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Archive: Newsletter

Wöchentliche Ausgabe einer Linksammlung zum Thema, Relevantes zu Saluto- und Pathogenese

W3. Newsletter KW 20 2025

Flammarions Holzstich
Flammarions Holzstich, auch Wanderer am Weltenrand

Neue Hoffnung im Kampf gegen Superbakterien: Vielversprechender Antibiotikumkandidat entdeckt

Universität Wien

Das neuartige Glykopeptid Saarvienin A ist hochwirksam gegen resistente Krankheitserreger

Antibiotikaresistente Infektionen nehmen zu und drohen selbst häufige Krankheiten wieder tödlich zu machen. Ohne neue Antibiotika könnten laut Expert*innen bis 2050 jährlich bis zu 100 Millionen Menschen sterben. Auf der Suche nach neuen Wirkstoffen haben Forscher*innen mehrerer Institutionen, darunter die Universität Wien und das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), sich der Erforschung von Actinobakterien zugewandt – Mikroorganismen, die dafür bekannt sind, in ungewöhnlichen Umgebungen zu leben und Antibiotika wie Vancomycin, Rifamycin und Chelocardin zu produzieren. Jaime Felipe Guerrero Garzón von der Abteilung für Pharmakognosie am Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der Universität Wien entdeckte in Extrakten eines aus einer chinesischen Seltenerdmine isolierten Stamms von Amycolatopsis eine starke antibiotische Wirkung, die weitere Untersuchungen nach sich zog. Martin Zehl, Leiter des Massenspektrometriezentrums an der Universität Wien, fand heraus, dass diese antibiotische Wirkung mit einer potenziell neuartigen Verbindung aus der Klasse der Glykopeptide zusammenhängt. Mithilfe von Massenspektrometrie und Kernspinresonanzspektroskopie (NMR) identifizierte das Team am HIPS ein völlig neues Molekül: Saarvienin A.

Die Besonderheit von Saarvienin A wurde schon früh deutlich: Im Gegensatz zu etablierten Glykopeptiden wie Vancomycin bindet der neue Wirkstoff nicht an das typische bakterielle Zielmolekül, das an der Zellwandsynthese beteiligt ist. Stattdessen wirkt er wahrscheinlich über einen anderen, noch ungeklärten Mechanismus. Die Strukturanalyse ergab eine charakteristische Architektur: einen halogenierten Peptidkern, der durch eine ungewöhnliche Ureidoverbindung zyklisiert ist und mit einer Kette aus fünf Zucker- und Aminozuckereinheiten verziert ist – zwei davon sind in Naturstoffen völlig neu. „Wir waren begeistert, dass Saarvienin A in keine bekannte Kategorie passt“, sagte Jaime Felipe Guerrero. „Seine einzigartige Struktur könnte den Weg für Antibiotika ebnen, denen Bakterien noch nie begegnet sind.“

In enger Zusammenarbeit haben Forscher*innen des HIPS unter der Leitung des korrespondierenden Autors Rolf Müller die biologische Aktivität von Saarvienin A charakterisiert, benannt nach Saarbrücken und Vienna. Die Tests des neuen Moleküls gegen Bakterien konzentrierten sich insbesondere auf „ESKAPE-Erreger“ – eine berüchtigte Gruppe von Superbakterien, die gegen die meisten gängigen Antibiotika resistent sind. Die Verbindung zeigte eine bemerkenswerte Wirksamkeit gegen Vancomycin-resistente Enterokokken und Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA), darunter 3 ESKAPE-Erreger und 26 klinische Isolate. Es übertraf Vancomycin durchweg, selbst gegen Stämme, die bereits gegen mehrere andere Antibiotika resistent waren. „Die Entdeckung eines neuen Antibiotikums ist nur der Anfang“, sagte der korrespondierende Autor Sergey B. Zotchev von der Universität Wien. „Jetzt stehen wir vor der faszinierenden Herausforderung, es zu einem für die klinische Anwendung geeigneten Wirkstoffkandidaten zu veredeln.“

Nachdem die biosynthetischen Gene für Saarvienin A bereits identifiziert und kloniert wurden, plant das internationale Team, das Molekül mithilfe von medizinischer Chemie und Biosynthese zu optimieren. Ein wichtiges Ziel ist es, die Zytotoxizität zu reduzieren und gleichzeitig die antibakterielle Wirkung zu erhalten. Auch wenn noch Herausforderungen zu bewältigen sind, gibt die Entdeckung von Saarvienin A der Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen den dringend benötigten Impuls – und unterstreicht das Potenzial unerschlossener natürlicher Ressourcen.

Link: https://idw-online.de/de/news852106 | https://medienportal.univie.ac.at/media/aktuelle-pressemeldungen/detailansicht/artikel/neue-hoffnung-im-kampf-gegen-superbakterien-vielversprechender-antibiotikumkandidat-entdeckt/

Originalpublikation:

Saarvienin A – A Novel Glycopeptide with Potent Activity against Drug-Resistant Bacteria. Amninder Kaur, Jaime Felipe Guerrero-Garzón, Sari Rasheed, Martin Zehl, Franziska Fries, Bernd Morgenstern, Sergey B. Zotchev, and Rolf Müller

In Angew. Chem. Int. Ed. 2025, e202425588.

DOI: https://doi.org/10.1002/anie.202425588

 

Wie eine flexible Proteindomäne Gentranskription und RNA-Verarbeitung verknüpft

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

Dr. Tanja Bhuiyan und ein Team von Forschenden der Universität Freiburg entdeckeneinen Mechanismus, der neue Einblicke in die molekulare Steuerung der Genregulation ermöglicht. Die Ergebnisse legen nahe, dass der Transkriptionsfaktor TAF2 das alternative Spleißen bestimmter mRNAs beeinflusst. Die Studie offenbart eine regulatorische Funktion einer konservierten IDR, die die räumliche Organisation von Genregulation und RNA-Verarbeitung miteinander verbindet.

In einer neuen Studie, veröffentlicht in Cell Reports, zeigen Forschende der Universität Freiburg, wie ein ungeordneter Proteinabschnitt zwei zentrale Schritte der Genexpression miteinander verknüpft: das Ablesen von Genen und die Bearbeitung ihrer RNA-Produkte. Bei dem untersuchten Protein handelt es sich um TAF2, einen Bestandteil des allgemeinen Transkriptionsfaktors TFIID. Eine spezielle, sogenannte intrinsisch ungeordnete Region (IDR) innerhalb von TAF2 wirkt dabei wie ein internes Positionssignal, das das Protein gezielt in bestimmte Bereiche des Zellkerns leitet. Die Studie verdeutlicht, dass flexible Proteinregionen wie die IDR von TAF2 nicht nur die räumliche Organisation molekularer Prozesse prägen, sondern auch durch gezielte Lenkung in nukleäre Speckles als wichtige Regulatoren spezifischer Funk-tionen wirken könnten — ein Mechanismus, der möglicherweise auch bei krankheitsrelevanten Prozessen von Bedeutung ist.

Die Studie wurde geleitet von Dr. Tanja Bhuiyan, Postdoktorandin am Institut für Experi-mentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Universität Freiburg sowie am Exzellenzcluster CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies. Die Ergebnisse verdeutlichen die regulatorische Funktion einer Art von Proteindomänen, die in vielen nukleären Proteinen vorkommen, bislang aber kaum erforscht sind.

Die intrinsisch ungeordnete Region (IDR) von TAF2 steuert das Protein weg von aktiven Gen-promotoren, wo es an der Initiierung der Transkription beteiligt ist, hin zu nukleären Speckles – flüssigkeitsähnlichen Kompartimenten, die wichtige Faktoren für die RNA-Verarbeitung bündeln. Mithilfe einer Kombination aus hochauflösenden Bildgebungsverfahren, genomweiten Sequenzierungsanalysen und Proteomik zeigt das Team, dass TAF2 dynamisch zwischen unterschiedlichen Bereichen im Zellkern wechselt und dabei je nach Aufenthaltsort verschiedene Funktionen übernimmt.

„Wir haben herausgefunden, dass TAF2 nicht nur als Teil des klassischen TFIID-Komplexes an Genpromotoren wirkt“, erklärt Bhuiyan. „Vielmehr ermöglicht diese flexible Region, dass das Protein zwischen verschiedenen nukleären Kompartimenten pendelt – wodurch es mit RNA-verarbeitenden Proteinkomplexen interagieren und die finale Ausgestaltung genetischer Informationen beeinflussen kann.“

Die Forschenden konnten zeigen, dass TAF2 in drei funktionellen Pools vorkommt: im kanonischen TFIID-Komplex an Promotoren, in nicht-kanonischen Komplexen mit dem Spleißfaktor SRRM2 und konzentriert in nukleären Speckles. Nach Entfernen der IDR wanderte TAF2 nicht mehr in die Speckles, sondern sammelte sich vermehrt an Genpromotoren an. Überraschenderweise führte diese Verlagerung nicht zu einer generellen Veränderung der Genakti-vität, veränderte jedoch die Art und Weise, wie bestimmte RNA-Transkripte verarbeitet wurden – ein Mechanismus, der als alternatives Spleißen bezeichnet wird. Dadurch können Zellen verschiedene Proteine aus demselben Gen erzeugen.

„Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die räumliche Umlenkung von TAF2 die Aktivierung oder Deaktivierung von Genen nicht direkt steuert“, erläutert Prof. Dr. Sebastian Arnold, Letztautor der Studie und Gruppenleiter am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Universität Freiburg sowie am CIBSS. „Stattdessen beeinflusst TAF2, wie Informationen auf der RNA-Ebene verarbeitet werden – eine subtilere, aber potenziell weitreichende Form der Genregulation.“

Die Studie leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der räumlichen Organisation molekularer Prozesse. Anstatt ausschließlich linearen Signalwegen zu folgen, nutzen viele Regulationsmechanismen dynamische räumliche Kompartimentierung und flexible Proteinstrukturen. Die Forschung hebt zudem die wachsende Bedeutung intrinsisch ungeordneter Pro-teinregionen (IDRs) hervor. Einst als strukturell unbestimmt angesehen, werden diese flexiblen Sequenzen heute als Schlüsselelemente in der Bildung biomolekularer Kondensate und als wichtige Regulatoren spezifischer Funktionen erkannt. Die IDR von TAF2 enthält einen konservierten Abschnitt aus Histidin- und Lysinresten und unterstützt damit die Hypothese, dass die gezielte Lenkung in nukleäre Speckles durch Phasentrennung ein grundlegendes Prinzip in der nukleären Genregulation sein könnte.

Zwar thematisiert die aktuelle Studie keine krankheitsrelevanten Mechanismen, jedoch beeinflussten die beobachteten Spleißereignisse Gene, die an Neuroentwicklung und Memb-rantransport beteiligt sind. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass die räumliche Dynamik von TAF2 eine weitreichendere biologische Relevanz haben könnte. Zukünftige Forschungsarbei-ten könnten klären, ob dieser Regulationsmechanismus auch bei der Zellidentität, in Stressreaktionen oder bei pathologischen Prozessen eine Rolle spielt.

Link: https://idw-online.de/de/news852134 | https://uni-freiburg.de/wie-eine-flexible-proteindomaene-gentranskription-und-rna-verarbeitung-verknuepft/

Originalpublikation:

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/40287942/

 

Gelbfieber-Impfung: Wie starke Immunantworten ausgelöst werden

Ludwig-Maximilians-Universität München

Forschende zeigen, wie bestimmte Immunzellen durch die Impfung aktiviert werden – ein wichtiger Ansatzpunkt für die Entwicklung neuer Impfstoffe.

Die Gelbfieber-Impfung mit dem Lebendimpfstoff YF17D gehört zu den wirksamsten Impfungen überhaupt. Schon eine einzelne Dosis schützt langfristig vor der Krankheit. Weil die Immunantwort dabei so stark und dauerhaft ist, eignet sich dieser Impfstoff besonders gut zur Erforschung effektiver Schutzmechanismen des Immunsystems gegen Virusinfektionen. Allerdings ist noch nicht vollständig verstanden, wie genau dieser Impfstoff eine so außergewöhnlich gute Immunantwort auslöst.

