dass der Körper in der Folge den krankmachenden Keim sehr effektiv bekämpfen kann.
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Originalpublikation:
Abdel Wadood, N., Hollenhorst, M.I., Elhawy, M.I. et al. Tracheal tuft cells release ATP and link innate to adaptive immunity in pneumonia. Nat Commun 16, 584 (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-025-55936-5
Link: https://idw-online.de/de/news846503
Cannabiswirkstoff CBD reduziert das Verlangen nach Alkohol bei alkoholerkrankten Menschen
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
Eine neue Studie zeigt, dass Cannabidiol (CBD) bei alkoholerkrankten Menschen das Verlangen nach Alkohol verringern kann. CBD ist ein natürlicher Bestandteil der Cannabispflanze und hat keine berauschenden Effekte. Mit ihrer ICONIC-Studie erbringen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den ersten Beleg dafür, dass dieser Cannabiswirkstoff bei Alkoholproblemen helfen könnte. Das Team hat seine Studienergebnisse kürzlich in der Fachzeitschrift Molecular Psychiatry veröffentlicht.
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Die Studie zeigt, dass diejenigen, die CBD erhielten, über ein deutlich geringeres Alkoholverlangen im Vergleich zur Placebogruppe berichteten. Zudem stellten die Autorinnen und Autoren fest, dass bei Personen, die CBD einnahmen, der NAc, also das „Belohnungszentrum des Gehirns“, deutlich weniger aktiviert wurde. Eine geringere Aktivität im NAc steht mit einem geringeren Alkoholverlangen und einer geringeren Rückfallwahrscheinlichkeit in Zusammenhang. Die Autorinnen und Autoren konnten darüber hinaus aufzeigen, dass höhere CBD-Spiegel im Blut mit einem geringeren Alkoholverlangen und einer geringeren Aktivierung im NAc einhergingen. …
Link: https://idw-online.de/de/news846530
Originalpublikation: Zimmermann S., Teetzmann A., Baeßler J., Schreckenberger L., Zaiser J., Pfisterer M., Stenger M., Bach P.: Acute cannabidiol administration reduces alcohol craving and cue-induced nucleus accumbens activation in individuals with alcohol use disorder: the double-blind randomized controlled ICONIC trial. Molecular Psychiatry. 2024, doi: 10.1038/s41380-024-02869-y
Publikation in „Cell“: Restore-Diät verbessert Darm-Mikrobiom und Gesundheit
Universität Hohenheim
Studie mit Beteiligung der Uni Hohenheim: Ursprüngliche, nicht-industrialisierte Ernährung senkt Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes
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„Die Studienergebnisse zeigen klar, dass eine gezielte Umstellung der Ernährung auf eine ursprüngliche, pflanzenbasierte Ernährungsweise nicht nur die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms verbessern, sondern auch einen erheblichen Beitrag zur Prävention chronischer Krankheiten leisten kann.“
Link: https://idw-online.de/de/news846429
Cardiometabolic benefits of a non-industrialized-type diet are linked to gut microbiome modulation
Fuyong Li ∙ Anissa M. Armet ∙ Katri Korpela3 ∙ … ∙ Liang Li ∙ Carla M. Prado ∙ Jens Walter … https://www.cell.com/cell/fulltext/S0092-8674(24)01477-6
Schlanke Taille und ausreichend Bewegung – Erst die Kombination senkt das Krebsrisiko deutlich
Universität Regensburg
Über 40% der Weltbevölkerung leiden an abdomineller Adipositas, die durch überschüssiges Fett um die Taille gekennzeichnet ist. Knapp 30% der Menschen sind nicht ausreichend körperlich aktiv – zwei Faktoren, die nachweislich das Krebsrisiko erhöhen. Ein Team des Instituts für Epidemiologie und Präventivmedizin der Universität Regensburg hat in einer umfassenden Studie neue Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen abdomineller Adipositas, körperlicher Aktivität und dem Krebsrisiko gewonnen. Die Ergebnisse liefern wichtige Hinweise für die öffentliche Gesundheitsförderung.
Die Studie basiert auf Daten von 315.457 krebsfreien Teilnehmenden aus der UK Biobank, die über einen Zeitraum von 11 Jahren begleitet wurden. Die Studie fokussiert sich auf den Taillenumfang als Maß für abdominale Adipositas, im Gegensatz zum üblicherweise verwendeten Body-Mass-Index (BMI), der die allgemeine Fettleibigkeit widerspiegelt. Der Taillenumfang gilt inzwischen als präziserer Indikator für das Krebsrisiko, da er in engem Zusammenhang mit biologischen Prozessen wie der Insulinresistenz steht, die bei der Krebsentstehung eine Schlüsselrolle spielen.
