Schutzradar für Bakterien
Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI)
Ein chemisches Radar ermöglicht es Bakterien, Fressfeinde aufzuspüren und zu töten
Die Erforschung der Kommunikation von Mikroorganismen trägt zum Verständnis der komplexen ökologischen Wechselwirkungen in unserer Umwelt bei und ist Forschungsschwerpunkt des Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“. Ein Forschungsteam des Clusters am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI) und der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat in einer Studie die Interaktion zwischen Amöben, Bakterien und Pflanzen untersucht. An der Studie waren auch Forschende der Universität Bayreuth beteiligt. Die Ergebnisse eröffnen neue Wege für die Entdeckung bioaktiver Naturstoffe.
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Link: https://idw-online.de/de/news849901
Originalpublikation: Zhang S, Schlabach K, Pérez Carrillo VH, Ibrahim A, Nayem S, Komor A, Mukherji R, Chowdhury S, Reimer L, Trottmann F, Vlot AC, Hertweck C, Hellmich UA, Stallforth P (2025) A chemical radar allows bacteria to detect and kill predators. Cell, DOI: https://doi.org/10.1016/j.cell.2025.02.033
Wie das Gehirn Belohnungen bewertet
Deutsches Primatenzentrum GmbH – Leibniz-Institut für Primatenforschung
Studie zeigt, wie einzelne Gehirnzellen Wahrscheinlichkeit, Größe und Risiko von Belohnungen verarbeiten
Forscher haben ein neues Verständnis darüber gewonnen, wie das Gehirn Belohnungs- und Risikoinformationen verarbeitet. Eine Studie der Neurowissenschaftler Raymundo Báez-Mendoza vom Deutschen Primatenzentrum (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen und Fabian Grabenhorst von der Universität Oxford zeigt, wie Nervenzellen in der sogenannten Amygdala nicht nur auf die Wahrscheinlichkeit und Größe von Belohnungen reagieren, sondern diese Informationen auch dynamisch verarbeiten, um den Wert und das Risiko vorherzusagen. Die Erkenntnisse liefern neue Einblicke wie unser Gehirn Entscheidungen trifft und könnten auch für das Verständnis von psychischen Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen von Bedeutung sein (Nature Communications).
Link: https://idw-online.de/de/news850081 | https://www.dpz.eu/im-dialog/news/artikel/wie-das-gehirn-belohnungen-bewertet
Originalpublikation: Grabenhorst F and Báez-Mendoza R (2025): Dynamic coding and sequential integration of multiple reward attributes by primate amygdala neurons. Nature Communications 16, 3119, https://doi.org/10.1038/s41467-025-58270-y
Arbeiten mit Krankheiten – mit professioneller Hilfe können Beschäftigte gut und produktiv im Erwerbsleben bleiben
Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V.
Mit zunehmender Alterung der Gesellschaft wird künftig das Arbeiten mit gesundheitlichen Einschränkungen eher die Regel als die Ausnahme sein. Forschende der Bergischen Universität in Wuppertal (BUW) gehen davon aus, dass sieben Millionen Beschäftigte zwischen 50 und 64 Jahren mit gesundheitlichen Einschränkungen erwerbstätig sind. Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels stellt dies eine besondere Herausforderung für die Betriebe und die arbeitsmedizinische Betreuung dar. Die 65. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) widmet dem Thema „Arbeiten mit Krankheiten“ einen Schwerpunkt. Der Kongress geht noch bis zum 5. April.
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Link: https://idw-online.de/de/news850075
Handlich verpackte Hinweise für mehr Teilhabe in der Forschung
Technische Universität Chemnitz
Forschende der Juniorprofessur Soziologie mit Schwerpunkt Technik der TU Chemnitz erstellen Leitfaden für Partizipation in der Forschung und Praxis, der online verfügbar ist
Partizipation ist in der heutigen Gesellschaft mehr als ein Schlagwort. Es beschreibt im Kontext von Wissenschaft und Bildung die gemeinsame Teilhabe und Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Fachdisziplinen an Forschung. Voraussetzung dafür sind klare Strukturen, Strategien und Konzepte, wie Laien und Fachleute verschiedener Fachrichtungen zum gegenseitigen Gewinn zusammengebracht werden können. Doch wie können Betroffene und gesellschaftliche Gruppen besser an Forschung teilhaben?
Seit dem 1. April 2025 ist auf der Webseite des Projekts „PartWiss“, das von der Juniorprofessur Soziologie mit Schwerpunkt Technik (Leitung: Jun.-Prof. Dr. Andreas Bischof) der Technischen Universität Chemnitz koordiniert wird, ein Leitfaden für Partizipation in der Forschung als Online-Version und als pdf-Download zum Ausdrucken verfügbar: https://www.partizipation-wissenschaft.de/leitfaden-uebersicht. Dieser Leitfaden richtet sich an alle, die sich mit partizipativen Projekten befassen – ob in der Forschung, Praxis oder an der Schnittstelle beider Bereiche. „Ziel ist es, sie auf ihrem Weg zu inspirieren, zu unterstützen, praktische Hilfestellungen anzubieten und insbesondere eine Orientierung in der Vielfalt partizipativer Ansätze und Begrifflichkeiten zu geben“, sagt der Projektkoordinator und Herausgeber Jun.-Prof. Dr. Andreas Bischof.
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Link: https://idw-online.de/de/news850054
Neues Antibiotikum gegen Problemkeim, der Tripper (Gonorrhö) auslöst
Universität Wien
Neuartiges Antibiotikum aktiviert einen in den Gonokokken bereits vorhandenen Selbsttötungsmechanismus
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Hinter dem sperrigen Namen Neisseria gonorrhoeae, auch salopp als Gonokokken oder Tripper-Bakterien bezeichnet, verbirgt sich eine hochspezialisierte Bakterienart, die nur beim Menschen vorkommt. Diese Keime besiedeln bevorzugt die Schleimhäute des Genitaltrakts und werden bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr übertragen. Bei der Geburt können diese Pathogene auch von einer infizierten Mutter auf ihr Neugeborenes übertragen werden, wobei in diesem Fall die Augen des Babys befallen werden. Vor allem im prä-antibiotischen Zeitalter war dies eine häufige Ursache für neonatale Blindheit.
„Gonokokken haben traurige Berühmtheit erlangt, weil sie in der Lage sind, sehr schnell gegen Antibiotika resistent zu werden“, erklärt Chemiker Böttcher. Dies liegt an einer Besonderheit der Gonokokken, die aus ihrer Umwelt Erbmaterial von anderen Bakterien aufnehmen und damit Resistenzgene regelrecht einsammeln können. Er fährt fort: „Nicht zuletzt deshalb sind in den letzten Jahren Gonokokken-Stämme aufgetaucht, die gegen alle bislang verwendeten Antibiotika resistent sind – solche superbugs sind mit Antibiotika nicht mehr zu behandeln.“
Nun konnten die Teams von Hauck und Böttcher neue Wirkstoffe aus der Gruppe der Alkyl-Quinolone (AQs) identifizieren, die selbst solche multiresistenten Gonokokken abtöten können. AQs sind eigentlich Naturstoffe, die von manchen Bakterien produziert werden, um sich in der Natur gegen andere Bakterien zur Wehr zu setzen. Getreu dem Motto „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ bauten die Wissenschafter*innen diese Naturstoffe im Labor nach und stellten auf synthetischem Weg leicht veränderte Varianten her. „Tatsächlich zeigte sich bei einem dieser neuen AQ-Moleküle eine bislang einzigartige Wirkung: diese chemische Verbindung war in der Lage, Gonokokken abzutöten, aber hatte keinerlei negativen Einfluss auf andere Bakterien oder menschliche Zellen“, sagt Zellbiologe Hauck. Die Ursache für diesen verblüffenden Effekt konnten die Wissenschafter*innen nun mit einem interdisziplinären Forschungsansatz aufklären, der synthetische und organische Chemie mit genetischen und biochemischen Analysen sowie aufwendigen präklinischen Tiermodellen verbindet.
Wie sich zeigte, aktiviert dieses neuartige Antibiotikum einen in den Gonokokken bereits vorhandenen Selbsttötungsmechanismus. „Solche suicide-Programme, die auf sogenannten Toxin-Antitoxin-Systemen beruhen, kennt man zwar auch von anderen Mikroorganismen, aber mit unserem AQ-Wirkstoff haben wir genau die Achillesferse der Gonokokken getroffen“, so Ann-Kathrin Mix, die Erstautorin der Studie und Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Hauck. Das neue Antibiotikum sorgt für den Abbau des Antitoxins, sodass der Toxin-Teil frei wird und seine todbringende Wirkung gegenüber diesen Bakterien entfalten kann. Da das betroffene Toxin-Antitoxin-System fast ausschließlich bei Gonokokken vorkommt, werden andere Bakterien von diesem neuen Antibiotikum nicht geschädigt. Im Gegensatz dazu lassen sich selbst multiresistente Gonokokken-Varianten mit dem AQ-Wirkstoff eliminieren.
Ähnliche Toxin-Antitoxin-Systeme finden sich auch bei anderen Erregern. Deshalb, so erwarten die Forschenden, könnte diese Art der Bekämpfung in angepasster Form auch gegen andere Erreger eingesetzt werden. „Somit eröffnen die gerade publizierten Erkenntnisse einen neuen und innovativen Weg, wie Problemkeimen begegnet werden kann, bevor unsere Möglichkeiten zur antibiotischen Behandlung ausgeschöpft sind“, erklärt Hauck die Bedeutung dieser Arbeit für die Infektionsforschung.
Link: https://idw-online.de/de/news850053 | https://medienportal.univie.ac.at/media/aktuelle-pressemeldungen/detailansicht/artikel/neues-antibiotikum-gegen-problemkeim-der-tripper-gonorrhoe-ausloest/
Originalpublikation: Mix, A.-K., Nguyen, T.H.N., Schuhmacher, T., Szamosvári, D., Muenzner, P., Haas, P., Heeb, L., Wami, H.T., Dobrindt, U., Delikkafa, Y.Ö., Mayer, T.U., Böttcher, T., Hauck, C.R. (2025) A quinolone N-oxide antibiotic selectively targets Neisseria gonorrhoeae via its toxin-antitoxin system. In Nature Microbiology. https://doi.org/10.1038/s41564-025-01968-y
https://www.nature.com/articles/s41564-025-01968-y
Jetzt mit Geriatrie-Schwerpunkt: Update der S3-Leitlinie zur peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK)
Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG)
Die veröffentlichte Neuauflage der S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) ist vor allem für die Altersmedizin ein echter Zugewinn: „Sie ist eine der wenigen Leitlinien mit dezidierter Adressierung der Geriatrie in einem eigenen substantiellen Schwerpunkt-Kapitel. Das hat eine große Bedeutung, wenn man sich vor Augen führt, dass mehr als 20 Prozent der Betagten eine pAVK haben – sie ist also eigentlich eine Alterskrankheit”, sagt Dr. Christoph Ploenes, Chefarzt im Fachzentrum für Angiologie der Schön Klinik Düsseldorf und Leiter der Arbeitsgruppe Gefäßerkrankungen/Angiologie bei der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG).