Ein Team um die Immunologin Anne Krug, Professorin am Biomedizinischen Centrum der LMU, hat in Zusammenarbeit mit Professor Simon Rothenfußer am LMU Klinikum nun untersucht, wie bestimmte Immunzellen – sogenannte dendritische Zellen (DCs) und Monozyten – auf die Impfung reagieren. Dazu wurden bei über 200 gesunden Erwachsenen verschiedene DC- und Monozyten-Zelltypen aus dem Blut vor und nach der Impfung analysiert. Nach der Impfung zeigten viele dieser Immunzellen eine typische Aktivierung durch sogenannte Interferone – Botenstoffe, die bei Virusabwehr eine große Rolle spielen.

Besonders auffällig war das Zelloberflächenmolekül SIGLEC-1, das innerhalb einer Woche nach der Impfung bei bestimmten Zelltypen verstärkt auftrat und mit einer schnellen Bildung schützender Antikörper gegen das Gelbfiebervirus in Verbindung stand.

„Unsere Studie liefert neue Erkenntnisse darüber, wie genau das Immunsystem auf eine sehr wirksame Impfung reagiert“, sagt Krug. „Das kann helfen, neue Impfstoffe zu entwickeln, die schnell Schutz bieten – etwa bei neu auftretenden Epidemien. Außerdem könnte SIGLEC-1 künftig als nützlicher Biomarker in Impfstudien dienen.“

Link: https://idw-online.de/de/news852165

Originalpublikation:

E. Winheim et al.: Interferon-induced activation of dendritic cells and monocytes by yellow fever vaccination correlates with early antibody responses. PNAS 2025.

https://doi.org/10.1073/pnas.2422236122

 

Embryonale Makrophagen im Knochenmark: notwendig für normale Stammzellzahl

Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut e.V. (FLI)

Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena haben eine bisher unbekannte Funktion von Immunzellen im Knochenmark entdeckt. Embryonale Makrophagen – spezialisierte Fresszellen des Immunsystems – beeinflussen die Bildung von Blutstammzellen und damit die lebenslange Produktion von Blutzellen. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Größenregulierung des hämatopoetischen Stammzellpools, der für die kontinuierliche Produktion von Blutzellen und die Aufrechterhaltung eines gesunden Immunsystems unerlässlich ist.

Jena. Unser Immunsystem unterliegt einer ständigen Erneuerung, denn Immun- und Blutzellen haben nur eine begrenzte Lebensdauer und müssen daher permanent ersetzt werden. Dafür sorgen blutbildende Stammzellen, die sich im Knochenmark befinden. Der Prozess der Blutzellbildung ist für die Aufrechterhaltung eines funktionalen Immunsystems und daher für die Gesundheit im Alter sehr wichtig. Damit der Prozess der Blutzellbildung reibungslos funktioniert, ist eine spezielle Umgebung nötig: die hämatopoetische Nische, die aus vielen unterstützenden Zellen besteht. Wie sich diese Nische während der Entwicklung bildet, ist bislang weitgehend unbekannt.

Jena. Unser Immunsystem unterliegt einer ständigen Erneuerung, denn Immun- und Blutzellen haben nur eine begrenzte Lebensdauer und müssen daher permanent ersetzt werden. Dafür sorgen blutbildende Stammzellen, die sich im Knochenmark befinden. Der Prozess der Blutzellbildung ist für die Aufrechterhaltung eines funktionalen Immunsystems und daher für die Gesundheit im Alter sehr wichtig. Damit der Prozess der Blutzellbildung reibungslos funktioniert, ist eine spezielle Umgebung nötig: die hämatopoetische Nische, die aus vielen unterstützenden Zellen besteht. Wie sich diese Nische während der Entwicklung bildet, ist bislang weitgehend unbekannt.

Das Forscherteam konnte zeigen, dass es zwei verschiedene Gruppen von Makrophagen im Knochenmark gibt: eine mit embryonalem Ursprung und eine, die erst nach der Geburt aus anderen Stammzellen entsteht. „Die Zellpopulation der Makrophagen ist heterogen und setzt sich in Abhängigkeit vom Alter aus Makrophagen unterschiedlichen Ursprungs zusammen, so dass sie entweder aus der Embryonalentwicklung stammen oder mit zunehmendem Alter im Erwachsenenalter entstehen“, erläutert Prof. Waskow, Leiterin der Forschungsgruppe „Immunologie des Alterns“ am FLI.

Trotz ähnlicher Morphologie (äußere Erscheinung) unterscheiden sich die Makrophagen doch wesentlich hinsichtlich ihrer Funktion. “Insbesondere die embryonalen Makrophagen sind unverzichtbar für die richtige Anzahl von Blutstammzellen im Knochenmark, jedoch nicht für ihre anfängliche Bildung im Embryo erforderlich,“ betont Dr. Gülce Perçin, die Erstautorin der Studie. „Fehlen diese Makrophagen, dann ist die Anzahl der Blutstammzellen reduziert und es gibt weniger Vorläuferzellen für neue Blutzellen. Sie beeinflussen damit die Fähigkeit des Körpers, lebenslang neue Blutzellen zu bilden.“

Doch wie machen embryonale Makrophagen das? Ihr Fehlen hat Auswirkungen auf die Einwanderung von blutbildenden Stammzellen in das Knochenmark. Die Stammzellen entwickeln sich an anderen Orten im Embryo und wandern um die Geburt herum in das Knochenmark ein, wo sie anschließend lebenslang bleiben. Die Stammzellen finden ihren „Bestimmungsort“ durch chemische Signale aus dem Knochenmark – vergleichbar mit einem speziellen „Geruch“ – den die Stammzellen erkennen und so wissen, wo sie gebraucht werden. Mesenchymale Stromazellen, die in der Nischen-Umgebung vorkommen, sind in der Lage, diese wichtigen Signale für Stammzellen abzusondern. Doch die Anzahl dieser spezialisierten Stromazellen und die Produktion der Signale wird durch die im Knochenmark ansässigen Makrophagen embryonalen Ursprungs koordiniert. Fehlen die embryonalen Makrophagen, funktioniert der Prozess der Einwanderung von Blutstammzellen nicht mehr optimal.

„Unsere Ergebnisse verdeutlichen, wie komplex die Interaktionen während der Etablierung der Blutbildungsaktivität im Knochenmark sind und heben die Bedeutung der Ontogenese, also der Herkunft der Makrophagen, hervor. Sie unterstreichen, dass Makrophagen des Knochenmarks nicht nur einfache Immunzellen sind, sondern aktiv die Bedingungen für eine gesunde Blutbildung steuern“, fassen die Autoren der Studie die Ergebnisse zusammen. „Wenn es uns gelingt, die Rolle der embryonalen Makrophagen noch besser zu verstehen, hätte das nicht nur weitreichende Implikationen für die Forschung zu alternsbedingten Erkrankungen. Die Identifizierung der regulatorischen Mechanismen, die der Etablierung und Aufrechterhaltung der adulten Hämatopoese zugrunde liegen, könnte auch neue therapeutische Ansätze zur Förderung der Gesundheit im Alter eröffnen.“ …

Link: https://idw-online.de/de/news852153

Originalpublikation:

Perçin, G., Riege, K., Fröbel, J. et al. Embryonic macrophages orchestrate niche cell homeostasis for the establishment of the definitive hematopoietic stem cell pool. Nat Commun 16, 4428 (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-025-59059-9

 

Frage an Gemini 2.5 Pro (preview):

Die Genese der Lipomatose – ein vielschichtiger Zustand

Die Lipomatose, die durch das Vorhandensein mehrerer Lipome (gutartige Tumore aus reifen Fettzellen) gekennzeichnet ist, hat eine komplexe und vielfältige Ursache. Während die genaue Ursache für einige Formen noch immer schwer zu bestimmen ist, weist die Forschung auf eine Kombination aus genetischen Veranlagungen, Stoffwechselstörungen, hormonellen Einflüssen, Traumata und Entwicklungsfaktoren hin.1

Schlüsselfaktoren für die Entstehung von Lipomatose:

  • Genetische Veranlagung:
  • Familiäre multiple Lipomatose (FML): Diese Form wird häufig autosomal-dominant vererbt, d. h. eine einzige Kopie eines veränderten Gens reicht aus, um die Krankheit auszulösen.2 Eine Überexpression des HMGA2-Gens (High Mobility Group AT-hook 2), die häufig auf Umlagerungen in der Chromosomenregion 12q13-15 zurückzuführen ist, spielt eine wichtige Rolle.3 HMGA2 spielt eine Rolle bei der Chromatinstruktur und der Genregulation, und seine Dysregulation kann zu einer abnormalen Zellproliferation führen.4 Andere Chromosomenanomalien, wie Deletionen in 13q oder Rearrangements in 6p21-23, wurden ebenfalls bei Lipomen beobachtet.5
  • Syndromische Lipomatose: Lipomatose kann ein Merkmal verschiedener genetischer Syndrome sein, denen jeweils unterschiedliche Mutationen zugrunde liegen:▪ Gardner-Syndrom: Verursacht durch Mutationen im APC-Gen (Adenomatous Polyposis Coli).
  • Proteus-Syndrom: Hängt mit aktivierenden Mutationen im AKT1-Gen zusammen.6
  • Cowden-Syndrom und Bannayan-Riley-Ruvalcaba-Syndrom: Stehen im Zusammenhang mit Mutationen im PTEN-Gen.7
  • Multiple endokrine Neoplasie Typ 1 (MEN1): Entsteht durch Mutationen im MEN1-Gen.8
  • Störungen des Stoffwechsels:
  • Madelung-Krankheit (Multiple symmetrische Lipomatose): Diese spezielle Form der Lipomatose, die durch ausgedehnte, nicht eingekapselte Fettablagerungen gekennzeichnet ist, die sich typischerweise im Nacken, an den Schultern und am oberen Rumpf befinden, steht in engem Zusammenhang mit chronischem Alkoholmissbrauch.9 Es wird angenommen, dass Alkohol die Funktion der Mitochondrien beeinträchtigt (Mutationen in der mitochondrialen DNA, wie die A8344G-Mutation im tRNA-Lysin-Gen, wurden berichtet) und die durch Adrenergika stimulierte Lipolyse (den Abbau von Fett) stört.

Andere Stoffwechselerkrankungen wie Hyperlipidämie (hoher Cholesterinspiegel), Diabetes mellitus, Lebererkrankungen und Schilddrüsenunterfunktion werden häufig bei Menschen mit bestimmten Formen der Lipomatose, insbesondere der Madelung-Krankheit, beobachtet, was auf eine systemische Stoffwechselstörung hindeutet.10