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- Abdominelle Adipositas erhöht das allgemeine Krebsrisiko um 11%, Bewegungsmangel um 5%. Personen, die weder eine schlanke Taille haben noch ausreichend körperlich aktiv sind, tragen ein um 15% höheres Krebsrisiko als Personen mit schlanker Taille und ausreichender körperlicher Aktivität. Bei Krebsarten, die stark mit Adipositas und Bewegungsmangel assoziiert sind, steigt dieses Risiko auf 48%.
- Das Einhalten nur einer Empfehlung (schlanke Taille oder ausreichende körperliche Aktivität) reicht nicht aus, um die negativen Auswirkungen auf das Krebsrisiko auszugleichen, die durch das Verfehlen der anderen entstehen.
- Insgesamt waren abdominelle Adipositas und Bewegungsmangel für 2% aller Krebserkrankungen sowie für 6% der Adipositas- und Bewegungsmangel-assoziierten Krebserkrankungen in der UK Biobank Kohorte verantwortlich.
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Originalpublikation: Bohmann P, Stein MJ, Amadou A, et al. WHO guidelines on waist circumference and physical activity and their joint association with cancer risk. British Journal of Sports Medicine Published Online First: 22 January 2025. doi: 10.1136/bjsports-2024-108708
Link: https://idw-online.de/de/news846321
Nicht nur zu Spritzphasen: Pestizidmischungen das ganze Jahr über in Böden und Pflanzen präsent
Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau
Chemisch-synthetische Pestizide werden in der konventionellen Landwirtschaft in verschiedenen Kulturen wie im Ackerbau, Gemüseanbau oder Weinbau eingesetzt. Eine aktuell im Fachmagazin „Scientific Reports“ veröffentlichte Studie der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) hat die Pestizidbelastung erstmals im Jahresverlauf untersucht. Sie zeigt, dass Stoffe nicht nur während der Spritzphasen in den Feldern nachweisbar sind, sondern ganzjährig und auch auf angrenzenden Wiesen. Die Auswirkungen dieser chronisch nachgewiesenen komplexen Pestizidmischungen auf die Umwelt sind bislang nicht ausreichend untersucht und könnten erheblich sein.
In Deutschland werden auf mehr als 30 Prozent der Landesfläche Kulturpflanzen angebaut. Seit den 1970er Jahren werden in der industriellen Produktion von pflanzlichen Lebensmitteln im konventionellen Anbau flächendeckend chemisch-synthetische Pestizide zur Schädlings- und Unkrautbekämpfung und Vorbeugung gegen Pilzkrankheiten eingesetzt. Diese werden mittels Sprühtechnik großflächig ausgebracht – mehrfach pro Jahr und in Kombination verschiedener Wirkstoffe. Bis heute gibt es allerdings keinen Datensatz zur Belastung der Ackerböden. Die Studie, die im Kontext des Aktionsprogramms Insektenschutz durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert wurde, nahm die Anwesenheit von Pestizidwirkstoffen über ein ganzes Jahr auf.
Das Forschungsteam der RPTU führte von Februar 2021 bis Februar 2022 erstmals eine Studie mit monatlicher Probenahme durch. In je drei Feldern im Acker-, Gemüse- und Weinbau und den angrenzenden Wiesen in Rheinland-Pfalz wurden Oberboden- und Vegetationsproben im Abstand von einem, fünf und zwanzig Metern Entfernung zum Feld entnommen. Mit moderner Analysetechnik, mit der selbst geringe Konzentrationen nachgewiesen werden, wurden die Proben auf 93 gängige Pestizide untersucht.
Die Ergebnisse zeigen: Pestizide sind das ganze Jahr über in Böden und Vegetation in niedrigen Konzentrationen präsent. In den Böden fanden sich im Durchschnitt zehn Pestizide. In einer Probe hat das Forschungsteam 28 Stoffe gemessen. In der Vegetation konnten die Forschenden ebenfalls Pestizidmischungen nachweisen, hier jedoch mit jahreszeitlichen Schwankungen. Der Durchschnitt lag bei sieben Pestiziden in der Vegetation, die Maximalwerte in einzelnen Proben betrugen 25 Stoffe.
„Wir konnten zeigen, dass komplexe Mischungen von Pestiziden in niedrigen Konzentrationen das ganze Jahr über präsent sind. Welche Auswirkungen diese chronische Belastung von Mischungen auf die Umwelt hat, ist weitgehend unerforscht“, betont Umweltwissenschaftlerin Carolina Honert von der RPTU.