Stellvertretend für die Fachgesellschaft hat er zusammen mit Dr. Hartmut Görtz neueste wissenschaftliche Erkenntnisse geprüft und die relevanten Ergebnisse im Kapitel „Die pAVK in der Geriatrie“ zusammengefasst. Hier werden konkrete konsentierte Empfehlungen gegeben im Umgang mit älteren Patientinnen und Patienten mit einer pAVK, die aufgrund der besonderen Situation – wie zum Beispiel Gebrechlichkeit (Frailty) – teils stark von sonstigen Standardempfehlungen abweichen. Insgesamt waren 23 Fachgesellschaften an dem wissenschaftlichen Werk beteiligt, das zunächst bis September 2029 gültig ist.
Die pAVK, eine klinische Manifestationsform der Arteriosklerose, betrifft meist die Beindurchblutung, was zunächst zu belastungsabhängigen Muskelschmerzen beim Gehen führen kann. Allerdings verläuft die Krankheit im Alter häufig diesbezüglich asymptomatisch. „Deshalb sollte man in einer geriatrischen Untersuchung oder in einer medizinischen Untersuchung alter Menschen in jedem Fall auch bei völliger Beschwerdefreiheit die Fußpulse tasten”, sagt Christoph Ploenes und fasst damit eine der wichtigen Empfehlungen in der Leitlinie zusammen. Auf diese Weise kann unter Umständen – zum Beispiel durch Lagerungsmaßnahmen – eine Folgemorbidität verhindert werden, etwa Fersendekubitus bei bettlägerigen Menschen oder mögliche Wundheilungsstörungen, falls ein Eingriff im Fußbereich oder Sprunggelenk geplant ist.
Wichtige Erkenntnis: Geriatrische Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener Frailty profitieren meist nicht von Gefäßeingriffen!
Neu in der Leitlinie ist auch die Erkenntnis, dass bei geriatrischen Patientinnen und Patienten mit fortschreitender pAVK nicht nur die Komorbidität prognostisch relevant sein kann, sondern auch Funktionseinschränkungen im täglichen Leben. „Menschen mit fortgeschrittenem Frailty-Syndrom haben beispielsweise nicht nur ein höheres Risiko zu stürzen, ein Delirium zu entwickeln oder inkontinent zu werden, sondern allgemein auch eine schlechtere Prognose bei Eingriffen”, erklärt Ploenes. Was zu der wichtigen Empfehlung führt, geplante Eingriffe genauer abzuwägen, vor allem im Einklang mit dem primären Therapieziel der Beschwerdelinderung. „In sehr vielen von uns analysierten Registerstudien und retrospektiven Studien hat sich unisono herausgestellt, dass diese Patientengruppe von der Operation, also dem Wiederherstellen der Durchblutung, nicht profitiert hat – im Gegenteil.“ Aber nicht nur bei der Therapie, bereits bei der Diagnostik sei ein anderes Vorgehen als beim Standard ratsam: „Zum Beispiel ist dann nicht ohne Weiteres ein CT angezeigt, erst recht nicht als Screening”, so Ploenes.
Mehr geriatrische Kompetenz in der Gefäßmedizin gefordert
Um diese besonders vulnerable Gruppe älterer Menschen mit pAVK noch besser beziehungsweise differenzierter versorgen zu können, ist insgesamt mehr geriatrische Kompetenz in der Gefäßmedizin nötig – auch in der (Früh-)Rehabilitation. „Es ist sehr anzustreben, dass wir eine interdisziplinäre Zusammenarbeit unterschiedlicher Expertinnen und Experten erreichen, was zum Beispiel in der Alterstraumatologie schon auf einem guten Weg ist. Gerade bei unserer Patientengruppe sind die personalisierte Medizin und eine Differenzialtherapie von besonders großer Bedeutung”, sagt Ploenes. „Um das zu erreichen, ist eine weitere interdisziplinäre und interprofessionelle Vernetzung nötig. Daher arbeiten wir jetzt unter interdisziplinärer Herausgeberschaft von Angiologie, Gefäßchirurgie und Geriatrie an einem Buch, das das Thema in der Breite abbildet und zudem konkrete Handlungsempfehlungen und Skizzen von Zukunftsperspektiven aufzeigt.”
Das Update der S3-Leitlinie zur peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) finden Sie hier: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/065-003 | https://www.dggeriatrie.de/presse/pressemeldungen/2416-pm-jetzt-mit-geriatrie-schwerpunkt-update-der-s3-leitlinie-zur-peripheren-arteriellen-verschlusskrankheit-pavk
Link: https://idw-online.de/de/news849924
Startschuss für die Zellteilung: Molekularer Schalter sorgt dafür, dass Zellen sich rechtzeitig teilen
Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften
Rund 100 Zellen teilen sich jede Sekunde in unserem Körper. Ein Schlüsselprotein in der Zellteilung ist Polo-like Kinase 1, kurz Plk1, denn es aktiviert weitere an diesem Prozess beteiligte Proteine. Auch in vielen Krebsarten wird Plk1 vermehrt produziert. Daher ist das Protein ein vielversprechender Angriffspunkt für Krebstherapien. Wirkstoffe, die Plk1 hemmen, erwiesen sich allerdings bisher häufig als wenig wirksam. Neue Ergebnisse von Forschenden um Peter Lenart und Monica Gobran könnten zu einem verbesserten Ansatz für Therapien beitragen. Sie entdeckten eine bisher unbekannte Funktion des Plk1: Es steuert, dass Zellen rechtzeitig beginnen, sich zu teilen.
Durch Zellteilung entwickelt sich aus einer einzigen befruchteten Eizelle ein Lebewesen, erneuert sich unsere Haut oder heilen Wunden. Vor jeder Zellteilung, Mitose genannt, muss die genetische Information zunächst verdoppelt werden. Dadurch erhält jedes Chromosom in der teilungsbereiten Zelle zwei Kopien an genetischer Information. Einmal gestartet, durchläuft die Zellteilung im Normalfall alle Stadien, bis zwei genetisch identische Tochterzellen entstehen. Dabei werden die Chromosomen mithilfe von molekularen „Zugseilen“ – dem sogenannten Spindelapparat – mit den Polen der Zelle verbunden, nebeneinander ausgerichtet und schließlich an die entgegengesetzten Zellpole gezogen. Zwischen den räumlich getrennten Chromosomensätzen wird dann die Zelle geteilt. Eine fehlerhafte oder unkontrollierte Zellteilung kann schwerwiegende Folgen haben: Sie kann zu Erkrankungen wie beispielsweise Krebs führen.
Plk1 spielt eine zentrale Rolle in diesem Regulationsprozess. Es aktiviert weitere an der Zellteilung beteiligte Proteine, indem es ihnen ein molekulares Etikett, einen sogenannten Phosphatrest, anhängt. Seine genaue Funktion in der frühen Phase der Zellteilung war in der Forschung jedoch umstritten. „Bisherige Forschungsergebnisse ließen vermuten, dass Plk1 unentbehrlich ist, damit sich Zellen überhaupt zu teilen beginnen“, sagt Peter Lenart, der am Max-Planck-Institut (MPI) für Multidisziplinäre Naturwissenschaften die Forschungsgruppe Dynamik des Zellskeletts in Oozyten leitet.
Seine Gruppe hat nun herausgefunden, dass Plk1 für den Start der Zellteilung nicht zwingend notwendig ist. „Vielmehr sorgt es als molekularer Schalter dafür, dass Zellen rechtzeitig mit ihrer Teilung beginnen. Plk1 ist entscheidend für das richtige Timing“, berichtet der Zellbiologe.
Hemmten die Forschenden Plk1 in lebenden Zellen, verharrten die Zellen bis zu 10 Stunden in der sogenannten Prophase der Mitose – normalerweise dauert diese nur etwa 15 Minuten. In dieser Phase bereitet sich die Zelle auf die Zellteilung vor, indem sich die Chromosomen verdichten, fachsprachlich „kondensieren“. „Ein Schlüsselmoment im Labor war, als wir nach vielen Stunden plötzlich beobachteten, wie die Chromosomen kondensierten und die Zelle ihren Teilungszyklus fortsetzte“, berichtet Gobran, Erstautorin der jetzt im EMBO Journal veröffentlichten Studie.
Entscheidend für diese Beobachtung war ein neues Mikroskopieverfahren, das Gobran entwickelt hat. Der Doktorandin gelang es, hunderte lebender Zellen über einen Zeitraum von 24 Stunden dabei zu beobachten, wie sie während des Zellteilungszyklus ihre Chromosomen kondensieren.
Weitere wichtige Erkenntnisse der Molekularbiologin: Zellen teilen sich sehr individuell, selbst wenn sie demselben Zelltyp angehören. „Manche Zellen hinken im Zellzyklus hinterher, andere fangen gar nicht erst an, sich zu teilen.“ Auch auf das gehemmte Protein reagierten einzelne Zellen sehr unterschiedlich, wie Lenart ergänzt: „So wurde bisher übersehen, dass die Zellteilung auch ohne Plk1 beginnt, nur später als normal.“
Unterstützt von ihrem Teamkollegen Antonio Politi konnten die Forschenden dieses variable Verhalten der Zellen mithilfe mathematischer Modellierungen reproduzieren und dadurch erklären, wie Plk1 als Katalysator für den Start der Zellteilung wirkt.
In Kooperation mit den Expert*innen für Massenspektrometrie sowie Datenanalyse und Biostatistik am Institut, Henning Urlaub und Juliane Liepe, konnte das Team zudem identifizieren, welche Proteine in der frühen Phase mit einer Phosphatgruppe markiert werden. „Mit diesem methodischen Ansatz steht nun erstmals eine Technik zur Verfügung, mit der wir Zellen in der Prophase vor Start der Zellteilung anhalten können. Diese Phase ist normalerweise sehr kurz und war bisher zellulär und biochemisch schwer zu untersuchen“, erklärt Lenart.
Die Erkenntnisse der Forschenden könnten einen neuen Ansatz für zukünftige Krebstherapien liefern. „Wenn man Plk1-Hemmstoffe mit anderen Verbindungen kombiniert, die die Mitose verhindern, könnten sie einen größeren therapeutischen Nutzen haben“, so der Forschungsgruppenleiter.
Ein nächstes Ziel der Forschungsgruppe ist es nun, die Rolle von Plk1 bei der spezialisierten Teilung von Eizellen zu verstehen. Eizellen beim Menschen verbringen Jahrzehnte im Prophase-Zustand.
Link: https://idw-online.de/de/news849970 | https://www.mpinat.mpg.de/4973715/pr_2507 | https://www.mpinat.mpg.de/de/lenart
Originalpublikation: Gobran, M.; Politi, A. Z.; Welp, L.; Jakobi, J.; Urlaub, H.; & Lenart, P.: PLK1 inhibition delays mitotic entry revealing changes to the phosphoproteome of mammalian cells early in division. The EMBO Journal (3. März 2025). https://doi.org/10.1038/s44318-025-00400-9
Chronischer Stress und Fettleibigkeit beschleunigen gemeinsam die Entwicklung und das Wachstum von Bauchspeicheldrüsenkrebs, wie eine Studie zeigt
Eine neue Studie legt nahe, dass chronischer Stress und eine ungesunde Ernährung gemeinsam die frühe Entwicklung von Bauchspeicheldrüsenkrebs fördern können, und gibt Aufschluss darüber, wie Lebensstilfaktoren zu einer der tödlichsten Krebserkrankungen beitragen.