  • Die Forschung untersucht auch mögliche Defekte in der Regulierung des braunen Fettgewebes (BAT) und in den Signalwegen der Adipozyten (Fettzellen).
  • Hormonelle Einflüsse:
  • Auch wenn nicht alle Formen der Lipomatose vollständig geklärt sind, ist bekannt, dass Hormone einen erheblichen Einfluss auf das Fettgewebe haben.11 Östrogen zum Beispiel spielt eine Rolle bei der Fettverteilung und wird als Faktor bei Erkrankungen wie Lipödemen angesehen.12
  • In Fallberichten wurde ein möglicher Zusammenhang zwischen einer Hormonersatztherapie (Östrogen und Progesteron) und der Entwicklung multipler Lipome vermutet.13
  • Die Differenzierung und der Stoffwechsel der Adipozyten werden durch verschiedene Hormone, darunter Leptin und Angiotensin II, stark reguliert. Dysregulationen in diesen Hormonwegen könnten möglicherweise zur Lipombildung beitragen.
  • Trauma:
  • Es wurde über die Entstehung von Lipomen nach einem physischen Trauma berichtet (posttraumatische Lipome).14 Es gibt zwei Haupttheorien:▪ Pseudolipombildung: Herniation oder Prolaps von vorhandenem Fettgewebe durch Fasziendefekte, die durch die Verletzung verursacht wurden.
  • Echte Lipombildung: Traumabedingte Entzündungen, Fettnekrosen und die anschließende Freisetzung von Zytokinen und Wachstumsfaktoren können die Differenzierung und Proliferation von Präadipozyten (unreifen Fettzellen) anregen, was zur Bildung eines neuen Lipoms führt.15
  • Entwicklungs- und Embryogenitätsfaktoren:
  • Kongenitale Lipomatose: Einige Formen der Lipomatose treten bereits bei der Geburt auf oder entwickeln sich in der frühen Kindheit, was auf einen Ursprung in embryogenen Prozessen hindeutet.16▪ Kongenitale infiltrierende Lipomatose des Gesichts (CILF): Bei dieser seltenen Erkrankung kommt es zu einer Infiltration von nicht eingekapseltem reifem Fettgewebe in die Weichteile des Gesichts und manchmal auch in die Knochen.17 Es wird angenommen, dass sie durch postzygotische somatische Mutationen entsteht, die pluripotente Embryonalzellen betreffen, oder dass es sich um eine abnorme Entwicklung von Neuralleistenderivaten handelt.
  • Lipomatöse Fehlbildungen der Wirbelsäule: Hierbei handelt es sich um angeborene Anomalien, die aus einer abnormalen Entwicklung des Schwanzansatzes des Embryos resultieren.
  • Molekulare Mechanismen in den Adipozyten:
  • Auf zellulärer Ebene bestehen Lipome aus reifen Adipozyten. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass es im Lipomgewebe zu einer erhöhten Adipogenese (Bildung neuer Fettzellen) aus aus Fettgewebe stammenden Stamm-/Vorläuferzellen (ASCs) kommen kann.18
  • Es wurden Veränderungen bei lokalen Signalmolekülen beobachtet.19 So kann beispielsweise die Leptin-mRNA hochreguliert sein, während Adiponektin (ein Hormon, das an der Regulierung des Glukosespiegels und des Fettsäureabbaus beteiligt ist) im Lipomgewebe herunterreguliert sein kann.20

Eine verringerte Lipolyse (der Stoffwechselprozess, bei dem gespeichertes Fett abgebaut wird) wird ebenfalls als ein häufiger Mechanismus vorgeschlagen, der zur Lipidansammlung in Lipomen beiträgt.21

Schlussfolgerung:

Für die Entstehung von Lipomatose gibt es nicht nur einen einzigen Entstehungsweg, sondern sie ist das Ergebnis verschiedener potenzieller Faktoren, die unabhängig voneinander oder gemeinsam wirken können. Eine genetische Veranlagung legt den Grundstein für viele Formen, insbesondere für familiäre und syndromale Formen.22 Stoffwechselstörungen, insbesondere bei Erkrankungen wie dem Morbus Madelung, spielen eine entscheidende Rolle. Hormonelle Einflüsse, Reaktionen auf Traumata und Fehlentwicklungen in der Embryonalentwicklung können ebenfalls zur Entstehung multipler Lipome beitragen. Die Forschung arbeitet weiter daran, die komplizierten molekularen und zellulären Mechanismen zu entschlüsseln, die dieser Krankheit zugrunde liegen.

 

Lecanemab bei Alzheimer-Demenz: IQWiG startet Informationsangebot

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

Lecanemab bei Alzheimer-Demenz: IQWiG startet Informationsangebot Trotz Zulassung ist Lecanemab noch nicht verfügbar. Zunächst müssen Aufklärungsmaterialien entstehen. Erst mit Verkaufsstart startet dann auch die Nutzenbewertung von IQWiG und G-BA. Auf gesundheitsinformation.de informiert das IQWiG ab jetzt über den Wirkstoff.

Link: https://idw-online.de/de/news852088 | https://www.gesundheitsinformation.de/lecanemab-leqembi-bei-frueher-alzheimer-demenz.html

 

Kinästhetik: Profitieren Personen mit Pflegebedarf und beruflich Pflegende von der „Lehre von der Bewegungsempfindung“?

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

Kinästhetik: Profitieren Personen mit Pflegebedarf und beruflich Pflegende von der „Lehre von der Bewegungsempfindung“? Stellungnahmen zum vorläufigen ThemenCheck-Bericht bitte bis zum 09.06.2025.

Link: https://idw-online.de/de/news852040

Originalpublikation:

https://www.iqwig.de/sich-einbringen/themencheck-medizin/berichte/t23-05.html

 

Neuer Ansatz für die Entwicklung von Arzneimitteln zur Behandlung der Hauterkrankung Psoriasis

Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Ein Forschungsteam der Unimedizin Mainz hat neue, wegweisende Erkenntnisse über die Entstehung der Autoimmunerkrankung Psoriasis gewonnen. Die Wissenschaftler:innen fanden heraus, dass die Fettsäureproduktion (FAS) ein zentraler Stoffwechselprozess ist, der die Entzündungsreaktion bei der Hauterkrankung vorantreibt. Diese Reaktion wird bei Psoriasis durch bestimmte Immunzellen – sog.Gamma-Delta-T17-Zellen – ausgelöst. Der gezielte Eingriff in die FAS reduzierte die durch diese Immunzellen vermittelte Entzündung deutlich. Damit haben die Forschenden einen potenziellen Ansatz für die Entwicklung von Arzneimitteln zur Behandlung der Psoriasis und anderer entzündlicher Erkrankungen entdeckt.

Die Psoriasis, auch Schuppenflechte genannt, ist eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung. Die schubweise verlaufende Autoimmunerkrankung zählt weltweit zu den häufigsten Hautkrankheiten. In Deutschland sind etwa zwei Prozent der Bevölkerung betroffen. Die Psoriasis kann in jedem Lebensalter auftreten. Typische Symptome sind rote, schuppige Hautstellen, die sich häufig an Ellbogen, Knien, an der Kopfhaut oder im unteren Rückenbereich bilden und Juckreiz und Brennen verursachen können. Die Erkrankung kann die Lebensqualität der Betroffenen stark beeinträchtigen.

Eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen wie Psoriasis spielen die sogenannten T-Zellen. Diese Immunzellen erkennen normalerweise fremde Antigene und lösen eine gezielte Abwehrreaktion aus. Bei Autoimmunerkrankungen ist das Abwehrsystem jedoch gestört: Die T-Zellen greifen fälschlicherweise körpereigene Zellen an, indem sie Entzündungsprozesse auslösen. Die Psoriasis wird in erster Linie durch eine überaktive Immunreaktion von speziellen Untergruppen von T-Zellen, T-Helfer-17- und Gamma-Delta (γδ)-T17-Zellen, verursacht. Diese produzieren den entzündungsfördernden Botenstoff (Zytokin) Interleukin-17A (IL-17A).

Um die molekularen Mechanismen, die die entzündlichen Prozesse bei Psoriasis auslösen und vorantreiben, noch besser zu verstehen, hat das Forschungsteam unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Tim Sparwasser, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universitätsmedizin Mainz, den Stoffwechsel der Gamma-Delta-T17-Zellen analysiert. Bei ihren Untersuchungen gelang es den Wissenschaftler:innen, einen bisher unerkannten Stoffwechselmechanismus der Immunzellen zu identifizieren. Sie fanden heraus, dass Gamma-Delta-T17-Zellen während der psoriatischen Entzündung eine metabolische Umprogrammierung durchlaufen und dass die entzündungsfördernde Aktivität der Zellen dabei durch einen spezifischen Stoffwechselprozess, die Fettsäureproduktion (Fatty Acid Synthesis, FAS), reguliert wurde. Die Mainzer Forschenden konnten im Rahmen ihrer Untersuchungen zeigen, dass die Blockade von ACC1 (Acetyl-CoA-Carboxylase 1), eines Schlüsselenzyms der FAS, in den Gamma-Delta-T17-Zellen die IL-17A-Produktion und die durch die Immunzellen vermittelte Entzündung deutlich reduzierte. Die Studienergebnisse deuten nach Ansicht der Wissenschaftler:innen darauf hin, dass die pharmakologische Hemmung von ACC1 ein vielversprechender neuer Ansatz zur Behandlung von Psoriasis ist.

Professor Sparwasser erläutert: „Aktuelle Psoriasis-Behandlungen zielen auf Interleukin-17A oder das Immunsystem direkt ab. Im Gegensatz dazu identifiziert unsere Studie den Stoffwechsel als zentralen Treiber der IL-17A-Produktion in Gamma-Delta-T17-Zellen und der durch die Immunzellen ausgelösten Entzündungsreaktion. Unsere Erkenntnisse belegen, dass ein gezielter Eingriff in die Fettsäureproduktion einen neuen Weg zur Behandlung von Psoriasis mit weniger Nebenwirkungen bieten könnte. Darüber hinaus könnte dieser Ansatz auch eine neue therapeutische Strategie für andere Autoimmunerkrankungen, wie die rheumatoide Arthritis oder entzündliche Darmerkrankungen, darstellen. Eine wichtige Herausforderung für die Zukunft wird es sein, Strategien zu entwickeln, um die Blockade der Fettsäuresynthese spezifisch in T-Zellen zu erreichen.“

Die Forschenden des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universitätsmedizin Mainz führten die Studie in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftler:innen anderer Einrichtungen, insbesondere des Forschungszentrums für Immuntherapie (FZI), des Instituts für Immunologie und des Instituts für Molekulare Medizin der Universitätsmedizin Mainz durch. Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen verschiedener Projekte und Sonderforschungsbereiche (SFBs), darunter SFB/TR 156, SFB/TR 355 und SFB 1292, gefördert.

Link: https://idw-online.de/de/news852031

Originalpublikation:

Yu-San Kao, Mario Lauterbach, Aleksandra Lopez Krol, Ute Distler, Gloria Janet Godoy, Matthias Klein, Rafael Jose Argüello, Fatima Boukhallouk, Sara Vallejo Fuente, Kathrin Luise Braband, Assel Nurbekova, Monica Romero, Panagiota Mamareli, Luana Silva, Luis Eduardo Alves Damasceno, Francesca Rampoldi, Luciana Berod, Lydia Lynch, Karsten Hiller, Tim Sparwasser; Metabolic reprogramming of interleukin-17-producing γδ T cells promotes ACC1-mediated de novo lipogenesis under psoriatic conditions; Nature Metabolism (2025).

DOI: https://doi.org/10.1038/s42255-025-01276-z

 

Taillenumfang ist bei Männern noch aussagekräftiger für übergewichtsbedingtes Krebsrisiko als der BMI

Medizinische Universität Innsbruck

Wer übergewichtig ist, hat ein höheres Risiko an Krebs zu erkranken. Eine Analyse von rund 340.000 PatientInnendaten, die Josef Fritz von der Medizinischen Universität Innsbruck mit Kolleginnen in Schweden durchgeführt hat, zeigt nun, dass bei Männern die Messung des Taillenumfangs das Risiko, an Adipositas bedingtem Krebs zu erkranken, noch genauer anzeigt als der Body-Mass-Index. Bei Frauen trifft das nicht zu. Die Ergebnisse stellt Fritz heute beim Europäischen Adipositas Kongress vor.

…

Als Adipositas bedingte Krebsarten gelten laut Definition der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) jene, für die es ausreichend Beweise für den Zusammenhang mit Übergewicht gibt: Speiseröhren-, Magen-, Dickdarm-, Rektum-, Leber-, Gallengangs-, Gallenblasen-, Bauchspeicheldrüsen-, Brust-, Gebärmutterschleimhaut-, Eierstock- und Schilddrüsenkrebs sowie das Nierenzellkarzinom, das Meningeom und das multiple Myelom.

…

„Der BMI sagt nichts über die Verteilung des Körperfetts aus, während der Taillenumfang ein Hinweis für abdominales Fett („Bauchfett“) ist. Diese Unterscheidung ist entscheidend, da das abdominale Fett, das sich um die Bauchorgane ansammelt, stoffwechselaktiver ist und mit weiteren gesundheitlichen Nachteilen wie Insulinresistenz, Entzündungen und erhöhten Blutfettwerten in Verbindung gebracht wird. Folglich können Personen mit ähnlichem BMI unterschiedliche Krebsrisiken aufweisen, je nach Fettverteilung“, erklärt Fritz das Ergebnis. Dieses würde darauf hindeuten, dass das Krebsrisiko, das mit dem Taillenumfang und damit mit abdominalem Bauchfett verbunden ist, spezifisch ist und nicht allein mit dem BMI gemessen werden kann.