Chemisch-synthetische Pestizide sind so konzipiert, dass sie gezielt wirken sollen. „Dennoch greifen viele dieser Stoffe grundlegende biologische Prozesse wie die Nervenleitung, Zellteilung oder die Synthese von Proteinen an, wodurch sie wenig spezifisch sind und auch viele so genannte Nicht-Zielarten wie Schmetterlinge oder Regenwürmer schädigen“, erläutert Carsten Brühl, Ökotoxikologe an der RPTU. Diese unspezifische Wirkweise ist der Grund für die bestehende Risikobewertung für die Zulassung von Pestiziden. Allerdings werden im europäischen Zulassungsverfahren die Stoffe einzeln betrachtet und keine Mischungen bewertet. Aus Sicht der Forschenden unzureichend, denn Studien belegen den Zusammenhang zwischen Pestiziden und dem Rückgang der Artenvielfalt. Insbesondere beim Insektenrückgang in der Kulturlandschaft spielen sie eine herausragende Rolle.
In der aktuellen EU-weiten Praxis der Zulassung werden Einzelstoffe geprüft, aber nicht die Wirkung der in der Umwelt tatsächlich vorkommenden Mischungen, die in Ackerböden bis zu 28 verschiedene Pestizide umfassen können. In der aktuellen Studie wurden auch Pestizide nachgewiesen, die nicht im Untersuchungsjahr ausgebracht wurden. Das deutet laut der Forschenden auf längere Abbauraten in der Umwelt hin, als durch die Risikobewertung im Rahmen der Zulassung angenommen. Hinzu kommt der Ferntransport. „In einer anderen Studie (Brühl et al. 2023) haben wir in den Alpen die Ausbreitung von Pestiziden vom Apfelanbau im Tal untersucht und konnten diese selbst in Gipfelregionen und Schutzgebieten nachweisen“ so Brühl. „Wir müssen annehmen, dass Landschaften mit Agraranteil chronisch mit Pestiziden belastet sind“.
„Die nachgewiesenen komplexen Mischungen, die in mehr als 300 verschiedenen Kombinationen vorlagen, können nicht über eine Risikobewertung abgedeckt werden“, unterstreicht Brühl. Zudem sei der Umgang mit der realen Mischungstoxizität Aufgabe des Gesetzgebers. Die Forschenden plädieren daher für die schnelle Umsetzung einer deutlichen Reduktion des Pestizideinsatzes und -risikos um 50 Prozent, wie es in weltweiten Zielen des Globalen Biodiversitätsrahmens von Kunming-Montreal für 2030 definiert wurde. Alternative Anbausysteme bestehen bereits in vielfältiger Weise, sie müssen nur breitenwirksam dargestellt und in der Fläche gefördert und umgesetzt werden.
„Wir müssen jetzt handeln“, fordert Brühl. „Denn obwohl der Rückgang der Biodiversität von politischen Entscheidungsträgern wegen geringer Attraktivität in Wahlen in den Hintergrund gedrängt wird, besteht das Problem weiterhin und wird unsere Lebensgrundlage negativ beeinflussen.“
Originalpublikation: Carolina Honert, Ken Mauser, Ursel Jäger, Carsten A. Brühl. 2025. Exposure of insects to current use pesticide residues in soil and vegetation along spatial and temporal distribution in agricultural sites. Scientific Reports. https://doi.org/10.1038/s41598-024-84811-4
Link: https://idw-online.de/de/news846047
PanK4 als Regulator des Glukose- und Lipidstoffwechsels identifiziert
Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke
Körperliche Aktivität ist nicht nur wichtig für die Fitness, sondern auch für die Gesundheit. Das belegt eine neue Studie, die unter Leitung von Prof. Maximilian Kleinert am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) durchgeführt wurde. Sein Team fand heraus, dass das Protein PanK4 eine entscheidende Rolle im Energiestoffwechsel der Skelettmuskulatur spielt. Es reguliert die Glukoseaufnahme und Fettsäureoxidation und wird durch körperliche Bewegung aktiviert. Die Studie deutet darauf hin, dass PanK4 ein vielversprechender Ansatz zur Behandlung von Stoffwechselerkrankungen wie Typ-2-Diabetes sein könnte. Die Ergebnisse wurden in Nature Communications veröffentlicht.
Link: https://idw-online.de/de/news846072
Originalpublikation: Miranda-Cervantes, A., Fritzen, A. M., Raun, S. H., Hodek, O., Møller, L. L. V., Johann, K., Deisen, L., Gregorevic, P., Gudiksen, A., Artati, A., Adamski, J., Andersen, N. R., Sigvardsen, C. M., Carl, C. S., Voldstedlund, C. T., Kjøbsted, R., Hauck, S. M., Schjerling, P., Jensen, T. E., Cebrian-Serrano, A., Jähnert, M., Gottmann, P., Burtscher, I., Lickert, H., Pilegaard, H., Schürmann, A., Tschöp, M. H., Moritz, T., Müller, T. D., Sylow, L., Kiens, B., Richter, E. A., Kleinert, M.: Pantothenate kinase 4 controls skeletal muscle substrate metabolism. Nat. Commun. 16(1):345 (2025). [Open Access]
https://doi.org/10.1038/s41467-024-55036-w
Mikroorganismen liefern lebenswichtige Vitamine für Hülsenfrüchte
ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Natürliche Mikroorganismen können pflanzliche Lebensmittel wie Gelberbsen per Fermentation mit Vitamin B12 und anderen Vitaminen anreichern. Dies zeigte ein erfolgreiches Forschungsprojekt der ZHAW.