In präklinischen Modellen identifizierten die Forscher einen wichtigen molekularen Mechanismus, durch den Stress und Fettleibigkeit Veränderungen in den Zellen der Bauchspeicheldrüse auslösen, die zu Krebs führen können. Insbesondere wurde festgestellt, dass stressbedingte Neurotransmitter und fettleibigkeitsbedingte Hormone über verschiedene biologische Wege ein Protein namens CREB aktivieren, das mit dem Wachstum von Krebszellen in Verbindung gebracht wird. Stresshormone aktivieren den β-adrenergen Rezeptor/PKA-Signalweg, während fettleibigkeitsbedingte Signale hauptsächlich den PKD-Signalweg nutzen. Dies deutet darauf hin, dass sowohl Stress als auch Fettleibigkeit das Wachstum von Bauchspeicheldrüsenkrebs durch ähnliche Mechanismen fördern können.
In Mausexperimenten führte eine fettreiche Ernährung allein zum Wachstum von präkanzerösen Läsionen der Bauchspeicheldrüse. Wenn die Mäuse jedoch zusätzlich unter sozialem Isolationsstress litten, entwickelten sie noch weiter fortgeschrittene Läsionen.
Die Studie ergab außerdem, dass soziale Isolation bei weiblichen Mäusen einen stärkeren Einfluss auf die Krebsentwicklung hatte als bei männlichen Mäusen. Die Forscher gehen davon aus, dass die biologische Reaktion von Frauen auf Stress, möglicherweise beeinflusst durch Östrogen und eine erhöhte β-adrenerge Rezeptoraktivität, sie anfälliger für stressbedingte Krebsrisiken machen könnte.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Stresshormone und Hormone, die mit Fettleibigkeit in Verbindung stehen, wichtige krebsfördernde Signalwege aktivieren und möglicherweise das Auftreten von Bauchspeicheldrüsenkrebs beschleunigen. Eine mögliche Lösung, so die Forscher, besteht darin, den Einsatz bestehender Medikamente zu untersuchen, um dieses Risiko zu verringern. Da β-adrenerge Rezeptoren eine entscheidende Rolle beim stressbedingten Krebswachstum spielen, könnten häufig verwendete Betablocker, die als Medikamente gegen Bluthochdruck verschrieben werden, umfunktioniert werden, um diese Effekte abzuschwächen. …
https://www.uclahealth.org/news/release/chronic-stress-and-obesity-work-together-accelerate
Journal Reference: Xiaoying Sun, Yaroslav Teper, James Sinnett-Smith, Mineh Markarian, O. Joe Hines, Gang Li, Guido Eibl, Enrique Rozengurt. Stress and Obesity Signaling Converge on CREB Phosphorylation to Promote Pancreatic Cancer. Molecular Cancer Research, 2025; 23 (3): 236 DOI: https://doi.org/10.1158/1541-7786.MCR-24-0785
Ist Rotwein gesünder als Weißwein? Entkorken der Krebsrisiken
Forscher haben eine Studie durchgeführt, die „die umfangreiche und oft widersprüchliche Literatur über die Karzinogenität von Rot- und Weißwein“ durchforstet, um zu beurteilen, ob diese Annahme Bestand hat, und um die mit der Weinsorte verbundenen Krebsrisiken zu vergleichen.
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Die Ergebnisse zeigten insgesamt keinen signifikanten Unterschied im Krebsrisiko zwischen Rot- und Weißwein. Wir haben jedoch einen Unterschied festgestellt, wenn es um das Hautkrebsrisiko ging. Insbesondere wurde der Konsum von Weißwein, nicht aber von Rotwein, mit einem erhöhten Hautkrebsrisiko in Verbindung gebracht.“
Die Studie ergab außerdem einen stärkeren Zusammenhang zwischen dem Konsum von Weißwein und einem erhöhten Gesamtkrebsrisiko bei Frauen. Diese Erkenntnis rechtfertigt weitere Untersuchungen zu möglichen zugrunde liegenden Mechanismen.
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https://sph.brown.edu/news/2025-03-06/red-and-white-wine-cancer-risk
Journal Reference: Rachel K. Lim, Jongeun Rhee, Megan Hoang, Abrar A. Qureshi, Eunyoung Cho. Consumption of Red Versus White Wine and Cancer Risk: A Meta-Analysis of Observational Studies. Nutrients, 2025; 17 (3): 534 DOI: https://doi.org/10.3390/nu17030534
Große Studie zu Ernährungsgewohnheiten deutet darauf hin, dass mehr Pflanzenöle und weniger Butter zu einer besseren Gesundheit führen könnten
Forscher untersuchten Daten von über 200.000 Personen, die über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren beobachtet wurden, und stellten fest, dass ein höherer Verzehr von pflanzlichen Ölen, insbesondere Soja-, Raps- und Olivenöl, mit einer geringeren Gesamt-, Krebs- und Herz-Kreislauf-Sterblichkeit verbunden war, während der Verzehr von Butter mit einem erhöhten Risiko für die Gesamt- und Krebssterblichkeit verbunden war. Die Forscher fanden außerdem heraus, dass weniger als ein Esslöffel Butter pro Tag mit der gleichen Kalorienmenge an pflanzlichen Ölen wahrscheinlich die Zahl der Krebstoten und die Gesamtsterblichkeit um 17 % senken könnte.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen Butter und Öl ist die Art der darin enthaltenen Fettsäuren. Butter ist reich an gesättigten Fettsäuren, während pflanzliche Öle mehr ungesättigte Fettsäuren enthalten.
Journal Reference: Yu Zhang, Katia S. Chadaideh, Yanping Li, Yuhan Li, Xiao Gu, Yuxi Liu, Marta Guasch-Ferré, Eric B. Rimm, Frank B. Hu, Walter C. Willett, Meir J. Stampfer, Dong D. Wang. Butter and Plant-Based Oils Intake and Mortality. JAMA Internal Medicine, 2025; DOI: https://doi.org/10.1001/jamainternmed.2025.0205
Umweltbedingte Auslöser von Demenz aufdecken
Eine neue Studie konzentriert sich auf die starke Rolle, die unsere Umgebung bei der Gestaltung des Demenzrisikos spielt.
Eine neue Studie des College of Public Health der University of Georgia konzentriert sich auf die starke Rolle, die unsere Umgebung bei der Gestaltung des Demenzrisikos spielt. Unter der Leitung von Suhang Song, Assistenzprofessor für Gesundheitspolitik und -management, zeigt diese Metaanalyse, dass Faktoren wie Luftverschmutzung und der Zugang zu Grün- oder Wasserflächen die Wahrscheinlichkeit eines kognitiven Verfalls und der Entwicklung von Demenz erheblich erhöhen oder senken können.
https://news.uga.edu/uncovering-dementias-environmental-triggers/
Journal Reference: Linlin Da, Xia Song, Zimu Jia, Nicholas Gary Lamont Myers, Jin Sun, Jingkai Wei, Daniel Jung, Feiyang Li, Suhang Song. Objectively measured environmental features and their association with cognition and dementia: A systematic review and meta-analysis. Ageing Research Reviews, 2025; 104: 102630 https://doi.org/10.1016/j.arr.2024.102630
Gesünder leben, länger leben: Wie sich Risikofaktoren auf die Lebenszeit auswirken
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Wer im Alter von 50 Jahren nicht raucht, einen normalen Blutdruck hat, keine hohen Cholesterinwerte oder Diabetes aufweist und ein gesundes Körpergewicht hält, lebt nicht nur länger, sondern bleibt auch länger vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen verschont. Das gilt für Frauen und Männer gleichermaßen. Doch auch wer später noch etwas ändert, kann profitieren. Das haben Wissenschaftler:innen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) in einer groß angelegten Studie herausgefunden – gemeinsam mit rund 120 Forschenden weltweit.
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„Die fünf klassischen Risikofaktoren Bluthochdruck, Rauchen, Diabetes, Unter- oder Übergewicht beziehungsweise Adipositas, und hohe Cholesterinwerte sind weltweit für etwa die Hälfte aller Herz-Kreislauf-Erkrankungen verantwortlich. Wir wollten wissen, wie sich die Abwesenheit oder Kontrolle dieser Faktoren auf die Lebenszeit auswirkt“, sagt Prof. Dr. Christina Magnussen, Erstautorin und stellvertretende Direktorin der Klinik für Kardiologie des UKE.
Die Studie zeigt, dass Frauen, die mit 50 Jahren keine dieser Risikofaktoren haben, im Schnitt 13,3 Jahre später eine Herz-Kreislauf-Erkrankung entwickeln und 14,5 Jahre später sterben als Frauen mit allen fünf Risikofaktoren. Männer ohne diese Risikofaktoren leben 10,6 Jahre länger ohne Herz-Kreislauf-Erkrankung und sterben im Schnitt 11,8 Jahre später als Männer mit den Risikofaktoren. Die Risikofaktoren selbst haben unterschiedliche Bedeutung; so leben Frauen, die mit 50 Jahren nicht rauchen, 5,5 Jahre länger ohne Herz- Kreislauferkrankung, bei Männern sind es 4,8 Jahre.
Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie: Auch im späteren Leben lohnt sich eine Verhaltensänderung. „Von allen fünf Risikofaktoren ist die Kontrolle des Blutdrucks mit den meisten zusätzlichen gesunden Lebensjahren verknüpft“, sagt Prof. Dr. Stefan Blankenberg, Letztautor der Studie und Ärztlicher Direktor des Universitären Herz- und Gefäßzentrums des UKE. Menschen, die zwischen 55 und 60 Jahren ihren Bluthochdruck in den Griff bekommen oder mit dem Rauchen aufhören, leben länger und ohne eine Herz-Kreislauf-Erkrankung als Menschen, die ihre Lebensweise nicht ändern.
Für ihre Studie werteten die Wissenschaftler:innen die Daten von mehr als zwei Millionen Menschen aus 39 Ländern aus. Damit liefert die Studie eine der bislang umfassendsten Untersuchungen zum Einfluss von Risikofaktoren auf die Lebenserwartung.
Link: https://idw-online.de/de/news849812
Originalpublikation: C Magnussen et al. Global effect of cardiovascular risk factors on lifetime estimates. New England Journal of Medicine. 2025. DOI: https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2415879
Der Anteil schädlicher Substanzen in Feinstaub ist viel höher als angenommen
Universität Basel
Wer über Jahre hinweg belastete Luft atmet, hat ein höheres Risiko für eine Vielzahl an Erkrankungen. Im Verdacht stehen dabei hochreaktive Komponenten im Feinstaub, die Prozesse im Körper verändern. Forschende der Universität Basel zeigen nun aber: Genau diese Komponenten verflüchtigen sich binnen Stunden, sodass bisherige Messungen ihre Menge völlig unterschätzten.
Chronische Atemwegsprobleme, Herz-Kreislauferkrankungen bis hin zu Diabetes und Demenz: Die gesundheitlichen Schäden durch Feinstaubbelastung sind vielfältig und schwerwiegend. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass jährlich über sechs Millionen Todesfälle von erhöhter Feinstaubexposition verursacht werden. Noch vielfältiger ist die chemische Zusammensetzung dieser winzigen Partikel in der Luft, die aus menschengemachten und natürlichen Quellen stammen. Welche Partikel im Körper welche Reaktionen und langfristig Erkrankungen auslösen, ist Gegenstand intensiver Forschung.