…

Link: https://idw-online.de/de/news851993

Originalpublikation: Ming Sun et al., Comparing waist circumference with body mass index on obesity-related cancer risk: a pooled Swedish study, JNCI: Journal of the National Cancer Institute, 2025, djaf075, https://doi.org/10.1093/jnci/djaf075

 

Fortschritt bei Krebsbehandlung: S3-Leitlinie zur chronischen lymphatischen Leukämie aktualisiert

Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG)

Die Neuauflage der S3-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge für Patient*innen mit einer chronischen lymphatischen Leukämie (CLL)” zeigt eindrucksvoll die enormen Fortschritte, die in den vergangenen Jahren bei der Krebsbehandlung und speziell bei der Erkrankung des lymphatischen Systems gemacht wurden. Das ist insbesondere für die Geriatrie erfreulich, denn das durchschnittliche Alter bei einer CLL-Erstdiagnose liegt bei ungefähr 70 Lebensjahren.

„Früher, auch zum Veröffentlichungszeitpunkt der ersten Leitlinenversion, war bei der CLL der Standard noch eine Immun-Chemotherapie. Mittlerweile behandelt man aber mit zielgerichteten Medikamenten in Tablettenform, die in der Regel wirksamer, nebenwirkungsärmer und verträglicher sind als Zytostatika, sodass die Patientinnen und Patienten nicht nur länger, sondern auch besser leben”, erklärt Privatdozent Dr. Valentin Goede, Leitender Oberarzt im Altersmedizinischen Zentrum des Cellitinnen-Krankenhauses St. Marien in Köln. Gemeinsam mit dem dortigen Chefarzt Professor Ralf-Joachim Schulz hat er das Leitlinien-Update stellvertretend für die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) verantwortet. Unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) waren ingesamt 26 Fachgesellschaften und Institutionen an dem rund dreijährigen, intensiven Arbeitsprozess beteiligt.

Das lymphatische System ist ein komplexes Netzwerk aus Organen, Gefäßen, Lymphknoten und Lymphflüssigkeit, das im gesamten Körper verteilt ist. Es übernimmt zentrale Aufgaben für das Immunsystem, den Flüssigkeitshaushalt und den Transport bestimmter Nährstoffe. Die chronische lymphatische Leukämie ist die häufigste Leukämieform bei Erwachsenen in Deutschland, mit etwa 5.600 Neuerkrankungen pro Jahr. Bei der früher als Standard benutzten Immun-Chemotherapie handelte es sich um eine Infusionsbehandlung – und mithilfe eines umfassenden Geriatrischen Assessments (Comprehensive Geriatric Assessment, CGA) sollte entschieden werden, welche Chemotherapieintensität am angemessensten ist. Mit den neuen chemotherapiefreien CLL-Medikamenten wurde die Notwendigkeit einer CGA-Empfehlung im neuen Leitlinien-Update zunächst infrage gestellt – im Gegensatz zu anderen Lymphom-Leitlinien, bei denen Immun-Chemotherapie nach wie vor ein Behandlungsstandard geblieben ist. “In dem CLL-Leitlinien-Update gibt es natürlich auch weiterhin den Hinweis, dass Behandlungsentscheidungen an die Gebrechlichkeit, den funktionellen Status und die Komorbiditäten, sprich die geriatrischen Merkmale eines Patienten, anzupassen sind”, erklärt Valentin Goede.

Evidenzlage für zukünftige Empfehlung des Geriatrischen Assessments entwickelt sich gut

Neuere, während der Entstehung des Leitlinien-Updates aufkommende Daten zum CGA bei der Systemtherapie – dazu zählt nicht nur die Immun-Chemo-, sondern auch die zielgerichtete Medikamenten-Therapie (Biologika) – legen nahe, dass es trotzdem sinnvoll sein kann, ein CGA zu machen. „Dieses dient dort dann der Entscheidung, wie mit CGA identifizierte Vulnerabilitäten zu behandeln sind, also zum Beispiel eine Immobilität, Sturzneigung, Mangelernährung oder Demenz. Im Sinne der DGG werden diese Daten beim nächsten Leitlinien-Update aufgegriffen und auch bei der CLL in neue CGA-Empfehlungen münden. Ich bin da zuversichtlich, weil sich die Evidenzlage dafür sehr dynamisch entwickelt”, sagt Goede.

Hier finden Sie das Update der S3-Leitlinie zur chronischen lymphatischen Leukämie (CLL): https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/018-032OL

Link: https://idw-online.de/de/news852016 | https://www.dggeriatrie.de/presse/pressemeldungen/2425-pm-fortschritt-bei-krebsbehandlung-s3-leitlinie-zur-chronischen-lymphatischen-leukaemie-aktualisiert

 

Virtuelle Begleiter gegen reale Ängste

Universitätsklinikum Würzburg

Eine aktuelle Kooperationsstudie der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik und dem Lehrstuhl für Mensch-Computer Interaktion der Universität Würzburg zeigt, dass virtuelle Charaktere Angstreaktionen deutlich abmildern können, vorausgesetzt sie haben eine soziale Relevanz. Neben einer gleichgeschlechtlichen virtuellen Figur entfaltete auch eine einfache Holzpuppe eine beruhigende Wirkung, wenn sie als empathischer Partner wahrgenommen wurde. Die im Fachjournal Computers in Human Behavior veröffentlichten Ergebnisse eröffnen neue Perspektiven für den gezielten Einsatz virtueller Charaktere in digitalen Gesundheitsanwendungen.

Würzburg. Du bist nicht allein. Ob bei Menschen oder Tieren – die Nähe zu Artgenossen kann in Angstsituationen beruhigend wirken. Dieser als Social Buffering bezeichnete Mechanismus wurde ursprünglich in der Tierforschung entdeckt. Selbst Zebrafische zeigen in Gegenwart von Artgenossen weniger Angstverhalten (Faustino et al., Scientific Reports, 2017). Dabei spielt die Größe des sichtbaren Schwarms keine Rolle. Schon der Sichtkontakt zu einzelnen Artgenossen in benachbarten Aquarien können bedrohliche Reize, in diesem Fall ausgelöst durch eine Alarmsubstanz im Wasser, abschwächen. Prof. Dr. Grit Hein, Professorin für Translationale Neurowissenschaften am Uniklinikum Würzburg (UKW), ließ sich von diesem einfachen Versuchsaufbau mit beeindruckendem Ergebnis inspirieren und untersuchte mit ihrem Team, ob der Effekt der bloßen sozialen Anwesenheit auch beim Menschen messbar ist, zunächst in der realen Welt und in einer aktuellen Studie in der virtuellen Welt.

„Soziale Interaktionen finden heute oft virtuell statt, aber die Auswirkungen von Social Buffering in der virtuellen Welt sind noch wenig bekannt“, erklärt Grit Hein.

Anwesenheit eines Artgenossen kann autonome Reaktionen auf aversive Reize abschwächen

Zunächst zum Studiensetting in der realen Welt, welches in Vorgängerstudien (Qi Y et al., Proc Biol Sci, 2020 und Qi Y et al., Translational Psychiatry, 2021) verwendet wurde: Die Studienteilnehmerinnen befanden sich in einer schallisolierten Kabine und hörten angsteinflößende Schreie, sowohl allein als auch in Anwesenheit einer realen Person. Neben den emotionalen Bewertungen wurde auch der so genannte Hautleitwert untersucht und damit das autonome Angstmaß bestimmt, also die Aktivität des peripheren Nervensystems – übrigens ein Wert, der nicht beeinflusst werden kann und deshalb auch oft in der Lügendetektion eingesetzt wird. Wenn wir aversiven Reizen ausgesetzt sind, also Reizen, die unangenehm, schmerzhaft, angst- oder stressauslösend sind, werden unsere Schweißdrüsen aktiviert. Die Haut wird feuchter, ihre Leitfähigkeit verändert sich, der Hautleitwert steigt.

Es zeigte sich, dass die bloße Anwesenheit einer realen Person die autonome Reaktion auf den aversiven Reiz abschwächen und den Hautleitwert senken kann. Wobei die Personen, die eher sozial ängstlich sind, wie erwartet weniger von der Anwesenheit einer realen Person profitierten. Anders in der virtuellen Welt.

Angst auslösende Geräusche allein oder in Anwesenheit eines virtuellen Charakters mit unterschiedlichem Grad an menschenähnlichen Eigenschaften

Um ein vergleichbares virtuelles Setting zu haben, kooperierte Hein mit dem Team von Prof. Dr. Marc Erich Latoschik am Lehrstuhl für Mensch-Computer-Interaktionen (HCI) am Center for Intelligence and Data Science (CAIDAS) der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Die schalldichte Kabine wurde in der virtuellen Realität nachgebaut und von den weiblichen und männlichen Statisten aus dem realen Studiensetting wurden Ganzkörperscans angefertigt, so dass auch sie 1:1 in die virtuelle Welt übertragen werden konnten. Und tatsächlich zeigte sich in der Studie der Social Buffering-Effekt in der virtuellen Welt auch bei sozial ängstlicheren Personen. „Total verrückt“, sagt Grit Hein. „Den Testpersonen war bewusst, dass es sich um virtuelle Charaktere handelte, die sie durch die VR-Brille wahrnahmen, und trotzdem wirkten sie beruhigend auf sie, was sich an der Senkung des Hautleitwerts zeigte.“

Unheimlich menschlich: Vermeidung des Uncanny Valley-Effekts

Das Team frage sich daraufhin: Wie menschlich muss ein virtueller Charakter idealerweise sein, damit er beruhigend wirkt und nicht ins Gegenteil umschlägt? Es gibt Forschungen, unter anderem von der Würzburger HCI-AG, die einen Fall in ein unheimliches Tal beschreiben, wenn ein künstliches Wesen zu menschlich aussieht, den so genannten Uncanny Valley-Effekt. Das heißt: Je menschlicher ein künstliches Wesen aussieht, desto sympathischer finden wir es – bis zu einem gewissen Punkt: Ist es zu menschenähnlich aber eben nicht perfekt genug, kann es unplausibel wirken und so Verwirrung, eine so genannte kognitive Dissonanz, sowie unangenehme oder gar beängstigende Gefühle auslösen.

Und so kamen in der aktuellen Studie zu der weiblichen und der männlichen Figur noch zwei Charaktere mit unterschiedlichen menschenähnlichen Merkmalen hinzu: eine einfache gesichts- und geschlechtslose, hautfarbene Holzpuppe und eine Punktwolke mit den groben Umrissen eines menschlichen Körpers. Ferner wurden die Studienteilnehmerinnen den Schreien allein, ohne virtuelle Figur, ausgesetzt.

Social Buffering mit Social Framing: Gleichgeschlechtliche virtuelle Figur und Holzpuppe wirken beruhigend, wenn sie als soziale Partner wahrgenommen werden

Zur großen Überraschung des Studienteams zeigte Woody, wie die Holzpuppe intern genannt wurde, einen ähnlich signifikanten Social Buffering Effekt wie die virtuelle Frau, während der männliche Charakter eher den gegenteiligen Effekt hatte. Bei der Wolke gab es kein Social Buffering, die Ergebnisse waren vergleichbar mit einem leeren Raum. Auch das sei ein wichtiges Ergebnis, so Grit Hein. Denn es zeige, dass der Social Buffering-Effekt durch mehr als nur Ablenkung hervorgerufen werde.

Aber: Die Holzfigur mit menschenähnlichen Zügen funktionierte nur mit sozialer Bedeutung. Das heißt: Den Probandinnen wurde vorher gesagt, dass der virtuelle Charakter ein Alarmsignal empfangen könne, wenn es ihnen nicht gut geht. Ohne dieses so genannte Social Framing hatte Woody keine beruhigende Wirkung. „Ein menschenähnlicher Charakter kann also durchaus Stress und Ängste reduzieren, sofern er eine soziale Bedeutung hat“, fasst Grit Hein die Ergebnisse der Studie zusammen, die jetzt in der Fachzeitschrift „Computers in Human Behaviour“ veröffentlicht wurde. Diese Erkenntnisse seien vor allem für psychiatrische Patientengruppen interessant, deren Behandlung durch eine virtuelle Therapie ergänzt werden könnte. In einem nächsten Schritt müsse nun herausgefunden werden, wer bei welchem Krankheitsbild auf welchen Charakter anspricht.