Eine pflanzenbasierte Ernährung gilt als gesund und nachhaltig. Auch die neue Schweizer Lebensmittelpyramide fördert diese. Bei einer rein pflanzlichen Ernährung war bislang das lebenswichtige Vitamin B12 nicht natürlich enthalten. ZHAW-Forschende am Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation haben dafür eine Lösung gefunden und nutzen Mikroorganismen, um die pflanzlichen Rohstoffe mit Vitamin B12 anzureichern. Sie setzen auf die Fermentation, eine uralte Methode, die ursprünglich vor allem den Zweck hatte, Lebensmittel haltbar zu machen. Doch sie kann das Essen generell aufwerten, indem Mikroorganismen einerseits erwünschte Stoffe, wie Vitamine, herstellen und anderseits unerwünschte Stoffe, wie FODMAPs (fermentierbare Oligo-, Di-, Monosaccharide und Polyole), abbauen.
Fermentation produziert Vitamin B12 sowie Folsäure
Im Projekt CREATE (funCtional micRoorganisms in a mEAT reduced diEt) nahmen die Forschenden Gelberbsen als Ausgangsmaterial und testeten natürliche Mikroorganismen auf ihre Fähigkeit, ob sie direkt im Gelberbsenmehl das gewünschte Vitamin B12 sowie Folsäure produzieren können. Folsäure hat einen engen Zusammenhang im Stoffwechsel mit Vitamin B12 und ist in der täglichen Ernährung oftmals auch limitiert. Deshalb sind in Nahrungsergänzungen meist beide Stoffe gemeinsam vorhanden. «Wir haben Mikroorganismen identifiziert, die im Fermentationsprozess die Vitamine in vielversprechenden Mengen herstellen», sagt ZHAW-Forscherin Susanne Miescher Schwenninger. Dem entstandenen Produkt müssen also keine Vitamine mehr beigefügt werden und es eignet sich – so zeigen Show-Cases – gut für Pasta oder Snacks.
Unverarbeitete Hülsenfrüchte wie die Gelberbse sind reich an sogenannten FODMAPs. Diese Gruppe von Kohlenhydraten und Zuckeralkoholen können zu leichten Verdauungsproblemen führen. Bei Menschen mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung, dem Reizdarmsyndrom oder funktionellen Magen-Darm-Beschwerden kann es Beschwerden verstärken. Die ZHAW-Forschenden suchten deshalb auch nach Mikroorganismen, die FODMAPs abbauen können – mit Erfolg. «Unsere Ergebnisse mit Gelberbsen waren so vielversprechend, dass wir nun den Abbau auch bei anderen Hülsenfrüchten testen wollen», so Miescher Schwenninger.
Die ZHAW verfügt über eine Sammlung von über 14’000 Stämmen von natürlichen Mikroorganismen. Für das Projekt mit den Gelberbsen wurden in etwa 500 Stämme auf ihre funktionellen Eigenschaften – Vitamine bilden und FODMAPs abbauen – getestet. Das Projekt ist eine Kooperation von drei Forschungsgruppen der ZHAW: Lebensmittelbiotechnologie, Lebensmittelchemie und Lebensmitteltechnologie. Weitere Partner sind das Labor für Lebensmittelbiochemie der ETH Zürich sowie FoodTech Startup Planted. Finanziert hat das Projekt die Gebert Rüf Stiftung im Rahmen des Förderprogramms «Microbials».
Link: https://idw-online.de/de/news846085 | https://www.grstiftung.ch/de/die-foerderung/portfolio~grs-092-20~.html
Neuer Ansatz gegen Krebs: Tumorzellen in der Energiefalle
Deutsches Krebsforschungszentrum
Die Glykolyse ist ein wichtiger Zucker-Abbauweg, auf den insbesondere Krebszellen angewiesen sind. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) zeigen nun, dass Leberkrebszellen von Maus und Mensch von einem zentralen Enzym der Glykolyse, der Aldolase A, abhängig sind. Wird sie ausgeschaltet, kehrt sich die Glykolyse von einem energieproduzierenden zu einem energieverbrauchenden Prozess um. Das führt zu einem massiven Energiemangel, aus dem sich die Zelle nicht durch Umschalten auf andere Stoffwechselwege retten kann, und schließlich zu verlangsamtem Tumorwachstum, bei Mäusen.