Im Fokus stehen besonders reaktionsfreudige Komponenten, in Fachkreisen Sauerstoffradikale oder «Reactive Oxygen Species» genannt. Diese können in den Atemwegen mit Biomolekülen auf und in Zellen reagieren – Fachleute sprechen von «oxidieren» – und sie dadurch schädigen, was wiederum Entzündungsreaktionen auslösen und Auswirkungen auf den ganzen Körper haben kann.
Bisher sammelten Fachleute den Feinstaub auf Filtern und analysierten die Partikel mit einer Verzögerung von Tagen bis Wochen. «Weil diese Sauerstoffradikale so schnell mit anderen Molekülen reagieren, müsste man sie aber ohne Verzögerung messen», erklärt der Atmosphärenwissenschaftler Prof. Dr. Markus Kalberer den Gedanken hinter der Studie, die er und sein Team soeben in «Science Advances» veröffentlicht haben.
Das Team vom Departement Umweltwissenschaften hat eine neue Methode entwickelt, um Feinstaub in Sekundenschnelle zu messen. Die Partikel werden dabei direkt aus der Luft in einer Flüssigkeit gesammelt. Dort kommen sie mit verschiedenen Chemikalien in Kontakt. Die Sauerstoffradikale reagieren in dieser Lösung und erzeugen quantifizierbare Fluoreszenzsignale.
Die Messungen mit der neuen Methode zeigen: 60 bis 99 Prozent der Sauerstoffradikale verschwinden binnen Minuten oder Stunden. Die bisherigen Analysen von Feinstaub über die Filterablagerung hat somit ein verzerrtes Bild geliefert. «Weil der Messfehler bei der verzögerten Analyse aber nicht konstant ist, lässt er sich nicht so einfach herausrechnen», so Kalberer. Der echte Anteil schädlicher Substanzen im Feinstaub liege deutlich höher als bisher angenommen.
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Weitere Untersuchungen mit Lungenepithelzellen im Labor lieferten ausserdem Hinweise, dass insbesondere die kurzlebigen hochreaktiven Bestandteile des Feinstaubs anders wirken als die Partikel, die mit den bisherigen verzögerten Messungen analysiert wurden. Die kurzlebigen Feinstaubpartikel lösten andere und stärkere Entzündungsreaktionen aus.
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Link: https://idw-online.de/de/news849833
Originalpublikation: Steven J. Campbell et al., Short-lived reactive components substantially contribute to particulate matter oxidative potential, Science Advances (2025), https://doi.org/10.1126/sciadv.adp8100
Was steuert unser Verlangen nach Essen und Trinken?
Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz
Neue Forschungsergebnisse zeigen, wie das Gehirn den Nährstoff- und Flüssigkeitsbedarf des Körpers bewertet und darauf reagiert.
Damit wir genügend Kalorien und Flüssigkeit zu uns nehmen, ist das Gehirn auf ein komplexes Netzwerk von Zellen, Signalen und deren Informationswege angewiesen – es sagt uns, wann wir essen, trinken oder besser damit aufhören sollen. Dennoch ist wenig darüber bekannt, wie das Gehirn die Bedürfnisse des Körpers erkennt und die entsprechende Reaktion einleitet. Forschende am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz haben in Zusammenarbeit mit der Universität Regensburg und der Standford University nun bestimmte Gruppen von Nervenzellen identifiziert, die dafür wichtig sind. Diese spezialisierten „Durst“- und „Hunger“-Nervenzellen befinden sich in der so genannten Amygdala, einer Hirnregion, die an der Regulation von Emotionen beteiligt ist. Die Nervenzellen beeinflussen über verschiedene Schaltkreise das Verlangen nach Essen oder Trinken. Die Studie an Mäusen wirft ein neues Licht auf die Rolle der Amygdala bei der Regulation des Nährstoffbedarfs – und könnte wichtige Erkenntnisse über Essstörungen und Suchterkrankungen liefern.
Die Amygdala ist eine Hirnregion, die häufig mit Emotionen und Entscheidungsfindung in Verbindung gebracht wird. Sie ist aber auch von Bedeutung, wenn es um unser Verlangen nach Essen und Trinken geht. Bereits in früheren Studien konnten Wissenschaftler*innen aus Rüdiger Kleins Abteilung am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz zeigen, dass Nervenzellen im zentralen Kern der Amygdala Nahrung mit Gefühlen verknüpfen: Schmackhaftes Essen wird mit positiven Emotionen in Verbindung gebracht, schlechtes Essen mit Abneigung. Außerdem wird der Appetit unterdrückt, wenn Übelkeit einsetzt. Das Team zeigte auch, dass eine Veränderung in der Aktivität dieser Nervenzellen das Verhalten beeinflusst. So konnten sie Mäuse zum Fressen anregen, selbst als diese satt waren oder sich unwohl fühlten.
Aufbauend auf diesen Erkenntnissen identifizierte das Team nun verschiedene Gruppen von Nervenzellen in derselben Region innerhalb der Amygdala: Solche, die spezifisch auf Durst reagieren, und andere, die auf Hunger reagieren – gesteuert durch ein komplexes Netzwerk molekularer Signale.
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Um zu untersuchen, wie Nervenzellen im zentralen Kern der Amygdala das Ess- und Trinkverhalten regulieren, setzten die Forschenden spezielle genetische Werkzeuge ein. Damit konnten sie die Gehirnaktivität der Mäuse in unterschiedlichen Situationen untersuchen: Wenn die Tiere Hunger oder Durst verspürten, oder wenn sie bereits satt waren und genug getrunken hatten. Eine Methode namens Optogenetik ermöglichte es dem Team mit Hilfe lichtempfindlicher Proteine und eines Lasers, bestimmte Nervenzellen an- und abzuschalten. So konnten die Forschenden beobachten, wie sich sowohl die Aktivierung als auch die Inaktivierung der Nervenzellen auf das Ess- und Trinkverhalten der Mäuse auswirkte. Diesen Ansatz kombinierten sie mit einer neuen Methode, die es erlaubt, einzelne Nervenzellen in verschiedenen Hirnregionen zu beobachten. Dadurch ließ sich feststellen, woher die Nervenzellen ihre Informationen erhalten und mit welchen anderen Hirnregionen sie kommunizieren.
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Link: https://idw-online.de/de/news849847 | https://www.bi.mpg.de/klein/de
Originalpublikation: Federica Fermani, Simon Chang, Ylenia Mastrodicasa, Christian Peters, Louise Gaitanos, Pilar L. Alcala Morales, Charu Ramakrishnan, Karl Deisseroth & Rüdiger Klein, Food and water intake are regulated by distinct central amygdala circuits revealed using intersectional genetics, Nature Communications, online 29 March 2025 https://www.nature.com/articles/s41467-025-58144-3
Neue Therapieansätze für genetische Erkrankungen durch biomedizinische Grundlagenforschung
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau
Unter dem Motto „Healthy beginnings, hopeful futures“ widmet sich der Weltgesundheitstag 2025 der Frage, wie sich die Gesundheit von Neugeborenen verbessern lässt. Forschende des Exzellenzclusters CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies der Universität Freiburg untersuchen grundlegende biologische Prozesse, die unter anderem für die gesunde Entwicklung des Immunsystems und der Organe entscheidend sind.
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Ciliopathien – Wenn Zellen nicht mehr richtig kommunizieren
Cilien sind winzige, haarähnliche Zellfortsätze, die wie Antennen auf den meisten menschlichen Zellen sitzen. Sie empfangen und übertragen Signale und spielen so eine zentrale Rolle in der Zellkommunikation. „Störungen der Zilienfunktion beeinträchtigen diese Signalverarbeitung“, erklärt Dr. Miriam Schmidts. „Das kann bereits während der Embryonalentwicklung zu einer Reihe von Fehlbildungen führen.“ Dazu zählen etwa Polydaktylie (mehr als fünf Finger oder Zehen), verkürzte Röhrenknochen und Rippen (Skelettdysplasie) sowie zystische Nierenfehlbildungen, Gaumenspalten oder Fehlbildungen des zentralen Nervensystems. Die genetischen Ursachen dieser Erkrankungen liegen in Veränderungen von Genen, die für den Proteintransport innerhalb der Zilien zuständig sind. „Je nach betroffenem Protein, variieren die Fehlbildungen in Art und Schwere“, erläutert Schmidts.
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SOCS1-Insuffizienz: Wenn Immunreaktionen außer Kontrolle geraten
In einer aktuellen Studie befasste sich Ehl mit der SOCS1-Insuffizienz – einer seltenen genetischen Erkrankung, die zu unkontrollierten Immunreaktionen führt. SOCS1 fungiert als natürliche Bremse des Immunsystems. „Unsere Forschung zeigt, dass ein genetischer SOCS1-Defekt zu einer übermäßigen Aktivierung von Immunzellen führt,“ erklärt Ehl. Das Ergebnis: Über 30 verschiedene Autoimmunerkrankungen, häufig sind Patient*innen mehrfach betroffen und oft in Kombination mit schweren Allergien und Lymphknotenschwellungen. „Interessanterweise entwickeln nur etwa 60 % der der Betroffenen Symptome – 60% davon sind Frauen“, so Ehl. Dies deute darauf hin, dass zusätzliche Faktoren für den Ausbruch der Erkrankung eine Rolle spielen.
Gezielte Therapie für Betroffene mit SOCS1-Defekt
Dank der immunologischen Grundlagenforschung konnten Ehl und sein Team gezielte Behandlungsansätze für SOCS1-Patient*innen entwickeln. „In der Vergangenheit wurden Betroffenen hohe Dosen Cortison und andere Immunsuppressiva verabreicht“, erklärt Ehl. Dies ist oft mit starken Nebenwirkungen verbunden. Dank neuer Erkenntnisse konnten nun erfolgreich JAK-Inhibitoren eingesetzt werden, die gezielt den betroffenen Signalweg dämpfen.
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Link: https://idw-online.de/de/news849889 | https://uni-freiburg.de/neue-therapieansaetze-fuer-genetische-erkrankungen-durch-biomedizinische-grundlagenforschung/
Originalpublikation: Clinical manifestations, disease penetrance, and treatment in individuals with SOCS1 insufficiency: a registry-based and population-based study
Hadjadj, JeromeHaerynck, F.H. et al. https://doi.org/10.1016/S2665-9913(24)00348-5
Zu müde zum Wache halten? Ein schwieriger Kompromiss zwischen Schlaf und Wachsamkeit
Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz
Vögel können – im Gegensatz zu uns Menschen – mit beiden Gehirnhälften tief schlafen (symmetrisch) oder mit einer Hälfte leichter schlafen als der anderen (asymmetrisch). • Studie eines internationalen Teams zeigt, dass europäische Dohlen unter Schlafmangel eher mit beiden Gehirnhälften tief schlafen, als mit einer Hälfte wachsam zu bleiben – besonders zu Beginn der Nacht, wenn der Erholungsbedarf am größten ist. • Die Einblicke in den Balanceakt zwischen Wachsamkeit und Schlaf können zu einem besseren Verständnis beitragen, wie sich Schlafmangel auf die Gehirnfunktion auswirkt – auch bei uns Menschen.