Nur zu wissen, dass ich die Situation verlassen kann, wie etwa mit einem Notfallknopf oder einem Notausgang, würde nicht ausreichen, das wäre zu abstrakt. „Ich brauche ein Gegenüber, was ich als ‚Rettungsanker‘ sehen kann und was mich nicht bewertet, wie eben Woody“, interpretiert Grit Hein die Ergebnisse. Der männliche Charakter habe bei den ausschließlich weiblichen Probandinnen diese Funktion anscheinend nicht erfüllt, obwohl er genau wie Woody oder der weibliche Charakter eingeführt wurde.

„Unsere größte Erkenntnis war, dass unsere Angstreaktion nicht von der optischen Detailtreue eines virtuellen Charakters abhängt, sondern davon, ob wir ihn als echten sozialen Partner betrachten“, resümiert Dr. Martin Weiß, Postdoktorand in der Arbeitsgruppe für Translationale Soziale Neurowissenschaften am UKW und gemeinsam mit Philipp Krop Erstautor der Studie. „Selbst eine stilisierte Figur kann – wenn wir ihr diese Rolle zuschreiben – unsere physiologischen Furchtreaktionen wirksam abpuffern. Das macht virtuelle Interventionen gegen Angst, wie zum Beispiel virtuelle Agenten oder KI-basierte Lösungen, wesentlich einfacher und günstiger zugänglich“, ergänzt Philipp Krop, wissenschaftlicher Mitarbeiter am CAIDAS.

Relevant für medizinische und gesellschaftliche Apps

Die kooperative Forschung zwischen dem Würzburger Zentrum für Psychische Gesundheit (ZEP) und dem Lehrstuhl für Mensch-Computer-Interaktion (HCI) ist besonders relevant für den boomenden Markt der medizinischen Apps, die oft mit virtuellen Charakteren arbeiten und nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum (Trial and Error) entwickelt werden. Wem folgen wir am liebsten auf dem Weg zu einem gesunden Lebensstil? Wer motiviert uns zu täglichen Übungen? Wem vertrauen wir unsere Ängste und Sorgen an? „Mit unserer Art der Forschung können wir diese medizinischen Anwendungen auf empirische Füße stellen“, sagt Grit Hein. Die Basis ist gelegt, in weiteren Experimenten sollen die Charaktere mit weiteren Eigenschaften aufgeladen werden, etwa mit der Fähigkeit, soziale Signale auszusenden.

Link: https://idw-online.de/de/news851977

Originalpublikation:

Martin Weiß, Philipp Krop, Lukas Treml, Elias Neuser, Mario Botsch, Martin J. Herrmann, Marc Erich Latoschik, Grit Hein. The buffering of autonomic fear responses is moderated by the characteristics of a virtual character. Computers in Human Behavior. Volume 168, 2025, 108657, ISSN 0747-5632,

https://doi.org/10.1016/j.chb.2025.108657.

 

Künstliche Süßstoffe regen Hungersignale im Gehirn an

Universitätsklinikum Tübingen

Künstliche Süßstoffe sind praktisch kalorienfrei und kommen immer häufiger in der Lebensmittelindustrie, zum Beispiel in Limonaden, zum Einsatz. Eine Studie unter Leitung der University of Southern California (USC) und mit Tübinger Beteiligung gibt nun Aufschluss darüber, welche Auswirkungen der übermäßige Konsum von künstlichen Süßstoffen, wie etwa Sucralose im Gehirn hat. Obwohl kalorienfrei, wirkt Sucralose im Gehirn appetitanregend, gerade bei Menschen mit Adipositas. An der Studie beteiligt waren Forschende des Universitätsklinikums Tübingen, von Helmholtz Munich und des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD).

In der Lebensmittelindustrie werden künstliche Süßstoffe bereits seit über 130 Jahren eingesetzt. So wurde 1878 der erste Süßstoff Saccharin in Deutschland entdeckt. Der Umsatz der meist kalorienfreien künstlichen Zuckerersatzstoffe hat insbesondere in den letzten Jahren stark zugenommen. In Deutschland greift jeder und jede Zweite täglich zu Produkten mit künstlichen Süßstoffen. Als Gründe dafür werden unter anderem ein ernährungs- und kalorienbewusster Lebensstil aufgeführt. Genau dieser Punkt scheint durch die neuen Studienergebnisse ins Wanken zu geraten. Bereits 2023 hatte die Weltgesundheitsorganisation in einer Empfehlung mitgeteilt, künstliche Süßungsmittel nicht als Ersatzstoff für Zucker zu nehmen, wenn es um Gewichtsverlust geht.

Sucralose führt im Hypothalamus, einer wichtigen Schaltzentrale des Gehirns, zu einer gesteigerten Hirnaktivität. Dieser Bereich des Gehirns ist unter anderem für die Kontrolle der Nahrungsaufnahme und des Hungergefühls zuständig. Sucralose aktiviert genau diesen Bereich im Gehirn und das steht wiederum in Verbindung mit einer stärkeren Bewertung des Hungergefühls. „Künstliche Süßstoffe, wie in unserem Fall Sucralose, können die Appetitregulierung im Gehirn in einem Maße beeinflussen, der sich nachteilig auf das Gewicht auswirkt“, erläutert Prof. Dr. Stephanie Kullmann aus der Tübinger Universitätsklinik für Diabetologie, Endokrinologie, Nephrologie.

Das Forschungsteam geht davon aus, dass künstliche Süßstoffe das Gehirn verwirren, indem sie ihm Signale der Süße senden, ohne die benötigten Kalorien zu liefern, die das Gehirn benötigt. Aus vorherigen Studien ist die Hypothese bereits bekannt, dass das Gehirn das Signal aussendet, mehr zu essen, wenn die versprochenen Kalorien nicht ankommen. An der Studie nahmen 75 Probandinnen und Probanden in den USA teil. Sie wurden gebeten, bei drei verschiedenen Terminen eines von drei Getränken zu trinken: Leitungswasser, gesüßtes Wasser mit Sucralose und gesüßtes Wasser mit Zucker. Sucralose ist etwa 600-mal süßer als herkömmlicher Zucker. Bei jedem Besuch untersuchte das Forschungsteam den Nüchternblutzuckerspiegel der Teilnehmenden, gefolgt von einem Hirnscan mittels der sogenannten funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRI), die den Blutfluss verfolgt, um die Aktivität in verschiedenen Regionen des Gehirns zu erfassen. Nach dem ersten Scan tranken die Probandinnen und Probanden eines der drei Getränke und wurden danach wieder untersucht. Zusätzlich zu den Hirnscans wurden den Studienteilnehmenden noch Blutproben entnommen, nachdem sie die Getränke getrunken hatten, und sie sollten ihr individuelles Hungergefühl einschätzen.

Mittels der Selbsttests konnten die Forschenden festhalten, dass Sucralose das Hungergefühl der Teilnehmenden um etwa 17 Prozent steigert, insbesondere bei Probanden, die krankhaft übergewichtig waren. Zudem konnte das Forschungsteam verstärkte Verbindungen zu anderen Teilen des Gehirns belegen, die für die Steuerung der Motivation verantwortlich sind. „Sucralose scheint die Entscheidungsfähigkeit zu beeinträchtigen“, stellt Studienleiterin Prof. Kathleen A. Page von der USC fest. „Wir haben beispielsweise eine erhöhte Gehirnaktivität zwischen dem Hypothalamus und dem anterioren cingulären Cortex festgestellt, der die Risiken und Vorteile einer Entscheidung steuert“, ergänzt Prof. Kullmann. Eine weitere Erkenntnis aus der Studie: „Die Bluttests haben gezeigt, dass Sucralose keinen Einfluss auf die Hormone hat, die das Gehirn verwendet, um uns mitzuteilen, wann wir satt sind und keinen Hunger mehr haben“, erläutert Prof. Kullmann.

Link: https://idw-online.de/de/news851921

Originalpublikation:

Chakravartti, S.P., Jann, K., Veit, R. et al. Non-caloric sweetener effects on brain appetite regulation in individuals across varying body weights. Nat Metab 7, 574–585 (2025).

DOI: https://doi.org/10.1038/s42255-025-01227-8

 

Klinische Gentherapiestudie gibt Kindern Hoffnung auf Hören

Universitätsklinikum Tübingen

Dass Kinder mit einer genetisch bedingten und angeborenen Schwerhörigkeit oder Taubheit ohne Hörimplantat hören können – dieser Traum ist für viele betroffene Kinder und ihre Familien Ende April möglicherweise ein Stück näher gerückt. An der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde des Universitätsklinikums Tübingen wurde im Rahmen einer klinischen Studie die in Deutschland erste gentherapeutische Behandlung eines Kindes durchgeführt, welches aufgrund einer genetischen Veränderung im Otoferlin-Gen nicht hören kann. Ergebnisse bei Kindern, die in anderen Ländern im Rahmen dieser klinischen Gentherapiestudie bereits eine Behandlung erhalten haben, zeigen das Potenzial der Therapie.

Bis zu 80 Prozent aller Fälle von Schwerhörigkeit bei Neugeborenen und Kindern vor dem Spracherwerb sind genetisch bedingt . Unter diesen genetisch bedingten Fällen sind etwa ein bis acht Prozent auf krankheitsverursachende Mutationen im Otoferlin-Gen (OTOF) zurückzuführen . Kinder mit dieser seltenen Erkrankung sind meist von Geburt an beidseitig hochgradig schwerhörig oder gehörlos. Mutationen im OTOF-Gen können bewirken, dass die Cochlea (Innenohr) den Schall zwar aufnimmt, aber die Signale nicht an den Hörnerv weiterleiten kann.

Bisher erhalten betroffene Kinder Cochlea-Implantate, die bei hochgradiger Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit in einem chirurgischen Eingriff eingesetzt werden und über eine in die Cochlea eingeführte Elektrode den Hörnerv stimulieren. Für viele betroffene Kinder sind die Implantate eine lebensverändernde und sehr effektive Lösung. Cochlea-Implantate sind auch für andere Formen des Hörverlusts anwendbar – und werden weiterhin die derzeit bestmögliche Therapie für diejenigen Kinder sein, die aus verschiedenen Gründen nicht für die klinische Gentherapiestudie in Frage kommen.

Der innovative Eingriff, der im April 2025 von Prof. Hubert Löwenheim, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, durchgeführt wurde, ist möglicherweise der Beginn eines neuen medizinischen Ansatzes zur ursächlichen Behandlung genetisch bedingter Schwerhörigkeit. Die Gentherapie zielt darauf ab, das natürliche Gehör auf molekularer Ebene wiederherzustellen.

Mithilfe eines Vektors, der wie ein Gen-Taxi funktioniert, wird eine gesunde Kopie des OTOF-Gens chirurgisch direkt in die Cochlea eingebracht. Hierdurch kann das Innenohr eventuell Signale an den Hörnerv wieder übertragen, der ursächliche Defekt wird behoben. „Die erfolgreiche Einführung der Gentherapie bei genetischem Hörverlust könnte eine völlig neue medizinische Perspektive für die Herstellung des Hörvermögens eröffnen. Wir treten in die Ära der „Molekularen Otologie“ ein, in der wir die etablierten mechanischen und elektrischen Lösungen durch eine molekulare Behandlungsmethode ergänzen. Wir versuchen, an der genetischen Ursache der Erkrankung anzusetzen“, erklärt Löwenheim.

Der Eingriff wurde im Rahmen der internationalen klinischen Studie CHORD (Clinical trial of Hearing Restoration with Otoferlin gene Delivery) durchgeführt, die von dem US-Unternehmen Regeneron Pharmaceuticals, Inc. in Tarrytown im Bundesstaat New York gesponsert wird und im Mai 2023 gestartet ist. Die Studie untersucht den Einsatz der experimentellen Gentherapie DB-OTO zur Behandlung von Hörverlusten, die durch krankheitsverursachende Veränderungen im Otoferlin-Gen verursacht werden. Eingeschlossen werden Kinder im Alter von 0 bis 17 Jahren in vier Ländern (Deutschland, Vereinigtes Königreich, Spanien, USA). Bisher wurde die Sicherheit und Wirksamkeit dieser Versuchstherapie noch von keiner Zulassungsbehörde bewertet.