Link: https://idw-online.de/de/news845987
Originalpublikation: Marteinn T. Snaebjornsson, Philipp Poeller, Daria Komkova, Florian Röhrig, Lisa Schlicker, Alina M. Winkelkotte, Adriano B. Chaves-Filho, Kamal M. Al-Shami,Carolina Dehesa Caballero, Ioanna Koltsaki, Felix C. E. Vogel, Roberto Carlos Frias-Soler, Ramona Rudalska, Jessica Schwarz, Elmar Wolf, Daniel Dauch, Ralf Steuer & Almut Schulze
Targeting aldolase A in hepatocellular carcinoma leads to imbalanced glycolysis and energy stress due to uncontrolled FBP accumulation
Nature Metabolism 2025, DOI:
https://www.nature.com/articles/s42255-024-01201-w
Molekularer Wirkmechanismus von Ergothionein entschlüsselt: Länger gesund leben mit natürlicher Substanz aus Pilzen?
Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften – ISAS – e. V.
Nicht nur möglichst lange, sondern währenddessen vor allem ohne gesundheitliche Einschränkungen leben – das ist der Wunsch vieler Menschen. Doch mit steigendem Alter steigt auch das Risiko für altersbedingte Erkrankungen wie etwa Alzheimer oder Sarkopenie (Abbau von Muskelmasse und Muskelkraft im Alter). In der Alternsforschung rückt daher vermehrt die Zeit, in der eine Person innerhalb ihrer Lebensdauer gesund ist, in den Fokus. Dass die natürliche Substanz Ergothionein diese Gesundheitsspanne („Health Span“) alternder Tiere verbessert, zeigt nun ein internationales Team aus Forschenden unter Federführung des Leibniz-Instituts für Analytische Wissenschaften (ISAS).
Ergothionein ist eine natürliche Verbindung, die in bestimmten Pilzen wie Shiitake- oder Austernpilze oder fermentierten Lebensmitteln vorkommt. Die Aminosäure wird häufig als Nahrungsergänzungsmittel oder als Bestandteil von Kosmetik mit „Anti-Aging“-Effekten vermarktet. Auch wenn es Hinweise auf die gesundheitsfördernden und zellprotektiven Eigenschaften von Ergothionein gibt, war der Wirkmechanismus bisher unbekannt. „Unsere Analysen schaffen nun endlich Klarheit über den Mechanismus und zeigen darüber hinaus, dass Ergothionein ein vielversprechendes therapeutisches Potenzial zur Prävention altersbedingter Erkrankungen birgt“, berichtet Dr. habil. Miloš Filipović, korrespondierender Autor und Leiter der Forschungsgruppe ERC-Sulfaging am ISAS.
Die molekularen Mechanismen hinter ihren Beobachtungen untersuchten die Forschenden mittels massenspektrometrischer Analysen. Anhand von humanen und murinen Zellkulturen konnten sie zeigen, dass Ergothionein als alternatives Substrat für das Enzym Cystathionin-γ-Lyase (CSE) wirkt. Dieses Enzym spielt eine zentrale Rolle bei der Herstellung des gasförmigen Signalmoleküls Schwefelwasserstoff (H₂S), das Zellen durch den Prozess der Persulfidierung vor oxidativem Stress schützt. Eine reduzierte Persulfidierung wird mit Alterung, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und neurodegenerativen Erkrankungen in Verbindung gebracht. Bereits 2019 zeigte ein Team um Filipović, dass die Persulfidierung mit zunehmendem Alter abnimmt, sich aber beispielweise durch eine reduzierte Nahrungsaufnahme positiv beeinflussen lässt (vgl. Zivanovic et al., 2019).
Die neuen Forschungsergebnisse ergänzen die bisherigen Erkenntnisse: Ergothionein stimuliert die Persulfidierung, vor allem die eines spezifischen Enzyms, der Glycerol-3-Phosphat-Dehydrogenase (GPDH). Die so erhöhte Aktivität von GPDH steigert wiederum die Bildung von NAD⁺ – ein bekanntes Coenzym, das positiv auf die Lebensdauer wirkt. „Der menschliche Körper kann Ergothionein nicht selbst herstellen. Ein so spezifischer Verwertungsmechanismus lässt aber darauf schließen, dass es sehr wichtig für uns ist“, resümiert Petrovic. Den CSE-abhängigen Wirkmechanismus von Ergothionein konnten Forschende in Heidelberg, Cambridge und am ISAS unabhängig voneinander bestätigen.
Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse testeten die Forschenden auch, wie sich eine fünftägige Behandlung mit Ergothionein auf eine Gruppe junger Ratten auswirkt. Eine tägliche Dosis mit etwa 10 Milligramm der Substanz führte zu einer signifikanten Steigerung der Ausdauer sowie zu einem deutlich erhöhten NAD⁺-Spiegel im Blutserum. „Das deutet darauf hin, dass Ergothionein den Stoffwechsel ähnlich wie leistungssteigernde Mittel beeinflusst“, sagt Filipović. Um genau dieses Potenzial zu erforschen, plant er eine Studie mit gesunden menschlichen Probanden.
Link: https://idw-online.de/de/news845889 | Originalpublikation: Petrovic et al. Ergothioneine improves healthspan of aged animals by enhancing GPDH activity through CSE-dependent persulfidation, Cell Metabolism (2024), https://doi.org/10.1016/j.cmet.2024.12.008
Endodontie kann Herzerkrankungsrisiko senken
Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde e.V.
Wie Wurzelkanalbehandlungen das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen senken können Die Verbindung zwischen endodontischen Erkrankungen und koronaren Herzerkrankungen (KHK) rückt zunehmend in den Fokus der Forschung. Studien zeigen, dass Patienten mit apikaler Parodontitis ein 1,4- bis 5-fach erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen aufweisen. Obwohl ein direkter Kausalzusammenhang bislang nicht belegt ist, verdeutlichen die Daten die Bedeutung einer erfolgreichen endodontischen Therapie – nicht nur für die orale, sondern auch für die systemische Gesundheit.
Link: https://idw-online.de/de/news845933
Raffiniertes Frühwarnsystem: Wie Bakterien auf Gefahren reagieren
Universität Basel
Ein Forschungsteam der Universität Basel hat entdeckt, dass Bakterien dank eines Warnsignals Gefahren wahrnehmen können, bevor sie der Gefahr direkt ausgesetzt sind. Sie merken, wenn andere Bakterien in ihrer Umgebung sterben und bilden präventiv einen schützenden Biofilm. Das Verständnis, wie Bakterien miteinander kommunizieren und auf Bedrohungen reagieren, ist wichtig für die Bekämpfung von Infektionen.
Link: https://idw-online.de/de/news845848
Originalpublikation: Sanika Vaidya, Dibya Saha, Daniel K. H. Rode, Gabriel Torrens, Mads F. Hansen, Praveen K. Singh, Eric Jelli, Kazuki Nosho, Hannah Jeckel, Stephan Göttig, Felipe Cava & Knut Drescher.
Bacteria use exogenous peptidoglycan as a danger signal to trigger biofilm formation.
Nature Microbiology (2025), doi: 10.1038/s41564-024-01886-5
Verändertes Muster an nicht-krebsbedingten Todesursachen in den ersten Jahren nach Krebsdiagnose
Deutsches Krebsforschungszentrum
Vor dem Hintergrund steigender Überlebenschancen bei Krebs haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) das Spektrum der Todesursachen von Krebspatienten untersucht. In einer großangelegten Studie waren in den ersten drei Jahren nach Krebsdiagnose 16,2 Prozent der registrierten Todesfälle nicht unmittelbar krebsbedingt. Drei nicht durch Krebs bedingte Todesursachen kamen bei Betroffenen signifikant häufiger vor als in der Allgemeinbevölkerung: Lebererkrankungen, Suizide und Infektionen.
Link: https://idw-online.de/de/news845893
Gedenk C et al: Todesursachenspezifische Mortalit├Ąt in den ersten Jahren nach Diagnose einer Krebserkrankung. Onkologie 2024. https://doi.org/10.1007/s00761-024-01639-3
Die Gesundheit des Gehirns fördern: Selbstreinigung schützt Nervenzellen durch kontrollierten Zuckerverbrauch
Universität zu Köln
Wissenschaftler*innen der Universität zu Köln haben einen neuartigen Mechanismus entdeckt, durch den die Selbstreinigung, der zelluläre Recyclingprozess Autophagie, die Gehirnzellen von Mäusen schützt. Die Ergebnisse könnten neue therapeutische Ansätze für die Behandlung von Parkinson und Alzheimer ermöglichen / Veröffentlichung in „Nature Metabolism“.
Seit Langem wird die Autophagie, der Recyclingprozess beschädigter Zellbestandteile oder auch Selbstreinigung genannt, mit dem Schutz von Nervenzellen in Verbindung gebracht. Mit welchen Mechanismen die Autophagie die Gesundheit des Gehirns aufrechterhält, war jedoch bisher nicht bekannt. In Zusammenarbeit mit weiteren Einrichtungen der Universität zu Köln, des Forschungszentrums Jülich und der Universität Lausanne hat ein Forschungsteam unter der Leitung von Professor Dr. Natalia Kononenko vom Exzellenzcluster für Alternsforschung CECAD nun herausgefunden, dass das Protein ATG5 entscheidend für das Überleben von Nervenzellen ist, indem es den Glukosestoffwechsel, also den Verbrauch von Zuckern, im Gehirn reguliert. Die Studie „Autophagy regulator ATG5 preserves cerebellar function by safeguarding its glycolytic activity“ wurde in Nature Metabolism veröffentlicht.