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Schlaf ist im gesamten Tierreich überlebenswichtig. Wie er abläuft, ist jedoch sehr unterschiedlich. Wenn wir Menschen schlafen, durchläuft unser Gehirn verschiedene Phasen, die sich etwa alle 90 Minuten abwechseln: der REM-Schlaf (Rapid Eye Movement) und der nicht-REM-Schlaf. Vögel durchlaufen die gleichen Phasen, aber meist in viel kürzeren Abständen – und ihre Schlafmuster sind viel flexibler als unsere. Eine Waffe in ihrem Schlafarsenal ist die Fähigkeit, während des nicht-REM-Schlafs mit einem Auge offen zu schlafen. Dieser Zustand wird als asymmetrischer Schlaf bezeichnet. Die Gehirnhälfte, die mit dem offenen Auge verbunden ist, schläft leicht und die Gehirnhälfte, die mit dem geschlossenen Auge verbunden ist, schläft tief. Auf diese Weise können Vögel, wie zum Beispiel Enten, eine Gehirnhälfte wacher halten, während die andere in einen tieferen Schlafzustand übergeht.
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Frühere Studien haben bereits gezeigt, wie Vögel und auch andere Tiere durch anpassungsfähige Schlafstrategien in gefährlichen Situationen wachsam bleiben – von großen Fregattvögeln, die während des Flugs asymmetrisch schlafen, über Stockenten, die ein Auge offenhalten, wenn sie am äußeren Rand der Gruppe schwimmen, bis hin zu nördlichen Seebären, die asymmetrisch im Wasser schlafen. Selbst Menschen, die nicht mit einem offenen Auge schlafen können neigen dazu, in der ersten Nacht in einer neuen Umgebung mit der linken Gehirnhälfte leichter zu schlafen.
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Die Forschenden stellten fest, dass einige Hirnregionen tiefer schlafen als andere. Womöglich benötigen Regionen, die im Wachzustand stärker beansprucht werden, einen tieferen Schlaf. Beispielsweise reagierten nicht alle Teile des Gehirns auf den Schlafentzug gleichermaßen. Regionen, die am Sehen und an der Entscheidungsfindung beteiligt sind, zeigten nach Schlafmangel stärkere Signale, während zum Beispiel der Hippocampus weniger betroffen war.
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Link: https://idw-online.de/de/news849887 | https://www.bi.mpg.de/rattenborg/de
Originalpublikation: Sleep pressure causes birds to trade asymmetric sleep for symmetric sleep, van Hasselt, Sjoerd J. et al., https://doi.org/10.1016/j.cub.2025.03.008
Gen, das mit menschlichen Nierenerkrankungen in Verbindung steht, ist mit Berührung bei Seeanemonen verbunden
Ein neuer Artikel erweitert unser Verständnis von sensorischen Neuronen in den Tentakeln von Seeanemonen und bringt sie durch ein gemeinsames Gen mit Nierenerkrankungen beim Menschen in Verbindung.
Die Analyse der evolutionären Wurzeln der menschlichen Hörfähigkeit veranlasste das Team, die mechanosensorischen Haarzellen, die sich an der Außenseite der Tentakeln der Seeanemone befinden, genauer zu untersuchen. Die Mechanosensorik bezieht sich auf die Fähigkeit zu hören und Berührungen wahrzunehmen, während Haarzellen Hörzellen im Innenohr von Wirbeltieren sind, die Vibrationen aufnehmen, um das Hören zu ermöglichen. Seeanemonen haben ähnlich aussehende Zellen auf ihren Tentakeln – auch Haarzellen genannt –, mit denen sie die Bewegungen ihrer Beute wahrnehmen.
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Journal Reference: Julia Baranyk, Kristen Malir, Miguel A. P. Silva, Sakura Rieck, Gracie Scheve, Nagayasu Nakanishi. Structural, molecular and developmental evidence for cell-type diversity in cnidarian mechanosensory neurons. Nature Communications, 2025; 16 (1) https://doi.org/10.1038/s41467-025-56115-2
Antibiotika-Exposition im Säuglingsalter kann das Risiko für Typ-1-Diabetes erhöhen
Die Exposition gegenüber Antibiotika während eines wichtigen Entwicklungszeitraums im Säuglingsalter kann das Wachstum von Insulin produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse hemmen und das Risiko für Diabetes im späteren Leben erhöhen, wie neue Forschungsergebnisse an Mäusen nahelegen. Die Studie identifiziert auch spezifische Mikroorganismen, die die Vermehrung dieser kritischen Zellen fördern können.
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Journal Reference: Jennifer Hampton Hill, Rickesha Bell, Logan Barrios, Halli Baird, Kyla Ost, Morgan Greenewood, Josh K. Monts, Erin Tracy, Casey H. Meili, Tyson R. Chiaro, Allison M. Weis, Karen Guillemin, Anna E. Beaudin, L. Charles Murtaugh, W. Zac Stephens, June L. Round. Neonatal fungi promote lifelong metabolic health through macrophage-dependent β cell development. Science, 2025; 387 (6738) https://doi.org/10.1126/science.adn0953
Milch als Medizin: Muttermilch verwandelt Herausforderungen in Triumphe
Im Jahr 2010 durchforstete ein Forscher Forschungsdaten, als er etwas entdeckte, das ihm merkwürdig vorkam: Seine Daten zeigten, dass mit 6 Monaten gestillte Babys von Müttern, die als medizinisch fettleibig eingestuft wurden, etwa 5 % weniger Fettmasse aufwiesen als gestillte Babys im selben Datensatz. Diese Entdeckung kam ihm ungewöhnlich vor und führte ihn auf eine Forschungsreise, um die Muttermilch besser zu verstehen. Jetzt untersucht er die Zusammenhänge zwischen Schwangerschaftsdiabetes bei Müttern, Stillen und der Gesundheit von Säuglingen.
Damals vermutete Fields, dass sich die Zusammensetzung der Muttermilch von Müttern mit Schwangerschaftsdiabetes von der von Müttern ohne diese Krankheit unterscheiden würde. Als sie begannen, die Unterschiede in der Zusammensetzung der Muttermilch von Müttern mit und ohne Schwangerschaftsdiabetes zu untersuchen, erzählten die Ergebnisse eine unerwartete Geschichte. Zwar gab es neun Unterschiede zwischen der Muttermilch von Müttern mit Schwangerschaftsdiabetes und der von Müttern ohne diese Krankheit, aber drei davon standen in einem signifikanten Zusammenhang mit Wachstum und Körperzusammensetzung. Diese Unterschiede kamen den Kindern von Müttern mit Schwangerschaftsdiabetes zugute.
Babys von Müttern mit Schwangerschaftsdiabetes wuchsen schneller linear: Sie waren länger und wuchsen schneller. Sie hatten auch einen geringeren Fettanteil im Alter von einem bis drei Monaten.
„Sie nahmen nicht so viel zu, was genau das Gegenteil von dem ist, was wir erwarten würden. Wir dachten, dass diese Babys mehr Fett ansetzen würden, aber das tun sie nicht“, sagte Fields.
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https://www.ou.edu/news/articles/2025/march/study-breast-milk-gestational-diabetes
Journal Reference: Emily M. Nagel, Armando Peña, Jonathan M. Dreyfuss, Eric F. Lock, Kelsey E. Johnson, Chang Lu, David A. Fields, Ellen W. Demerath, Elvira Isganaitis. Gestational Diabetes, the Human Milk Metabolome, and Infant Growth and Adiposity. JAMA Network Open, 2024; 7 (12): e2450467 https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2024.50467
„Schalter“ ermöglicht die Regeneration von Darmzellen nach Verletzungen
Forscher haben ein zelluläres Rätsel gelöst, das zu besseren Therapien für Darmkrebs und andere Krebsarten führen könnte. Ein Professor für Pädiatrie und Entwicklungsbiologie und ein Assistenzprofessor für Molekular-, Zell- und Entwicklungsbiologie haben gezeigt, wie wichtig der H3K36-Methylierungsprozess für die Regulierung der Plastizität und Regeneration in Darmzellen ist.
„Der Darm besitzt eine enorme Fähigkeit, sich nach einer Verletzung selbst zu regenerieren, und zwar durch ein Modell der Dedifferenzierung“, erklärt Dempsey. “Die Zellen dedifferenzieren nach einer Verletzung zurück in eine Art regenerative Stammzelle, und diese Stammzellen regenerieren schließlich den Darm und verwandeln sich wieder in normale Zellen.“
Wissenschaftler haben lange nach dem „Schalter“ gesucht, der normale Darmzellen wieder in regenerative Stammzellen umwandelt, sagt Brumbaugh. Anhand von Tiermodellen fanden er, Dempsey und der Rest ihres Forschungsteams heraus, dass die H3K36-Methylierung – ein biochemischer Prozess, der innerhalb des H3-Histonproteins stattfindet – dafür verantwortlich ist, diesen plastischen Zustand ein- und auszuschalten. Ihre Forschung wurde durch einen Zuschuss des CU Cancer Center finanziert.
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https://news.cuanschutz.edu/cancer-center/h3k36-methylation-plasticity-regeneration-intestinal-cells
Journal Reference: Alison R. S. Pashos, Anne R. Meyer, Cameron Bussey-Sutton, Erin S. O’Connor, Mariel Coradin, Marilyne Coulombe, Kent A. Riemondy, Sanjana Potlapelly, Brian D. Strahl, Gunnar C. Hansson, Peter J. Dempsey, Justin Brumbaugh. H3K36 methylation regulates cell plasticity and regeneration in the intestinal epithelium. Nature Cell Biology, 2025; 27 (2): 202 https://doi.org/10.1038/s41556-024-01580-y
Lasso-förmiges Antibiotikum umgeht Standard-Arzneimittelresistenzen
Ein kleines Molekül in Form eines Lassos könnte sich als wirksames Instrument im Kampf gegen Infektionskrankheiten erweisen.
Lariocidin, ein Peptid, das von im Boden lebenden Bakterien produziert wird, war gegen mehrere verschiedene Mikroben wirksam, die für tödliche Infektionen verantwortlich sind. Forscher der University of Illinois at Urbana-Champaign (UIC) haben in Zusammenarbeit mit Kollegen der McMaster University in Kanada herausgefunden, wie das neue Antibiotikum wirkt und warum das Medikament bakterielle Resistenzen umgeht.
„Der heilige Gral auf diesem Gebiet ist es, ein Antibiotikum zu finden, das an ein neues Ziel bindet, einen neuartigen Wirkmechanismus hat und eine neue Struktur aufweist, im Vergleich zu Antibiotika, die bereits bekannt sind“, sagte Alexander Mankin, Professor für Pharmazeutische Wissenschaften an der UIC. “Lariocidin erfüllt all diese Ziele.“
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https://today.uic.edu/lasso-shaped-antibiotic-co-developed-by-uic-evades-standard-drug-resistance/
Journal Reference: Manoj Jangra, Dmitrii Y. Travin, Elena V. Aleksandrova, Manpreet Kaur, Lena Darwish, Kalinka Koteva, Dorota Klepacki, Wenliang Wang, Maya Tiffany, Akosiererem Sokaribo, Brian K. Coombes, Nora Vázquez-Laslop, Yury S. Polikanov, Alexander S. Mankin, Gerard D. Wright. A broad-spectrum lasso peptide antibiotic targeting the bacterial ribosome. Nature, 2025; https://doi.org/10.1038/s41586-025-08723-7
Wie Zellen auf Stress reagieren, ist nuancierter als bisher angenommen
Die Zellen des Körpers reagieren auf Stress – Toxine, Mutationen, Hunger oder andere Angriffe – indem sie ihre normalen Funktionen unterbrechen, um sich auf die Energieeinsparung, die Reparatur beschädigter Komponenten und die Stärkung der Abwehrkräfte zu konzentrieren. Wenn der Stress beherrschbar ist, nehmen die Zellen ihre normale Aktivität wieder auf; wenn nicht, zerstören sie sich selbst. Wissenschaftler haben jahrzehntelang geglaubt, dass diese Reaktion als lineare Kette von Ereignissen abläuft: Sensoren in der Zelle „schlagen Alarm“ und modifizieren ein Schlüsselprotein, das dann ein zweites Protein verändert, das die normale Funktion der Zelle verlangsamt oder abschaltet. Forscher haben nun jedoch herausgefunden, dass die Reaktion einer Zelle nuancierter und kompartimentierter ist – nicht starr oder fest, wie bisher angenommen.