Erste Ergebnisse sind allerdings vielversprechend: Regeneron berichtete im Februar 2025, dass zehn von elf Teilnehmenden der CHORD-Studie nach der Behandlung mit DB-OTO zum Teil deutliche Verbesserungen des Hörvermögens zeigten. Besonders erwähnenswert ist ein Fall an einem Klinikum im Vereinigten Königreich, bei dem ein zehn Monate altes Kind nach der Gentherapie innerhalb von sechs Wochen deutliche Verbesserungen des Hörvermögens zeigte. 24 Wochen nach der Behandlung konnte es auf leise Töne und Sprache reagieren, was das Potenzial von DB-OTO zur Wiederherstellung des Hörvermögens bei Kindern mit OTOF-bedingter Taubheit belegt.

Wie sich das Hörvermögen des Patienten am Uniklinikum Tübingen in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln wird, überprüfen Ärztinnen und Ärzte in strukturierten Nachuntersuchungen. Um umfassende Daten über die Wirksamkeit und Sicherheit der Therapie zu sammeln, werden in den kommenden Monaten weitere Teilnehmende in mehreren Ländern in die Studie eingeschlossen. Der potenzielle Erfolg der Gentherapie bei der Behandlung von OTOF-bedingter Schwerhörigkeit ebnet zudem den Weg für ähnliche Ansätze, die auf andere genetische Ursachen von Hörverlust abzielen. „Ähnlich wie die Cochlea-Implantation sollten Gentherapien für angeborene Schwerhörigkeit oder Taubheit möglichst früh im Leben der betroffenen Kinder durchgeführt werden. Deshalb ist es wichtig, Kinder mit Auffälligkeiten in diesem Bereich möglichst früh genetisch zu untersuchen, um eine spezifische Ursache feststellen zu können. Nur so kann sich das Gebiet der Molekulare Otologie wirklich weiterentwickeln“, betont Löwenheim.

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Link: https://idw-online.de/de/news851892

 

Neue Methode verbessert Nierendiagnostik

Universität Greifswald

Greifswalder Publikation in der Fachzeitschrift Kidney International

Wie lassen sich feinste Strukturen der Niere sichtbar, messbar und klinisch nutzbar machen – und das zuverlässig, effizient und standardisiert? Diese Frage steht im Zentrum eines aktuellen Reviews in der Fachzeitschrift Kidney International, das ein interdisziplinäres Forschungsteam der Universitätsmedizin Greifswald veröffentlicht hat.

Die Publikation liefert einen Überblick über mögliche Verfahren und hebt insbesondere die sogenannte PEMP-Methode (Podocyte Exact Morphology Measurement Procedure) hervor. Dieses neuartige Verfahren eröffnet nicht nur für Forschung und Medikamentenentwicklung, sondern vor allem für Diagnostik und Therapie bestimmter Nierenerkrankungen neue Perspektiven.

Über Jahrzehnte war die Elektronenmikroskopie das zentrale Instrument zur hochauflösenden Analyse von Nierengewebe und hat die nephrologische Diagnostik maßgeblich geprägt. Doch sie stößt an Grenzen: Die Darstellung filigraner Podozytenstrukturen ist aufwendig, immer subjektiv und somit schwer standardisierbar. Genau hier setzt das PEMP-Verfahren an, das an der Universitätsmedizin Greifswald entwickelt wurde. „Es verwendet die 3D-superauflösende Lichtmikroskopie SIM, um feinste Strukturen der glomerulären Filtrationsbarriere präzise sichtbar zu machen“, erklärt Prof. Nicole Endlich, Projektleiterin und Letztautorin der Publikation. Insbesondere die Podozyten-Fußfortsätze, durch die das Blut gefiltert wird und die bei der Entstehung vieler Nierenerkrankungen eine zentrale Rolle spielen, lassen sich darstellen und deren Veränderungen quantitativ erfassen.

Hohe Geschwindigkeit, Genauigkeit und Standardisierbarkeit – das mache die PEMP-Methode im Vergleich zu klassischen Verfahren so besonders, wie das Forschungsteam in der Fachzeitschrift Kidney International nun betont. Was das für die Patienten bedeutet, zeigte es anhand von 69 Nierenbiopsien, die in einer größeren Kohortenstudie untersucht wurden. In der Studie konnte das Ausgründungsunternehmen der Universität und Universitätsmedizin Greifswald NIPOKA zeigen, dass sich mittels PEMP-Methode verschiedene Formen der Nierenerkrankungen eindeutig voneinander unterscheiden lassen. Endlich hebt weitere Vorteile der Technik hervor: „Wir können frühzeitig erkennen, inwiefern sich feinste Strukturen verändern, noch bevor es zu typischen Krankheitssymptomen wie Eiweiß im Urin kommt.“ Zudem funktioniere die Methode mit gängigen Gewebeproben, die ohnehin bei Biopsien entnommen werden.

Der Review im Kidney International liefere nun einen fundierten Überblick über den Stand klassischer Analyseverfahren und zeigt gleichzeitig auf, wie PEMP diese ergänzt, erweitert und in vielen Aspekten übertrifft. „Die internationale Bedeutung der Methode zeigt sich unter anderem in der Anwendung an der renommierten University of Texas Medical Branch (UTMB)“, so Endlich. Dort werde PEMP demnächst in der Routinediagnostik eingesetzt.

„Dieses Verfahren ist somit sind nicht nur für die Forschung, sondern auch für die klinische Diagnostik von enormem Wert“, wie Prof. Uwe Reuter, Vorstandsvorsitzender der Unimedizin, betont. Die PEMP-Methode bringe die Versorgung von Nierenerkrankten einen großen Schritt näher an eine personalisierte Präzisionsmedizin. „Wir können Erkrankungen nicht nur besser erkennen, sondern auch besser verstehen – und so die passende Therapie für jeden einzelnen Patienten finden“, so Reuter.

Link: https://idw-online.de/de/news851896

Originalpublikation:

A new era in nephrology: the role of super-resolution microscopy in research, medical diagnostic, and drug discovery

March 24, 2025

http://www.kidney-international.org/article/S0085-2538(25)00256-X/fulltext

 

Wundauflagen bei wundheilungsstörungen: Aussagekräftige Studien zum Nutzen sind dringend notwendig

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

Wundauflagen bei Wundheilungsstörungen: Aussagekräftige Studien zum Nutzen sind dringend notwendig Weite Felder der Behandlung von chronischen Wunden sind unerforscht. Evidenzlücken lassen sich aber auch für die Kategorie „sonstige Produkte“ mit aktiver Wirkung schließen.

Chronische Wunden heilen aufgrund einer Heilungsstörung nur sehr langsam oder gar nicht. Ursache dafür können Infektionen sein, Durchblutungsstörungen oder auch chronische Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus. Krankenkassendaten zeigen, dass in Deutschland ca. 800 000 Menschen mit einer chronischen Wunde und deshalb mit erheblichen und langfristigen Einschränkungen leben.

Wundbehandlung ist komplex und es stehen zahlreiche Therapieoptionen zur Verfügung. Aussagekräftige klinische Studien und darauf aufbauende evidenzbasierte Therapieempfehlungen fehlen jedoch größtenteils. Weite Felder der Wundbehandlung sind unerforscht und patientenberichtete Endpunkte und Nebenwirkungen werden in der Studienplanung nicht ausreichend berücksichtigt.

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) eine wissenschaftliche Ausarbeitung zu klinischen Studien in der Wundbehandlung erstellt. Diese gibt konkrete Empfehlungen zur Planung, Durchführung und Bewertung von Studien zur Behandlung chronischer Wunden und auch zur Bewertung bereits laufender oder abgeschlossener Studien. Damit liefert sie Herstellern grundlegende Anforderungen für den strukturierten Nutzennachweis.

Das IQWiG beschreibt in seinem Rapid Report nicht nur Wundtypen und die patientenrelevanten Endpunkte, sondern bewertet darüber hinaus auch die methodischen Instrumente (z. B. Fragebögen), mit denen diese Endpunkte in klinischen Studien erhoben werden.

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Link: https://idw-online.de/de/news851906

 

PFAS beeinflussen zelluläre Immunantwort auf Corona-Virus

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ

Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) sind allgegenwärtig, reichern sich in der Umwelt an und sind nur schwer abbaubar. Sie können das Immunsystem und die menschliche Gesundheit beeinträchtigen. UFZ-Forschende zeigen in ihrer aktuellen Studie, dass sich eine hohe PFAS-Exposition negativ auf die zelluläre Immunantwort auf das Corona-Virus SARS-CoV-2 auswirkt. Menschen, die hohen PFAS-Belastungen ausgesetzt sind, könnten weniger gut auf Impfungen ansprechen, vermuten die Wissenschaftler:innen. Die Studie entstand in enger Kooperation mit dem Norwegian Institute of Public Health in Oslo. Sie ist im Fachmagazin Environment International erschienen.

PFAS sind in vielen Alltagsprodukten verarbeitet, etwa in Kosmetika, Outdoor-Bekleidung oder beschichteten Pfannen. Grund dafür sind ihre besonderen Eigenschaften. Sie sind hitzebeständig, wasser- und fettabweisend und äußerst langlebig. Es gibt tausende unterschiedliche PFAS-Verbindungen. Man findet sie in Böden, Gewässern und in der Luft. Über die Nahrung, das Trinkwasser oder die Atemluft gelangen sie in den menschlichen Körper, wo sie sich anreichern und sich auf unsere Gesundheit auswirken können. „PFAS sind nicht akut toxisch. Doch da wir ihnen nahezu überall in unserer Umwelt begegnen und uns ihnen kaum entziehen können, haben wir es quasi mit einer chronischen Exposition zu tun. Und die ist insbesondere für vulnerable Gruppen wie Schwangere, kleine Kinder oder chronisch Kranke problematisch“, sagt Prof. Ana Zenclussen, Leiterin des Departments Umweltimmunologie am UFZ.

Die Exposition gegenüber PFAS wird in verschiedenen Studien etwa mit Fettleibigkeit, hormonellen Störungen oder Krebs in Verbindung gebracht. Sie können auch das Immunsystem beeinflussen. Aus epidemiologischen Studien ist bekannt, dass sich PFAS negativ auf die Entwicklung von Antikörpern nach einer Impfung gegen SARS-CoV-2 auswirken. Mit ihrer aktuellen Studie wollten die Forschenden herausfinden, ob und wie sich PFAS auf die zweite Achse des Immunsystems, die sogenannte zelluläre Immunantwort, auswirken. Denn die ist bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 besonders wichtig, um vor einem schweren Verlauf zu schützen. „Und anders als das bei anderen Viren der Fall ist, sagt ein hoher Antikörpertiter gegen SARS-CoV-2 im Blut nicht unbedingt etwas darüber aus, ob auch die Entwicklung der zellulären Immunantwort adäquat war“, erklärt Ana Zenclussen. „Daher schließen wir mit unserer Studie hier eine wichtige Lücke.“

Für ihre Studie hat das Forschungsteam Blutproben von Frauen und Männern genutzt, die mehrfach gegen SARS-CoV-2 geimpft waren und bereits eine Infektion mit dem Virus durchgemacht hatten. Die in den Blutproben enthaltenen Immunzellen haben die Wissenschaftler:innen im Labor kultiviert und für 24 Stunden einer PFAS-Belastung ausgesetzt. „Dafür haben wir eine spezielle Mischung verwendet, die die PFAS-Exposition der europäischen Bevölkerung realitätsnah abbildet“, erklärt Ana Zenclussen. Die PFAS-Mischung wurde von den norwegischen Kooperationspartnern auf Basis einer großen Kohortenstudie entwickelt. Neben einer realitätsnahen PFAS-Konzentration setzten die Forschenden die Immunzellen in weiteren Versuchsansätzen auch höheren Konzentrationen der PFAS-Mischung aus – bis hin zu einer tausendfach erhöhten Konzentration, die einer Belastung von Menschen entspricht, die im Bereich der Herstellung von PFAS arbeiten.