Die Studie, die im Rahmen des Sonderforschungsbereiches SFB 1451 – Schlüsselmechanismen normaler und krankheitsbedingt gestörter motorischer Kontrolle durchgeführt wurde, unterstreicht die zentrale Rolle des Autophagie-Proteins ATG5 in Purkinje-Zellen. Diese Zellen sind spezielle Neuronen, die für die motorische Koordination wichtig sind. Bereits bekannt war, dass ATG5 zelluläre Abfälle recycelt. Die Forscher*innen fanden nun heraus, dass ATG5 außerdem die übermäßige Anhäufung des Glukosetransporters 2 (GLUT-2) auf der Zelloberfläche während der Gehirnentwicklung verhindert. Diese Regulierung hält die Glykolyse, den Prozess, bei dem die Zellen Glukose in Energie umwandeln, in den Purkinje-Zellen niedrig und schützt sie so vor Stoffwechselstörungen.
Die Wissenschaftler*innen entdeckten diesen Mechanismus mittels modernster Techniken wie PET-Bildgebung, Multi-omics und 3D-Kinematik und untersuchten damit Mäuse, denen das Protein ATG5 fehlt. Die Beobachtungen zeigten, dass sich GLUT2 anreichern konnte, was zu einer erhöhten Glukoseaufnahme, einer veränderten glykolytischen Aktivität und der Produktion giftiger Stoffwechselnebenprodukte führte. Diese Störungen führten schließlich zum Absterben der Purkinje-Zellen und zu motorischen Gangstörungen. Die Ergebnisse verdeutlichen, wie wichtig die Autophagie für die Erhaltung der Gesundheit des Kleinhirns ist.
„Unsere Forschung zeigt, dass es bei der Autophagie nicht nur darum geht, beschädigte Mitochondrien oder Proteinaggregate zu beseitigen“, erklärt die Erstautorin Dr. Janine Tutas. „In Purkinje-Zellen reguliert ATG5 aktiv Stoffwechselwege, um den Zelltod zu verhindern.“
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Link: https://idw-online.de/de/news845812 | https://www.cecad.uni-koeln.de/de/research/principal-investigators/full-members/natalia-kononenko | https://www.nature.com/articles/s42255-024-01196-4
Wie Tiefschlaf den Geist einer Maus buchstäblich reinigt
Eine gute Nachtruhe sorgt nicht nur dafür, dass man sich ausgeruht fühlt – sie kann den Geist buchstäblich reinigen. Eine neue Studie zeigt, wie Tiefschlaf während der Wachstunden Abfallprodukte im Gehirn abbauen kann, ein wesentlicher Prozess für die Erhaltung der Gehirngesundheit. Die Ergebnisse bieten auch Einblicke in die Frage, wie Schlafmittel das „Gehirnwäsche“-System stören und langfristig die kognitiven Funktionen beeinträchtigen können.
Wissenschaftler wissen, dass das Gehirn über ein eingebautes System zur Abfallbeseitigung verfügt, das sogenannte glymphatische System, das Flüssigkeit im Gehirn und Rückenmark zirkulieren lässt, um Abfallstoffe zu beseitigen. Dieser Prozess hilft dabei, toxische Proteine zu entfernen, die klebrige Plaques bilden, die mit neurologischen Störungen in Verbindung gebracht werden. Was dieses System antreibt, war jedoch bis jetzt unklar.
Dänische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass ein Molekül namens Noradrenalin eine Schlüsselrolle bei der Reinigung des Gehirns bei Mäusen spielt. Während des Tiefschlafs setzt der Hirnstamm etwa alle 50 Sekunden winzige Noradrenalinwellen frei. Noradrenalin veranlasst die Blutgefäße, sich zusammenzuziehen, wodurch langsame Pulsationen erzeugt werden, die einen rhythmischen Fluss in der umgebenden Flüssigkeit erzeugen, um Abfallstoffe abzutransportieren.