Die bahnbrechende Forschung deutet darauf hin, dass diese adaptive Reaktion auf Stress – die die Forscher „Split-Integrated Stress Response“ oder s-ISR nennen – möglicherweise genutzt werden könnte, um Krebszellen abzutöten und neurodegenerative Erkrankungen wirksamer zu behandeln.
„Diese Studie stellt eine neue Denkweise über zellulären Stress dar“, sagte Hatzoglou. “ISR ist kein Einheits-System, wie wir bisher dachten. Stattdessen kann es sich je nach Art, Stärke und Dauer des Stresses, dem die Zelle ausgesetzt ist, verändern und anpassen.“
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https://thedaily.case.edu/how-cells-respond-to-stress-is-more-nuanced-than-previously-believed/
Journal Reference: Chien-Wen Chen, David Papadopoli, Krzysztof J. Szkop, Bo-Jhih Guan, Mohammed Alzahrani, Jing Wu, Raul Jobava, Mais M. Asraf, Dawid Krokowski, Anastasios Vourekas, William C. Merrick, Anton A. Komar, Antonis E. Koromilas, Myriam Gorospe, Matthew J. Payea, Fangfang Wang, Benjamin L. L. Clayton, Paul J. Tesar, Ashleigh Schaffer, Alexander Miron, Ilya Bederman, Eckhard Jankowsky, Christine Vogel, Leoš Shivaya Valášek, Jonathan D. Dinman, Youwei Zhang, Boaz Tirosh, Ola Larsson, Ivan Topisirovic, Maria Hatzoglou. Plasticity of the mammalian integrated stress response. Nature, 2025; https://doi.org/10.1038/s41586-025-08794-6
Wissenschaftler entdecken, warum Fettleibigkeit die Freude am Essen nimmt
Viele übergewichtige Menschen berichten, dass sie die Freude am Verzehr reichhaltiger Speisen verloren haben – etwas, das auch bei übergewichtigen Mäusen beobachtet wird. Wissenschaftler haben nun den Grund dafür entdeckt. Eine langfristige fettreiche Ernährung senkt den Neurotensinspiegel im Gehirn, stört das Dopamin-Belohnungsnetzwerk und verringert das Verlangen nach fettreichen Lebensmitteln. Eine Erhöhung des Neurotensinspiegels bei Mäusen bringt die Freude zurück und unterstützt die Gewichtsabnahme. Die Freude zurückzubringen könnte Menschen dabei helfen, die Gewohnheit des übermäßigen Essens zu durchbrechen.
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„Wir haben jetzt das vollständige genetische Profil dieser Neuronen und wissen, wie sie sich bei fettreicher Ernährung verändern“, so Lammel. “Der nächste Schritt besteht darin, die dem Neurotensin vor- und nachgelagerten Signalwege zu erforschen, um präzise therapeutische Ziele zu finden.“
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Journal Reference: Neta Gazit Shimoni, Amanda J. Tose, Charlotte Seng, Yihan Jin, Tamás Lukacsovich, Hongbin Yang, Jeroen P. H. Verharen, Christine Liu, Michael Tanios, Eric Hu, Jonathan Read, Lilly W. Tang, Byung Kook Lim, Lin Tian, Csaba Földy, Stephan Lammel. Changes in neurotensin signalling drive hedonic devaluation in obesity. Nature, 2025; https://doi.org/10.1038/s41586-025-08748-y
Repetitive Verhaltensweisen und spezielle Interessen sind eher ein Hinweis auf eine Autismus-Diagnose als ein Mangel an sozialen Fähigkeiten
Menschen mit Autismus werden in der Regel durch klinische Beobachtung und Bewertung diagnostiziert. Um den klinischen Entscheidungsprozess, der oft subjektiv und schwer zu beschreiben ist, zu dekonstruieren, verwendeten die Forscher ein Large Language Model (LLM), um die Verhaltensweisen und Beobachtungen zusammenzufassen, die am ehesten auf eine Autismus-Diagnose hindeuten. Ihre Ergebnisse zeigen, dass repetitive Verhaltensweisen, spezielle Interessen und wahrnehmungsbasierte Verhaltensweisen am ehesten mit einer Autismus-Diagnose in Verbindung gebracht werden. Diese Erkenntnisse haben das Potenzial, die diagnostischen Leitlinien für Autismus zu verbessern, indem der Fokus auf soziale Faktoren verringert wird – auf die sich die etablierten Leitlinien im DSM-5 konzentrieren, die das Modell jedoch nicht als die relevantesten bei der Diagnose von Autismus einstufte.
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Die Wissenschaftler nutzten ein Transformer-Sprachmodell, das mit etwa 489 Millionen einzigartigen Sätzen vorab trainiert wurde. Anschließend passten sie das LLM an, um das Diagnoseergebnis aus einer Sammlung von mehr als 4.000 Berichten vorherzusagen, die von Klinikern verfasst wurden, die mit Patienten arbeiteten, bei denen eine Autismus-Diagnose in Betracht gezogen wurde. Die Berichte, die oft von mehreren Klinikern verwendet wurden, enthielten Berichte über beobachtetes Verhalten und relevante Patientengeschichten, aber keinen Vorschlag für ein Diagnoseergebnis.
Das Team entwickelte ein maßgeschneidertes LLM-Modul, das bestimmte Sätze in den Berichten herausfilterte, die für eine korrekte Diagnosestellung am relevantesten waren. Anschließend extrahierten sie die numerische Darstellung dieser hochgradig autismusrelevanten Sätze und verglichen sie direkt mit den im DSM-5 aufgeführten etablierten Diagnosekriterien.
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Das Team geht davon aus, dass ihr Rahmenwerk für Forscher und Mediziner, die mit einer Reihe von psychiatrischen, psychischen und neurologischen Entwicklungsstörungen arbeiten, bei denen die klinische Beurteilung den Großteil des diagnostischen Entscheidungsprozesses ausmacht, hilfreich sein wird.
„Wir gehen davon aus, dass dieses Papier für die breitere Autismus-Gemeinschaft von großer Bedeutung sein wird“, sagt Bzdok. “Wir hoffen, dass unser Papier zu Gesprächen über die Festlegung diagnostischer Standards auf der Grundlage empirisch abgeleiteter Kriterien anregt. Wir hoffen auch, dass es gemeinsame Nenner für scheinbar unterschiedliche klinische Erscheinungsformen von Autismus aufzeigt.“
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Journal Reference: Jack Stanley, Emmett Rabot, Siva Reddy, Eugene Belilovsky, Laurent Mottron, Danilo Bzdok. Large language models deconstruct the clinical intuition behind diagnosing autism. Cell, 2025 https://doi.org/10.1016/j.cell.2025.02.025
Ziel zur Reparatur verletzter Muskeln entdeckt
Ein Team hat einen möglichen therapeutischen Ansatz zur Reparatur verletzter Muskeln entdeckt, die entweder durch Alterung oder degenerative Muskelerkrankungen entstanden sind.
Das Team unter der Leitung von Ashok Kumar, Else and Philip Hargrove Endowed Professor of Drug Discovery und Direktor des Institute of Muscle Biology and Cachexia, entdeckte ein potenzielles therapeutisches Ziel bei Muskelerkrankungen, indem es eine bisher unbekannte Rolle eines Proteins namens Fn14 bei der Regulierung der Stabilität und Funktion von Satellitenzellen identifizierte. Sie haben ihre Ergebnisse in JCI Insight veröffentlicht.
Satellitenzellen, auch als Muskelstammzellen bekannt, sind für das Muskelwachstum, die Muskelreparatur und die Muskelregeneration verantwortlich.
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Die Studie zeigte, dass die Fn14-Werte in Satellitenzellen nach einer Muskelverletzung erhöht waren. Umgekehrt ist die Verringerung des Satellitenzellgehalts und der Satellitenzellfunktion ein wesentlicher Faktor für den Abbau der Skelettmuskulatur bei vielen Erkrankungen, einschließlich des Alterns und degenerativer Muskelerkrankungen wie Muskeldystrophie.
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Die Ergebnisse von Kumars aktuellen und früheren Studien, die im Journal der Life Science Alliance veröffentlicht wurden, zeigen, dass die Fn14-Signalübertragung für die Vermehrung und Verschmelzung von Muskelvorläuferzellen, d. h. Zellen im Frühstadium, die zur Bildung neuer Muskeln beitragen, mit verletzten Muskelfasern von entscheidender Bedeutung ist und so die Reparatur und Regeneration fördert.
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https://uh.edu/news-events/stories/2025/march/03262025-kumar-muscle-degeneration-target.php
Journal Reference: Meiricris Tomaz da Silva, Aniket S. Joshi, Ashok Kumar. Fibroblast growth factor–inducible 14 regulates satellite cell self-renewal and expansion during skeletal muscle repair. JCI Insight, 2025; 10 (5) https://doi.org/10.1172/jci.insight.187825
Forschung findet potenzielle „molekulare Nachahmer“ hinter COVID-bedingten Autoimmunerkrankungen
Wissenschaftler nutzten fortschrittliche Datenanalyse und maschinelles Lernen, um die viralen Proteine zu identifizieren, die Autoimmunerkrankungen wie Typ-1-Diabetes und rheumatoide Arthritis auslösen können.
Eine COVID-Infektion wurde mit einem höheren Risiko für Autoimmunerkrankungen, einschließlich rheumatoider Arthritis und Typ-1-Diabetes, in Verbindung gebracht. Aber warum das Virus das Immunsystem des Körpers aus dem Gleichgewicht bringen könnte, ist unbekannt, was die Entwicklung von Therapien zur Vermeidung von Autoimmunerkrankungen erschwert. Eine Hypothese besagt, dass virale „molekulare Mimikry“, die den körpereigenen Proteinen ähneln, eine Immunreaktion gegen das Virus auslösen – und gesundes Gewebe gerät ins Kreuzfeuer.
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Wichtig ist, dass einige der menschlichen Proteine, die die Forscher als wahrscheinliche Ziele der COVID-induzierten Autoimmunität identifiziert haben, nur bei Menschen mit einer bestimmten Genetik vorkommen, was darauf hindeutet, dass Menschen, die diese Proteine produzieren, einem höheren Risiko einer COVID-induzierten Autoimmunität ausgesetzt sind.