Dr. Oddvar Myhre vom norwegischen Institute of Public Health in Oslo betont: „Um die komplexen Wechselwirkungen mit dem Immunsystem zu verstehen, insbesondere im Zusammenhang mit der Reaktion auf Impfungen, war es wichtig, ein für den Menschen relevantes PFAS-Gemisch zu verwenden. Diese Vorgehensweise spiegelt reale Expositionsszenarien gut wider und trägt so dazu bei, die potenziellen Gesundheitsrisiken im Zusammenhang mit PFAS-Kontaminationen zu klären.“

Im Anschluss an die PFAS-Exposition wurden die Immunzellen Bestandteilen des Corona-Virus SARS-CoV-2 ausgesetzt. Können die zuvor mit PFAS behandelten Immunzellen noch ausreichend auf das Virus reagieren und es bekämpfen? Oder fällt die Immunantwort schlechter oder deutlich anders aus? Um diese Fragen zu beantworten, hat das Forschungsteam um Ana Zenclussen eine detaillierte Immunanalyse durchgeführt. Dafür nutzten sie die sogenannte spektrale Durchfluss-Zytometrie – ein modernes Verfahren, mit dem in einem Messschritt die in einer Probe enthaltenen Immunzelltypen identifiziert, quantifiziert und analysiert werden können. Dabei kann auch die Funktionalität der jeweiligen Zelltypen über die Messung ausgeschütteter Botenstoffe bestimmt werden.

Im Vergleich zu den unbehandelten Proben schütteten in den Proben, die zuvor erhöhten PFAS-Konzentrationen ausgesetzt waren, zwei Immunzelltypen vermehrt entzündungsfördernde Botenstoffe aus. „Das deutet auf eine überschießende Immunreaktion hin“, erklärt Ana Zenclussen. „Interessant ist, dass dieser Effekt insbesondere bei den Immunzellen der männlichen Studienteilnehmenden zu sehen war.“ Bei den weiblichen Studienteilnehmenden zeigte sich ein anderes Bild. Hier waren nach erhöhter PFAS-Exposition im Verhältnis weniger B-Zellen vorhanden. B-Zellen sind Immunzellen, die für die Entwicklung von Antikörpern und die Ausbildung einer langfristigen Immunität entscheidend sind. „Dass eine hohe PFAS-Belastung das Immunsystem je nach Geschlecht unterschiedlich beeinflusst, ist ein wichtiger Hinweis, dem in weiterführenden Studien weiter nachgegangen werden sollte“, sagt Zenclussen.

Bei beiden Geschlechtern war die Bildung von für die Immunantwort wichtigen Botenstoffen, die für das Anlocken weiterer Immunzellen oder die Wundheilung wichtig sind, insgesamt herunterreguliert. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine Exposition mit hohen PFAS-Konzentrationen die Immunantwort auf SARS-CoV-2 durchaus verändert und womöglich in ihrer Effektivität reduziert“, sagt Ana Zenclussen. „Das könnte bedeuten, dass Menschen mit hoher PFAS-Belastung möglicherweise ein höheres Risiko für einen schlechten Krankheitsverlauf haben oder auch weniger gut auf Impfungen ansprechen. Mit angepassten und individualisierten Impfstrategien könnte dem aber entgegengewirkt werden.“

Link: https://idw-online.de/de/news851716

Originalpublikation: H.S. Ayuk, A. Pierzchalski, T. Tal, O. Myhre, B. Lindeman, V. Stojanovska, A. Zenclussen: Evaluating PFAS-Induced Modulation of Peripheral Blood Mononuclear Cells (PBMCs) Immune Response to SARS-CoV-2 Spike in COVID-19 Vaccinees. Environment International; https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0160412025001606?via%3Dihub

 

Cannabis-Studie: Legale Abgabe reduziert problematischen Konsum – besonders bei bestimmten Personen

Universität Basel

Im Rahmen der Studie «Weed Care» untersuchen Forschende, wie sich die legale Abgabe von Cannabis auf Konsum und Psyche der Teilnehmenden auswirkt. Über den direkten Vergleich von legalem versus illegalem Bezug der Substanz berichtet das Studienteam nun in einer ersten wissenschaftlichen Publikation.

Link: https://idw-online.de/de/news851714

Originalpublikation: Lavinia Baltes-Flückiger, Regine Steinauer, Maximilian Meyer, Adrian Guessoum, Oliver Herrmann, Christoph Felix Mosandl, Jens Kronschnabel, Eva-Maria Pichler, Marc Vogel, Marc Walter, Effects of legal access versus illegal market cannabis on use and mental health: A randomized controlled trial

Addiction (2025), doi: https://doi.org/10.1111/add.70080

 

Europa sichern heißt Klima schützen – Neuer Policy Brief stellt Weichen für 1,5°-Lebensstile

Dr. Bianca Schröder RIFS Presse und Kommunikation

Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Forschungsergebnisse zeigen breite Unterstützung in der Bevölkerung – Forderung an Politik: Nachhaltige Lebensstile konsequent ermöglichen und fördern

Mit Blick auf die zunehmenden geopolitischen Spannungen und die eskalierende Klimakrise fordert ein neuer Policy Brief, Klimapolitik als integralen Bestandteil europäischer Sicherheitsstrategie zu verankern. Der Bericht „1,5°-Lebensstile durchsetzen: Nachhaltige Sicherheit durch Klimapolitik“, veröffentlicht im Rahmen des EU-Forschungsprojekts „1.5° Lifestyles“, wurde heute vom Research Institute for Sustainability (RIFS) vorgestellt.

Er argumentiert: Bürgerinnen und Bürger in Europa sind bereit, tiefgreifende Veränderungen mitzutragen – vorausgesetzt, die politischen Rahmenbedingungen sind fair, verlässlich und ambitioniert.

Derzeit dominieren Themen wie Wirtschaftswachstum, industrielle Wettbewerbsfähigkeit und Verteidigung die politische Agenda. Doch wer Klimaziele heute zur Nebensache erklärt, gefährdet Europas langfristige Resilienz, Stabilität und Demokratie. Die Botschaft des Berichts ist klar: Klimapolitik ist keine Zugabe – sie ist Voraussetzung für dauerhafte Sicherheit.

„Wirtschaftliche und militärische Sicherheit sind wichtige Bestandteile“, sagt Professorin Doris Fuchs, wissenschaftliche Direktorin am Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) am GFZ. „Aber wenn wir den Klimawandel und den ökologischen Verfall nicht jetzt bekämpfen, untergraben wir die Grundlagen von Frieden und Wohlstand. Ein realistischer Sicherheitsbegriff muss auch Klimaresilienz, soziale Gerechtigkeit und ein Leben innerhalb planetarer Grenzen umfassen.“

Gesellschaftlicher Rückhalt trifft auf politische Zaghaftigkeit

Entgegen der verbreiteten Annahme, dass Menschen tiefgreifende Lebensstiländerungen ablehnen, zeigen die Ergebnisse des EU-Projekts „1.5° Lifestyles“ ein anderes Bild: In allen untersuchten Ländern sprechen sich Bürgerinnen und Bürger für ambitionierte Maßnahmen aus – sofern diese gerecht und wirksam gestaltet sind. Gefragt sind klare Rahmenbedingungen, die klimaschädlichen Konsum regulieren, Verantwortung fair verteilen und nachhaltige Alternativen attraktiver machen.

Freiwilligkeit allein reicht nicht mehr. Der Bericht fordert gezielte Regulierung emissionsintensiver Bereiche – etwa bei fossilen Fahrzeugen, übermäßigem Fleischkonsum, ineffizienten Heizsystemen, Luxus-Emissionen und häufigem Kurzstreckenflugverkehr. Gleichzeitig müssten klimafreundliche Optionen – von ÖPNV über Wärmepumpen bis zu pflanzlicher Ernährung – zur bequemeren und günstigeren Wahl werden.

Deutschland im Fokus: Fortschritt mit Widerständen

Für Deutschland zeigt der Policy Brief ein ambivalentes Bild: In puncto Wohnen und Mobilität braucht es mehr öffentliche Infrastruktur. Während Wärmepumpen auf breite Zustimmung stoßen, fehlt diese beim Thema Wohnflächenverkleinerung. Dabei liegt die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf bereits bei 45 m² (Stand 2015) – Tendenz steigend.

Besonders auffällig ist die Ablehnung gegenüber E-Autos – deutlich stärker als in anderen untersuchten Ländern wie Spanien, Schweden, Lettland oder Ungarn. Das dürfte nicht zuletzt an der einflussreichen deutschen Automobilindustrie liegen. Insgesamt hatte Deutschland 2015 mit 9,5 t CO₂e pro Kopf die höchste durchschnittliche Emissionsbilanz der untersuchten Länder – ein Befund, der politischen Mut und Konsequenz verlangt.

Stattdessen widerspricht die weiterhin laufende Förderung von Erdgas allen klimapolitischen Zielen. Nötig sind politische Instrumente, die nachhaltige Lebensstile ermöglichen und gleichzeitig nicht nachhaltige Praktiken gezielt zurückdrängen.

Sechs politische Kernempfehlungen

Der aus den Studienergebnissen entstandene Policy Broef formuliert sechs konkrete Handlungsempfehlungen:

  1. Lebensstile in Klimapolitik integrieren

Nationale und europäische Klimastrategien müssen über technologische Lösungen hinausgehen und klimaschädliche Konsummuster direkt adressieren.

  1. Nachhaltigkeit zum Standard machen

Der Staat sollte massiv in öffentliche Infrastruktur investieren – etwa in bezahlbaren ÖPNV, energieeffizientes Wohnen und gesunde Ernährungssysteme.

  1. Gerechtigkeit als Leitprinzip verankern

Regulierungen müssen soziale Ausgewogenheit gewährleisten und Beteiligung ermöglichen.

  1. Politische Konsistenz zeigen

Halbherzige Botschaften und schwammige Gesetze gefährden das Vertrauen der Bevölkerung.

  1. Wohlbefinden neu definieren

Fortschritt darf nicht am Bruttoinlandsprodukt gemessen werden, sondern an Gesundheit, Gerechtigkeit und sozialem Zusammenhalt.

  1. Demokratische Teilhabe stärken

Bürgerinnen und Bürger wollen den Wandel mitgestalten. Transparente und inklusive Prozesse sind entscheidend für gesellschaftlichen Rückhalt.

Wissenschaftlicher Rückenwind

Mehr als 500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler trafen sich jüngst im schwedischen Lund, um über Wege zur sozial-ökologischen Transformation zu beraten. In seiner Keynote bekräftigte Nachhaltigkeitsexperte Tim Jackson: Eine lebenswerte Zukunft sei möglich – sie verspreche Vorteile für Mensch und Umwelt. Aber sie erfordere die Abkehr von Wachstum als leitende Priorität.

Über das EU 1.5° Lifestyles-Projekt

In den vergangenen vier Jahren hat das Projekt wertvolle Einblicke in nachhaltiges Leben und konkrete Handlungsmöglichkeiten zur Erreichung der Klimaziele geliefert. Mit einem Fokus auf Mobilität, Wohnen, Ernährung und Freizeit bieten aus dem Projekt hervorgegangene Studien umsetzbare Lösungen, die auf die Bedürfnisse der fünf untersuchten Länder abgestimmt sind. Im letzten Jahr des Projekts liegt der Schwerpunkt auf der gemeinsamen Entwicklung maßgeschneiderter Empfehlungen mit Stakeholder*innen und der Bereitstellung praktischer Werkzeuge für den Wandel.

https://idw-online.de/de/news851726

Originalpublikation: Policy Brief „1,5°-Lebensstile Durchsetzen: Nachhaltige Sicherheit durch Klimapolitik“: https://einskommafuenflebensstile.de/resources/policy-briefs/pb7-15deg-lebensstile-durchsetzen-nachhaltige-sicherheit-durch-klimapolitik

 

Gezielte Aktivierung als Therapieansatz

Um die Wirkungsweise von FXR besser zu verstehen, testete das Team auch sogenannte Organoide, also Mini-Organe aus Mausgewebe. Diese wurden mit der potenziell krebserregenden Gallensäure DCA behandelt. Die Folge: vermehrte Zellteilung und Schäden im Erbgut.