„Man kann sich Noradrenalin als den Dirigenten eines Orchesters vorstellen“, sagt die Hauptautorin Natalie Hauglund von der Universität Kopenhagen und der Universität Oxford, Großbritannien. “Es gibt eine Harmonie in der Verengung und Erweiterung der Arterien, die dann die Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit durch das Gehirn treibt, um die Abfallprodukte zu entfernen.“
Hauglund hatte dann noch eine weitere Frage: Ist jeder Schlaf gleich? Um dies herauszufinden, verabreichten die Forscher Mäusen Zolpidem, ein gängiges Schlafmittel. Sie stellten fest, dass die Noradrenalin-Wellen während des Tiefschlafs bei mit Zolpidem behandelten Mäusen um 50 % niedriger waren als bei natürlich schlafenden Mäusen. Obwohl die mit Zolpidem behandelten Mäuse schneller einschliefen, sank der Flüssigkeitstransport ins Gehirn um mehr als 30 %. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Schlafmittel die durch Noradrenalin gesteuerte Abfallbeseitigung während des Schlafs stören könnte.
Das Team gibt an, dass die Ergebnisse wahrscheinlich auch auf Menschen zutreffen, die ebenfalls über ein glymphatisches System verfügen, obwohl dies noch weiter untersucht werden muss. Forscher haben ähnliche Noradrenalinwellen, Blutflussmuster und Gehirnflüssigkeitsflüsse bei Menschen beobachtet. Ihre Ergebnisse könnten Aufschluss darüber geben, wie schlechter Schlaf zu neurologischen Störungen wie der Alzheimer-Krankheit beitragen kann.
Journal Reference: Natalie L. Hauglund, Mie Andersen, Klaudia Tokarska, Tessa Radovanovic, Celia Kjaerby, Frederikke L. Sørensen, Zuzanna Bojarowska, Verena Untiet, Sheyla B. Ballestero, Mie G. Kolmos, Pia Weikop, Hajime Hirase, Maiken Nedergaard. Norepinephrine-mediated slow vasomotion drives glymphatic clearance during sleep. Cell, 2025; DOI: 10.1016/j.cell.2024.11.027
Holundersaft zeigt positive Wirkung auf Gewichtsmanagement und Stoffwechselgesundheit
Laut einer aktuellen Studie könnte Holundersaft ein wirksames Mittel zur Gewichtskontrolle und zur Verbesserung der Stoffwechselgesundheit sein. Eine klinische Studie ergab, dass der tägliche Verzehr von 12 Unzen Holundersaft über einen Zeitraum von einer Woche positive Veränderungen im Darmmikrobiom bewirkt und die Glukosetoleranz und Fettoxidation verbessert.
Holunder, eine kleine dunkelviolette Beere, die an in Europa heimischen Holunderbäumen wächst, wird häufig als Heilpflanze und Nahrungsergänzungsmittel zur Förderung der Immunfunktion verwendet. Die anderen potenziellen gesundheitlichen Vorteile sind jedoch kaum erforscht.
Klinische Tests zeigten, dass Teilnehmer, die Holundersaft konsumierten, eine signifikante Zunahme nützlicher Darmbakterien, darunter Firmicutes und Actinobacteria, und eine Abnahme schädlicher Bakterien, wie Bacteroidetes, aufwiesen. Ein gesundes Darmmikrobiom ist für die Nährstoffaufnahme unerlässlich und unterstützt die körperliche und geistige Gesundheit.
Zusätzlich zu den positiven Veränderungen der Mikrobiota führte die Holunderbeersafteinnahme zu einer Verbesserung des Stoffwechsels. Die Ergebnisse zeigten, dass der Holunderbeersaft den Blutzuckerspiegel der Teilnehmer um durchschnittlich 24 % senkte, was auf eine deutlich verbesserte Fähigkeit zur Zuckerverarbeitung nach dem Verzehr von Kohlenhydraten hindeutet. Die Ergebnisse zeigten auch einen Rückgang des Insulinspiegels um 9 %.
Außerdem deuteten die Ergebnisse darauf hin, dass Holundersaft die Fähigkeit des Körpers zur Fettverbrennung verbessern kann. Bei den Teilnehmern, die Holundersaft erhielten, wurde nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit und während des Trainings eine deutlich erhöhte Fettoxidation, d. h. der Abbau von Fettsäuren, festgestellt.
Die Forscher führen diese positiven Effekte auf den hohen Gehalt an Anthocyanen in Holunder zurück, bei denen es sich um bioaktive Pflanzenstoffe handelt, die eine Vielzahl von gesundheitlichen Vorteilen haben, darunter entzündungshemmende, antidiabetische und antimikrobielle Wirkungen.
Journal Reference: Christy Teets, Nancy Ghanem, Guoying Ma, Jagrani Minj, Penelope Perkins-Veazie, Sarah A. Johnson, Andrea J. Etter, Franck G. Carbonero, Patrick M. Solverson. A One-Week Elderberry Juice Intervention Augments the Fecal Microbiota and Suggests Improvement in Glucose Tolerance and Fat Oxidation in a Randomized Controlled Trial. Nutrients, 2024; 16 (20): 3555 DOI: 10.3390/nu16203555