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Journal Reference: Pablo Maldonado-Catala, Ram Gouripeddi, Naomi Schlesinger, Julio C. Facelli. Molecular mimicry impact of the COVID-19 pandemic: Sequence homology between SARS-CoV-2 and autoimmune diseases epitopes. ImmunoInformatics, 2025; 18: 100050 https://doi.org/10.1016/j.immuno.2025.100050
Qualitätssicherung in der Zelle: Wie fehlerhafte Baupläne für Proteine verhindert werden
Universität Heidelberg
Zwei molekulare Kontrollfaktoren spielen eine entscheidende Rolle beim sogenannten Spleißen, dem Schneiden und Zusammenfügen von reifer Boten-RNA – eine Grundvoraussetzung für die Synthese von Proteinen in der Zelle. Die bislang kaum erforschten Faktoren tragen maßgeblich dazu bei, dass die für das Spleißen verantwortliche molekulare Maschine korrekt arbeitet. Wie die beiden zellulären Qualitätsprüfer ihre Arbeit verrichten, hat ein Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Ed Hurt am Biochemie-Zentrum der Universität Heidelberg entschlüsselt. Sie kooperierten dabei mit Wissenschaftlern der Fudan-Universität in Shanghai (China).
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Als Grundbausteine von Zellen übernehmen Proteine lebenswichtige Funktionen im Organismus. Die Anleitungen für ihre Herstellung sind in der DNA niedergeschrieben. Damit ein exakter Bauplan für jedes Protein zur Produktionsstätte in der Zelle gelangen kann, muss die Information aus dem Erbgut in eine Boten-RNA – kurz mRNA – abgeschrieben werden. Dabei entstehen zunächst Vorläufer. Diese prä-mRNA enthält neben Abschnitten mit kodierenden Informationen für das Protein (Exons) auch nicht-kodierende Segmente (Introns). Diese Introns müssen noch im Zellkern aus der prä-mRNA herausgeschnitten und die Exons an den Schnittstellen wieder verbunden werden. Dieser Vorgang wird als Spleißen bezeichnet. Die gespleißte Boten-RNA besteht schließlich nur noch aus Protein-kodierenden Exons.
Das Spleißen wird durch eine große molekulare Maschine katalysiert. Dieses Spleißosom besteht aus einer Vielzahl von Protein- und RNA-Komponenten und wird bei jedem Spleißvorgang immer wieder neu an den Stellen aufgebaut, an denen ein Exon in ein Intron und dieses wieder in ein Exon übergeht. Dabei ist von fundamentaler Bedeutung, dass der Spleißkomplex die Exon-Intron-Exon-Schnittstellen sicher erkennt, so dass die erforderlichen Schnitte genau erfolgen können. „Die präzise Arbeitsweise dieser molekularen Maschine ist in der Vergangenheit bereits sehr gut erforscht worden. Unklar blieb jedoch, ob das Spleißosom eine Vorgänger-mRNA mit einer nicht-authentischen Spleißstelle erkennen und wieder aussortieren kann“, so Prof. Hurt.
In Untersuchungen mit Spleißosomen des Fadenpilzes Chaetomium thermophilum konnten die Forscherinnen und Forscher zeigen, dass zwei Proteine mit der Bezeichnung GPATCH1 und DHX35 entscheidend zur Genauigkeit des Spleißvorgangs beitragen. Dies gelang, nachdem sie Spleißkomplexe des Pilzes isolieren konnten, die sich mitten in der Qualitätskontrolle befanden und mit dem Aussortieren einer fehlerhaften prä-mRNA beschäftigt waren. „Wenn es vor dem ersten Schnitt zu Problemen kommt, eilen die beiden Proteine dem Spleißosom als Qualitätsprüfer zu Hilfe“, erklärt Postdoktorandin Dr. Paulina Fischer. Ist die prä-mRNA fehlerhaft, erkennt GPATCH1, dass das Spleißosom nicht weiterarbeiten darf. Als zweiter Faktor löst DHX35 die ungeeignete Vorläufer-mRNA ab und eliminiert sie. Im Anschluss daran wird das Spleißosom selbst wieder in seine Einzelteile zerlegt, um für einen neuen Spleißvorgang zur Verfügung zu stehen.
„Die beiden molekularen Kontrollfaktoren verhindern als zelluläre Qualitätsprüfer, dass mit einer falsch gespleißten mRNA möglicherweise ein defektes Protein hergestellt wird“, so die Wissenschaftlerin. Von ihren Erkenntnissen erhoffen sich die Forscherinnen und Forscher ein besseres Verständnis der Mechanismen, die die Genauigkeit des Spleißvorgangs sicherstellen. „Sie sind auch von klinischer Relevanz, da fehlerhaftes Spleißen in Verbindung mit verschiedenen Erkrankungen gebracht wird, darunter Krebs sowie genetische und neurodegenerative Erkrankungen“, so Ed Hurt. …
Link: https://idw-online.de/de/news849769
Originalpublikation: Y. Li, P. Fischer, M. Wang, Q. Zhou, A. Song, R. Yuan, W. Meng, F. X. Chen, R. Lührmann, B. Lau, E. Hurt, J. Cheng: Structural insights into spliceosome fidelity: DHX35-GPATCH1-mediated rejection of aberrant splicing substrates. Cell Research (published online 28 February 2025), https://doi.org/10.1038/s41422-025-01084-w
Intervallfasten steigert Sexualtrieb männlicher Mäuse: Ansatzpunkt für verminderte Libido beim Menschen?
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE)
Langfristiges Fasten im 24-Stunden-Rhythmus steigert den Sexualtrieb männlicher Mäuse, indem es die Konzentration des Botenstoffes Serotonin im Gehirn senkt. Ursache ist ein diätbedingter Mangel an der Vorläufersubstanz Tryptophan – einer Aminosäure, die über die Nahrung aufgenommen werden muss. Forschende des DZNE berichten darüber im Fachjournal „Cell Metabolism“ gemeinsam mit einem chinesischen Team der Qingdao University und der University of Health and Rehabilitation Sciences. Sie gehen davon aus, dass beim Menschen ähnliche Wirkprinzipien bestehen könnten, und sehen im Fasten einen möglichen Ansatz zur Behandlung unerwünschter sexueller Lustlosigkeit.
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Die nun veröffentlichen Forschungsergebnisse beruhen auf einer Zufallsentdeckung – denn ursprünglich hatten Ehninger und seine Kolleginnen und Kollegen anderes im Sinn. Sie wollten herausfinden, wie sich Fasten bei männlichen Mäusen auf deren Nachwuchs auswirkt. Doch ein überraschender Befund lenkte ihre Untersuchungen in eine neue Richtung: Alte Mäusemännchen – nach menschlichem Maßstab waren es Senioren –, die über längere Zeit gefastet hatten, zeugten ungewöhnlich viele Nachkommen. Anders als zunächst vermutet, ließ sich dieses Phänomen weder durch Einflüsse auf die Reproduktionsorgane noch durch hormonelle Faktoren erklären. Altersbedingte Veränderungen – etwa bei Hoden, Spermienqualität oder Testosteronspiegel – sprachen vielmehr gegen eine hohe Fruchtbarkeit. „Es war Detektivarbeit, die eigentliche Ursache herauszufinden“, so Ehninger, dessen Arbeitsgruppe bei der aktuellen Studie mit Fachleuten der Qingdao University und der University of Health and Rehabilitation Sciences um Prof. Yu Zhou zusammenarbeitete. „Schließlich stellten wir fest: Es liegt am Verhalten. Die fastenden Männchen hatten deutlich mehr Sexualkontakte als jene Mäuse, die unbegrenzt fressen konnten. Gemessen an ihrem Alter zeigten diese Tiere ein ungewöhnlich hohes Paarungsverhalten – und entsprechend viele Nachkommen. Ihr Verhalten hat altersbedingte physiologische Einschränkungen mehr als ausgeglichen.“
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Im Zuge der Ursachenforschung rückten schließlich Neurotransmitter in den Fokus, die das Sexualverhalten beeinflussen. Einige von ihnen wirken stimulierend, andere hemmend. Auffällig war bei den sexuell besonders aktiven Mäusemännchen vor allem das Serotonin, das allgemein als hemmend gilt. Die Konzentration dieses Botenstoffes war jedoch ungewöhnlich niedrig. „Diese Mäuse waren gewissermaßen sexuell enthemmt – die regulierende Bremse fehlte“, sagt Ehninger. Serotonin entsteht vor allem im Magen-Darm-Trakt, aber auch im Gehirn, wo es als Neurotransmitter an der Kommunikation zwischen Nervenzellen beteiligt ist. Für seine Herstellung wird die Aminosäure Tryptophan benötigt. Diese muss entweder über die Nahrung aufgenommen oder über den Abbau körpereigener Eiweißstoffe – etwa von Muskelproteinen – gewonnen werden. Denn Tryptophan ist „essentiell“: Der Organismus sowohl von Mäusen als auch von Menschen kann diese Aminosäure nicht selbst synthetisieren. Die Menge an Tryptophan im Körper lässt sich daher über die Ernährung beeinflussen. Tatsächlich kommt die Aminosäure in vielen Lebensmitteln vor. „Der Mangel an Serotonin war ganz klar eine Folge des Fastens“, erläutert der DZNE-Forscher.
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„Auch beim Menschen spielen Botenstoffe eine wichtige Rolle bei der Regulation des Sexualverhaltens. Das gilt unter anderem für das Serotonin“, so Ehninger. Das zeige sich zum Beispiel an sogenannten SSRI – einer Klasse von Medikamenten gegen Depressionen, die den Serotoninspiegel erhöhen. Eine mögliche Nebenwirkung dieser Therapie sei ein Verlust an Libido. Umgekehrt sei bekannt, dass ein niedriger Serotoninspiegel das sexuelle Verlangen fördern kann. „Daher halte ich es für sehr plausibel, dass sich die sexuelle Lust beim Menschen über Fasten beeinflussen lässt – möglicherweise nicht nur bei Männern, sondern auch bei Frauen. Denn auch bei ihnen wirkt Serotonin auf die Libido.“ Über die Folgen des Fastens auf die menschliche Libido gäbe es tatsächlich nur wenige wissenschaftliche Studien, so Ehninger. „Nach meiner Einschätzung würde es Sinn ergeben, sich diesen Aspekt genauer anzuschauen. Ich sehe hier Potenzial für eine therapeutische Anwendung. Ein Mangel an sexuellem Verlangen wird nicht zwangsläufig als problematisch empfunden – doch manche Menschen leiden darunter. Dieser Zustand ist unter dem Fachbegriff ‚Hypoactive Sexual Desire Disorder‘ bekannt und betrifft vor allem ältere Erwachsene. Möglicherweise könnte Fasten eine sinnvolle Ergänzung zu den bestehenden Behandlungsoptionen sein.“
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Link: https://idw-online.de/de/news849801 | https://www.dzne.de/en/news/press-releases/press/intermittent-fasting-increases-sex-drive-in-male-mice-an-approach-for-low-libido-in-humans
Originalpublikation: Intermittent fasting boosts sexual behavior by limiting the central availability of tryptophan and serotonin, Cell Metabolism (2025), Kan Xie et al., DOI: 10.1016/j.cmet.2025.03.001, URL: https://www.cell.com/cell-metabolism/fulltext/S1550-4131(25)00104-4
Wie ist das große Gehirn entstanden?