Wurden die Organoide zusätzlich mit Obeticholsäure (OCA) behandelt, einem Wirkstoff, der FXR aktiviert, konnte der schädliche Effekt deutlich abgeschwächt werden. Dieser Effekt zeigte sich auch im lebenden Organismus: Mäuse, die zusätzlich zu einer fettreichen Diät OCA erhielten, entwickelten weniger bösartige Gewebeveränderungen. Zudem veränderte sich durch die OCA-Behandlung die Zusammensetzung der Darmbakterien – mit dem positiven Effekt, dass weniger Bakterien nachzuweisen waren, die für die Umwandlung von primären zu schädlichen sekundären Gallensäuren bekannt sind.

Neue Hoffnung für Früherkennung und Therapie

Mit ihrer Studie liefert die Arbeitsgruppe von Prof. Quante wertvolle Hinweise darauf, dass FXR eine zentrale Rolle beim Schutz vor Speiseröhrenkrebs spielt. Damit eröffnen sich neue Möglichkeiten sowohl für die Früherkennung, etwa durch den Nachweis von FXR im Gewebe, als auch für die Behandlung von Speiseröhrenkrebs durch eine gezielte Aktivierung des Schutzproteins.

Ob sich diese Erkenntnisse eins zu eins auf den Menschen übertragen lassen, ist noch unklar. Die Ergebnisse eröffnen aber neue Perspektiven für die gezielte Früherkennung von Risiken und möglicherweise auch für neue Therapieansätze, um das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.

Wilhelm Sander-Stiftung: Partnerin der Krebsforschung

Die Wilhelm Sander-Stiftung hat das Forschungsprojekt mit 260.000 € über 4 Jahre unterstützt. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 280 Millionen Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz ausbezahlt. Damit ist die Wilhelm Sander-Stiftung eine der bedeutendsten privaten Forschungsstiftungen im deutschen Raum. Sie ging aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Link: https://idw-online.de/de/news851728

Originalpublikation: Baumeister T, Proaño-Vasco A, Metwaly A, Kleigrewe K, Kuznetsov A, Schömig L, Borgmann M, Khiat M, Anand A, Strangmann J, Böttcher K, Haller D, Dunkel A, Somoza V, Reiter S, Meng C, Thimme R, Schmid RM, Patil DT, Burgermeister E, Huang Y, Sun Y, Wang HH, Wang TC, Abrams JA, Quante M. Loss of FXR or Bile Acid-dependent Inhibition accelerate carcinogenesis of Gastroesophageal Adenocarcinoma. Cell Mol Gastroenterol Hepatol. 2025 Mar 24:101505. doi: https://doi.org/10.1016/j.jcmgh.2025.101505.

 

Ultrakurzzeit-Therapie für posttraumatisches Belastungssyndrom nach Intensivstation

Philipp Kressirer Kommunikation und Medien

Klinikum der Universität München

Wie können Hausärzte Menschen helfen, die nach einem Aufenthalt auf der Intensivstation eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickelt haben? Mit einer Gesprächstherapie namens „Narrative Expositionstherapie“, die ein Team um Prof. Dr. Jochen Gensichen, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin am LMU Klinikum, „fit“ gemacht hat für die Anwendung in der Hausarztpraxis. In einer jetzt im Fachblatt „British Medical Journal“ veröffentlichten Studie zeigten sich deutliche positive Effekte.

Ob nach einer heftigen Lungenentzündung, einem schweren Unfall oder nach einem Herzinfarkt: Dem Tod in der Intensivstation von der Schippe zu springen – das klingt, bei allem Unglück, nach einer Geschichte der Rettung. Aber, sagt Prof. Dr. Jochen Gensichen, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin am LMU Klinikum: „Diese Menschen haben die stärkste Medizin mit viel körperlichem und psychischem Stress erlebt, haben dank der Intensivmedizin überlebt – und sind trotzdem oft unsicher und kommen im Alltag nicht wieder richtig in Tritt.“

Schauen die Ärzte genauer hin, dann haben etwa ein Fünftel der Patienten in den ersten zwölf Monaten nach der Entlassung aus einer Intensivstation mehr oder minder starke Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung: Flashbacks, Schlaflosigkeit und Albträume. Und damit werden sie nach drei, vier Monaten vorstellig beim medizinischen Ansprechpartner ihres Vertrauens: dem Hausarzt. Oder aber umgekehrt: Der Allgemeinmediziner erkennt den Zustand des Patienten und spricht ihn darauf an.

Stellt sich eine posttraumatische Belastungsstörung nach Intensivstation heraus, folgt die Frage: wie therapeutisch vorgehen? Psychotraumatologen sind rar gesät – und monatelang ausgebucht.

Deshalb hat das Münchner Team eine simple und kompakte Intervention entwickelt, maßgeschneidert für die knapp bemessene Zeit von Hausärzten. Sie beruht auf der sogenannten narrativen Expositionstherapie (NET). Die Idee: eine Art Unordnung des Gedächtnisses wieder zu sortieren. Denn im Gehirn der Betroffenen sind die Geschehnisse in der Intensivstation und die damals auftretenden Gefühle irgendwie chaotisch abgespeichert, so dass bei ähnlichen Erinnerungen zu damals der Eindruck entsteht, dass einem der Boden unter den Füßen weggezogen würde. Mit der NET sollen durch eine bestimmte Gesprächstechnik die Erinnerungen sozusagen entdramatisiert werden, so dass sie einfach nur angemessene Erinnerungen an die Zeit von damals sind.

„Wir haben die kürzeste Variante der Narrativen Expositionstherapie überhaupt entwickelt“, erklärt Gensichen. Im Schnitt dauert jede Sitzung 30 bis 45 Minuten. In einer kontrollierten Studie erhielten 160 Betroffene die neue Intervention (in drei Einzelsitzungen) und 159 die Standardbetreuung durch ihren Hausarzt. In den Sitzungen rekonstruierten Hausarzt und Patient die starken, verstörenden Erlebnisse und sortierten diese neu. Zusätzlich erfolgten sieben wöchentliche Telefonvisiten durch eine medizinische Fachangestellte der Hausarztpraxis.

Resultat: Die Ultrakurzzeit-NET hat Zahl und Intensität der Flashbacks reduziert und das Denken der Patienten so verändert, dass sie nicht mehr die Schuld für die Erkrankung bei sich selbst suchen. Vermeidungsverhalten, also das Aus-dem-Weg-gehen von bedrohlichen Situationen, und die Übererregbarkeit wurden weniger beeinflusst, dafür aber die Stimmung der Patienten. Nach einem Jahr waren die Effekte immer noch nachweisbar, schwächten sich allerdings ab. „Insgesamt ein beachtliches Ergebnis für solch eine kurze Intervention“, findet Jochen Gensichen, der das Verfahren für „absolut praxistauglich“ hält.

Zum einen ist es für einen Hausarzt, der ja sehr viel Vorwissen hat, leicht und schnell zu lernen. Zum anderen lässt es sich in den Praxisalltag einbauen. Die an der Studie teilnehmenden Ärzte waren mit den NET hochzufrieden, gleichermaßen die Patienten. Jochen Gensichen: „Man kann auch das Wissen für die nötige Diagnostik relativ fokussiert vermitteln, um die Patienten gezielt zu selektieren und auch diejenigen zu erkennen, für die diese Behandlung eventuell nicht ausreichen würde, für die man also eine spezialisierte Behandlung brauchen würde.“

https://idw-online.de/de/news851754 | https://www.lmu-klinikum.de/aktuelles/pressemitteilungen/ultrakurzzeit-therapie-fur-posttraumatisches-belastungssyndrom-nach-intensivstation-nbsp-nbsp-nbsp/8821d20c97c2837d

Originalpublikation: Effects of a general practitioner-led brief narrative exposure intervention on symptoms of post-traumatic stress disorder after intensive care (PICTURE): multicentre, observer blind, randomised controlled trial

BMJ 2025; 389 doi: https://doi.org/10.1136/bmj-2024-082092

 

Neuer Angriffspunkt gegen gefährliche Tropenkrankheiten

Meike Drießen Dezernat Hochschulkommunikation

Ruhr-Universität Bochum

Die Arbeiten eines Forschungsteams aus Bochum und Würzburg lassen auf neue Behandlungsmöglichkeiten gefährlicher Tropenkrankheiten hoffen. Die Forschenden haben ein hochpräzises Inventar der Membranproteine von Zellorganellen des Erregers der Afrikanischen Schlafkrankheit erstellt. „Diese Proteine enthalten teils Bestandteile, die spezifisch für Parasiten sind und sich deutlich von denen der Wirtszellen unterscheiden“, erklärt Prof. Dr. Ralf Erdmann aus der Ruhr-Universität Bochum. Das macht sie zu einem guten Angriffsziel für potenzielle Wirkstoffe. Die Forschenden berichten in der Zeitschrift Cell Reports vom 27. Mai 2025.

Einzigartige Organellen

Untersuchungsgegenstand der Forschenden war der Erreger der Afrikanischen Schlafkrankheit Trypanosoma brucei. Trypanosomen haben einzigartige Zellorganellen, die für das Überleben der Parasiten essenziell sind, die Glykosomen. „Sie gelten als potenzielle Achillesferse bei der Entwicklung neuer Medikamente“, so Ralf Erdmann.

Ihm und seinen Mitarbeitern Dr. Vishal Kalel und Dr. Chetan Krishna an der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität ist es in Zusammenarbeit mit Hirak Das aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Bettina Warscheid an der Universität Würzburg gelungen, ein hochpräzises Inventar der Membranproteine dieser Glykosomen zu erstellen. In ihrer Studie identifizieren sie erstmals umfassend die Proteinbestandteile der Glykosomenmembran, darunter zahlreiche bislang unbekannte, teils parasitenspezifische Komponenten.

Vielversprechendes Ziel für neue Wirkstoffe

Mithilfe modernster subzellulärer Proteomik konnten 28 Glykosomen-Membranproteine mit hoher Zuverlässigkeit bestimmt werden. „Mit dieser Technik konnten wir auch Proteine aufspüren, die an der Glykosomenbiogenese, interorganellen Kommunikation und Proteinqualitätskontrolle beteiligt sind“, beschreibt Bettina Warscheid. „Ein besonderes Highlight ist die Entdeckung des TbPEX15, einem Membrananker für einen wichtigen Proteinimport-Komplex – ein vielversprechendes Ziel für die Entwicklung neuer Wirkstoffe, da es sich deutlich vom menschlichen Pendant unterscheidet.“

Die Erkenntnisse liefern wichtige Grundlagen für die Entwicklung neuer Therapien gegen Krankheiten, die weltweit über 12 Millionen Menschen betreffen, darunter die Chagas-Krankheit und Leishmaniose. „Zudem vertiefen diese Erkenntnisse unser Verständnis der Parasitenbiologie, eröffnet neue Wege für gezielte Behandlungsstrategien gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten und liefert eine wertvolle Ressource für die biomedizinische Forschung zur Glykosomenbiologie“, so Ralf Erdmann.

Förderung

Dieses Projekt wurde durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 der Europäischen Union im Rahmen der Marie-Skłodowska-Curie-Fördervereinbarung Nr. 812968 gefördert. Die Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen der folgenden Projekte unterstützt: ER178/17-1, SPP2453 (Nr. 541758684) und GRK 2234/2.

https://idw-online.de/de/news851758

Originalpublikation: Chethan K. Krishna, Hirak Das, Lisa Hohnen, Wolfgang Schliebs, Silke Oeljeklaus, Bettina Warscheid, Vishal C. Kalel, Ralf Erdmann: High-Confidence Glycosomal Membrane Protein Inventory Unveils Trypanosomal Peroxin PEX15, in: Cell Reports, 2025, DOI: 10.1016/j.celrep.2025.115614, https://doi.org/10.1016/j.celrep.2025.115614

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