Deutsches Primatenzentrum GmbH – Leibniz-Institut für Primatenforschung
Neue Erkenntnisse zur Entwicklung des menschlichen Gehirns
Zwei spezifische Gene, die ausschließlich beim Menschen vorkommen, beeinflussen gemeinsam die Entwicklung des Großhirns. Dies haben Forschende des Deutschen Primatenzentrums – Leibniz-Institut für Primatenforschung und des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik in einer jetzt veröffentlichten Studie herausgefunden. Damit ist ihnen der Nachweis gelungen, dass diese Gene gemeinsam zur evolutionären Vergrößerung des Gehirns beitragen (Science Advances).
Die Studienergebnisse zeigen, dass die beiden Gene in einem fein abgestimmten Zusammenspiel wirken: Eines sorgt dafür, dass sich die Vorläuferzellen des Gehirns stärker vermehren, während das andere bewirkt, dass sich diese Zellen in einen anderen Vorläuferzelltyp umwandeln – jene Zellen, die später die Nervenzellen des Gehirns bilden. Dieses Zusammenwirken hat im Laufe der Evolution dazu geführt, dass das menschliche Gehirn in seiner Größe und Komplexität einzigartig ist.
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Originalpublikation:
Nesil Eşiyok, Neringa Liutikaite, Christiane Haffner, Jula Peters, Sabrina Heide, Christina Eugster Oegema, Wieland B. Huttner, Michael Heide (2025): A dyad of human-specific NBPF14 and NOTCH2NLB orchestrates cortical progenitor abundance crucial for human neocortex expansion. Science Advances 11, https://doi.org/10.1126/sciadv.ads7543
Link: https://idw-online.de/de/news849568
Nur wenige Desinfektionsmittel inaktivieren das Hepatitis-A-Virus
Ruhr-Universität Bochum
Das Hepatitis-A-Virus (HAV) ist einer der Hauptverursacher viraler Hepatitis und für schätzungsweise 159.000 Infektionen und 39.000 Todesfälle jährlich verantwortlich. Um einer Ansteckung vorzubeugen, sollten Oberflächen desinfiziert werden, besonders bei hohen Infektionszahlen. Die Forschenden der Abteilung für Molekulare und Medizinische Virologie der Ruhr-Universität Bochum haben neun verschiedene Flächendesinfektionsmittel gegen HAV getestet. Ergebnis: Nur zwei Produkte auf Aldehydbasis waren in der Lage, HAV wirksam zu inaktivieren. Das Team berichtet im Journal of Hospital Infection vom 14. März 2025.
Die Forschenden brachten HAV-Partikel auf Stahloberflächen auf und bestimmten die Anzahl ansteckender Viruspartikel über 60 Tage. „Wir konnten bis zu 40 Tage lang infektiöse Partikel auf einer solchen Oberfläche nachweisen, was für eine hohe Stabilität des Virus spricht“, berichtet Doktorandin Lilli Pottkämper. Erst nach rund 18 Tagen hatte sich die Anzahl ansteckender Partikel um jeweils die Hälfte reduziert.
Das Forschungsteam wandte dann verschiedene Desinfektionsmittel auf den Proben an. Unter den neun getesteten Produkten waren solche auf Alkoholbasis, auf Aldehydbasis, ein Produkt auf Peressigsäurebasis, ein Produkt auf Sauerstoffbasis und eins auf Wasserstoffperoxidbasis. „Mit Ausnahme der beiden Aldehyd-basierten Produkte konnte keines der Desinfektionsmittel die Ansteckungsgefahr ausreichend herabsetzen“, so Lilli Pottkämper.
Inwiefern die Ansteckung über kontaminierte Oberflächen zum Infektionsgeschehen mit Hepatitis A beiträgt, ist nicht bekannt. Die Viren werden über Fäkalien ausgeschieden und dann oral aufgenommen, häufig über verunreinigte Lebensmittel oder Trinkwasser. „Eine funktionierende Flächendesinfektion könnte aber besonders bei hohen Infektionszahlen dazu beitragen, Ansteckungen zu verhindern“, so Lilli Pottkämper.
Link: https://idw-online.de/de/news849675
Originalpublikation: Lilli Pottkämper, Michelle Jagst, Daniel Todt, Eike Steinmann: Stability and Inactivation of Hepatitis A Virus on Inanimate Surfaces, in: Journal of Hospital Infection, 2025, DOI: 10.1016/j.jhin.2025.02.020, https://doi.org/10.1016/j.jhin.2025.02.020
Die effektivsten Komponenten von Disease-Management-Programmen gegen Depression
Klinikum der Universität München
Sogenannte Disease-Management-Programme (DMP) helfen auch bei Depression. Allerdings ist unklar, warum bzw. was genau wirkt in diesem Bündel aus Maßnahmen zu Diagnostik, Behandlung, Begleitung und Patientenstärkung. Ein Team des DFG-Graduiertenkollegs „POKAL“ um Prof. Dr. Jochen Gensichen am LMU Klinikum München hat nun in einer Analyse der vorliegenden seriösen Studien herausgefunden, dass vor allem zwei Komponenten der komplexen Programme wichtig sind. „Unsere Erkenntnisse könnten bei der Gestaltung eines DMP für Depression in Deutschland helfen“, sagt Erstautorin Hannah Schillok. Ihre Studie ist jetzt im renommierten Fachblatt „JAMA Psychiatry“ erschienen.
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Eine Möglichkeit sind Disease-Management-Programme, in denen der Hausarzt eine führende Rolle spielt. DMP sind Behandlungsprogramme für chronische Erkrankungen. Diagnose und Behandlung erfolgen in einem Guss, alle Fachkräfte ziehen mit dem Patienten an einem Strang, alle wichtigen Schritte und Aufgaben erfolgen in einem gut abgestimmten Paket. DMPs existieren in Deutschland bereits bei körperlichen Erkrankungen wie für Typ2-Diabetes oder Asthma. Für die Depression hat sich ein derart strukturiertes Behandlungsprogramm in Deutschland noch nicht etabliert, obwohl es sich international „in Studien bewährt hat“, sagt die Wissenschaftlerin Schillok, „die Daten zeigen, dass sich die Symptome deutlich verbessern lassen.“
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Der neuen Studie zufolge stechen zwei Komponenten hervor. Erstens und für die Experten überraschend: die Einbindung von Freunden und Familie. Das bedeutet: Aufklärung der Menschen, die dem depressiven Patienten nahestehen. Ziel: Sie sollen besser mit ihm umgehen können, ihn außerhalb der Arztpraxis unterstützen und motivieren, weiter am DMP teilzunehmen. „Und das“, erklärt Schillok, „funktioniert oft sehr gut.“
Zweitens: psychologische Kurzinterventionen durch den Hausarzt selbst. Sie dauern in der Regel 20 bis 40 Minuten pro Sitzung. Zuvor wird der Hausarzt von einem Therapeuten angeleitet und bekommt verschiedene Toolkits und Manuals an die Hand und weiß, so Schillok, „bei jeder Sitzung ganz genau, welche Übungen und welche Schritte es in der jeweiligen Sitzung zu machen gilt.“
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Link: https://idw-online.de/de/news849706
Originalpublikation: Schillok H, Gensichen J, Panagioti M, et al. Effective Components of Collaborative Care for Depression in Primary Care: An Individual Participant Data Meta-Analysis. JAMA Psychiatry. Published online March 26, 2025.
doi: 10.1001/jamapsychiatry.2025.0183; https://jamanetwork.com/journals/jamapsychiatry/article-abstract/2831899
Knorpel- und Knochenentwicklung: Drei Wege führen zum Skelett
Universität Basel
Bei Wirbeltieren entsteht das Skelett verschiedener Körperregionen aus unterschiedlichen Vorläuferzellen. Forschende der Universität Basel haben nun entdeckt, dass sich diese Skelettzellen nicht nur in ihrer Herkunft unterscheiden, sondern auch in ihrer Genregulation. Womöglich liegt darin ein Schlüssel zur evolutiven Erfolgsgeschichte der Wirbeltiere.
Vom Schädel bis zum Knochen des kleinen Zehs: Das Skelett stabilisiert als inneres Gerüst den Körper und bildet schützende Hüllen um wichtige Organe. Trotz ähnlicher Struktur ist jedoch Knochen nicht gleich Knochen: Die verschiedenen Teile des Skeletts entstehen bei Wirbeltieren – also auch beim Menschen – im Laufe der Embryonalentwicklung aus drei unterschiedlichen Gruppen von Vorläuferzellen. Jede Gruppe produziert dabei eigene Steuerproteine und durchläuft ein eigenes Entwicklungsprogramm, um Knorpel und Knochen zu bilden. Davon berichten Forschende der Universität Basel im Fachjournal «Nature Communications».
Ein Typ von Vorläuferzellen bildet den Schädel und die Gesichtsknochen, ein anderer die Wirbelsäule und Rippen und ein dritter Typ das Skelett der Gliedmassen. «Man kann sich das wie drei Bauteams vorstellen, die alle je ein Stockwerk eines Hauses bauen», erklärt Prof. Dr. Patrick Tschopp vom Departement Umweltwissenschaften der Universität Basel. «Alle drei haben unterschiedliche Ausgangsmaterialien, Baupläne und Werkzeuge, aber am Ende kommen drei strukturell und funktional ähnliche Stockwerke heraus.»
Der Schädel und die Gesichtsknochen entstehen aus sogenannten Neuralleistenzellen, die am Rücken des Embryos entstehen und damit den Zellen des zentralen Nervensystems am nächsten stehen. Die Vorläuferzellen der Wirbelsäule und Rippen sind somatische Mesodermzellen, die am seitlichen Rücken des Embryos entstehen und neben Knochen auch Muskeln und Teile der Haut bilden. Die dritte Gruppe bilden die Lateralplatten-Mesodermzellen an den Flanken des Embryos, die das Skelett der Arme und Beine sowie Teile des Brustkorbs hervorbringen.
Mithilfe von Analysen auf Ebene einzelner Zellen von Hühnerembryos entdeckte das Forschungsteam um Patrick Tschopp, dass die drei Gruppen unterschiedliche Steuermechanismen verwenden, um das Entwicklungsprogramm hin zu Skelettzellen voranzutreiben. «Aus diesen Ergebnissen schliessen wir, dass die Skelettzellen der verschiedenen Körperregionen eben doch nicht so gleichartig sind, wie man bisher dachte», sagt die Bioinformatikerin Dr. Menghan Wang, eine der beiden Erstautorinnen der Studie. «Viel eher scheint es sich um verschiedene Zelltypen zu handeln, die ein ähnliches Gewebe produzieren», meint die Entwicklungsbiologin Dr. Ana Di Pietro-Torres, die zweite Erstautorin.
Was auf den ersten Blick unnötig kompliziert klingt, könnte tatsächlich einer der Schlüssel zum evolutiven Erfolg der Wirbeltiere sein: «Wenn das Skelett verschiedener Körperregionen von unterschiedlichen Bauplänen bestimmt wird, können sich diese Skelettbereiche auch unabhängig voneinander verändern», sagt Patrick Tschopp. «Das könnte erklären, warum Wirbeltiere so viele verschiedene Skelettformen entwickelt haben.»
Link: https://idw-online.de/de/news849716
Originalpublikation: Menghan Wang, Ana Di Pietro-Torres et al.
Distinct Gene Regulatory Dynamics Drive Skeletogenic Cell Fate Convergence During Vertebrate Embryogenesis
Nature Communications (2025), doi: 10.1038/s41467-025-57480-8